Edward C. Prescott

Nobelpreis 2004 | Ab wann sollten wir uns über das Staatsdefizit Gedanken machen?

Angenommen Sie hätten perfekte Forschungsbedingungen und alle Daten, die sie brauchen: Was ist die grösste Frage, mit der Sie sich beschäftigen würden? Edward Prescott ermutigt seine Studentinnen und Studenten dazu, über die Grenzen des Möglichen hinweg zu denken und befolgt dabei auch selbst seinen Rat. Er lieferte in vielen Feldern der Wirtschaftswissenschaften wie Wachstumstheorie, Politikanalyse, Wirtschaftstheorie, Ökonometrie, Methodologie und Arbeitsmarktforschung Beiträge von elementarer Bedeutung.

Für Prescott muss eine interessante wissenschaftliche Frage auch wirtschaftspolitisch relevant sein. «Es muss etwas sein, für das die aktuellen Theorien nicht ausreichen.» Dank seines rigorosen und doch geradlinigen Denk- und Forschungsprozesses führte seine Arbeit über die zeitliche Inkonsistenz der Wirtschaftspolitik zu einem Paradigmenwechsel und schaffte einen methodologischen Rahmen für das Verständnis von Konjunkturzyklen. Die enge Zusammenarbeit mit seinem ehemaligen Studenten und späteren Kollegen Finn Kydland brachte den beiden Wissenschaftlern 2004 den Nobelpreis ein.

Edward C. Prescott

Edward C. Prescott

Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften (gemeinsam mit Finn Kydland), 2004

Auf einen Blick

Geboren: 1940, Glens Falls, New York, USA

Fachgebiet: Makroökonomie

Ausgezeichnetes Werk: Beiträge im Bereich dynamische Makroökonomie: Die Zeitkonsistenz von Wirtschaftspolitik und die treibende Kraft von Konjunkturzyklen

Unerfüllter Wunsch aus der Sputnik-Ära: Wäre gerne Raketenforscher geworden

Alltagsregel: Danke denen, die dich kritisieren, für die Zeit, die sie darauf verwenden

Langweilt sich schnell: Wenn sich nichts verändert

Seine spektakulärste Bergwanderung: Der Milford Track in Neuseeland

Vorhersage der Effekte politischer Entscheidungen

Als Co-Autor wissenschaftlicher Artikel, die er zusammen mit Kydland und Bob Lucas, einem weiteren Nobelpreisträger, verfasst hat und die die Wirtschaftswissenschaften nach wie vor definieren und prägen, stellt Prescott unermüdlich anregende Fragen von wirtschaftspolitischer Relevanz. «Immer wenn man sich mit einem Problem beschäftigt, entstehen weitere interessante Fragen», so Prescott. «Findet man schliesslich die Antworten, so verändert das die eigene Denkweise. Man findet bessere Wege, um mit der Komplexität der Realität umzugehen. Es ist erstaunlich, wie nützlich unsere unglaublich einfachen Modelle sind, wenn es darum geht, Schlussfolgerungen zu ziehen und Vorhersagen darüber zu treffen, was passieren wird, wenn eine bestimmte politische Entscheidung getroffen oder ein bestimmtes System befolgt wird.»

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Was bedeutet Engagement für die Gesellschaft?

Relevanz beibehalten

Seine Arbeit, die vor vier Jahrzehnten veröffentlicht wurde, markierte einen wichtigen Wendepunkt in der makroökonomischen Forschung. Seitdem ist er zwar mit neuen Fragen in neue Felder vorgedrungen, hat dabei aber die alten Fragen nie ganz aus den Augen verloren. Besonders wenn er die Frage der zeitlichen Inkonsistenz mit seinen Studenten diskutiert, setzt er diese jeweils mit den sich stets ändernden aktuellen Ereignissen in Zusammenhang. Auf seine ganz eigene Art und Weise schafft Prescott Kontinuität für das Verständnis der Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften und schafft einen historischen Überblick über wirtschaftspolitische Entscheidungen, der den nächsten Generationen übermittelt wird. Der Wandel ist integraler Bestandteil seiner Arbeit und hält ihn nicht zurück, sondern treibt ihn voran.

Dozent der nächsten Generation Wirtschaftswissenschaftler

Wie man über den eigenen Tellerrand schaut

Falls es ein Geheimnis hinter Prescotts Methode gibt, ist es vielleicht seine Fähigkeit, ein Problem stets aus einem ganz neuen Blickwinkel zu betrachten. «Ich bin sehr gut darin, mich nicht zu erinnern», scherzt er in seinem Büro, das den Campus der Arizona State University überblickt. «Deshalb stecke ich nicht in überholten Denkweisen fest. Ich erfinde oft das Rad neu.»

Offen gegenüber neuen Ideen und Lösungen zu sein und sicherzustellen, dass sich seine Gedanken nie im Kreis drehen, sind der Kern seines Ansatzes. «Man muss manchmal eine Pause machen und sich später wieder damit befassen. Und wenn man seine alte Herangehensweise vergessen hat, findet man vielleicht eine neue, die dann funktioniert», sagt er.

Menschen als Inspiration

Prescott nimm seine Inspiration eher aus dem Dialog als dem reinen Denken. Schliesslich sind auch die Menschen der Grund, warum er sich für die Wirtschaftswissenschaften begeistert. «Die Sozialwissenschaften unterscheiden sich von den Naturwissenschaften», sagt er. «Bei uns geht es um Menschen. Deshalb sind unsere Modelle so viel interessanter.»

Die Inspiration und Motivation, die Prescott aus der Interaktion mit anderen zieht, führt zudem zu einem Dominoeffekt, der sich auch auf seine Studenten überträgt. Er ermutigt sowohl seine Studenten als auch seine Kollegen dazu, ihr eigenes Werk in ihrem eigenen Stil aufzubauen. Das Engagement für die Bildung zukünftiger Generationen ist seine Art und Weise, wie er die zeitliche Inkonsistenz in der Forschung angeht.

Wie hoch darf das Staatsdefizit sein?

Viele seiner Studenten beschreiben ihn als unglaublich grosszügigen Menschen, sowohl in Bezug auf seine Zeit als auch seine Ideen. Doch auch er selbst nimmt ganz viel Inspiration aus den Seminarräumen mit, auf deren Basis er seine Ideen weiterentwickelt. Zu seinen aktuellen Forschungsinteressen gehört die Analyse komplexer Fragen im Zusammenhang mit dem Staatsdefizit. Dieses Interesse entstand, als er seinen Studenten die Tools, die zur Durchführung von Abfragen genutzt werden, erklärte.

«Wir haben uns im Seminar gefragt, wie hoch das Staatsdefizit sein darf», sagt er. «Es sollte nicht gleich Null sein, ausser in bestimmten Phasen. In den 1950er Jahren lag es aufgrund der Bevölkerungsstruktur bei Null. Jetzt gibt es mehr alte Menschen, und deshalb brauchen wir eine höhere Staatsverschuldung. Sie liegt deutlich über dem Wert des Aktienmarktes.»

Prescotts Ideen in Bezug auf Staatsverschuldung und Staatsdefizit weichen häufig von denen anderer Wirtschaftswissenschaftler ab. «Ich betrachte das Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt und ob dies ansteigt», sagt er. «Wir müssen herausfinden, wie viel die Leute für ihre Rente ansparen wollen. Diese Summe vergleichen wir dann mit dem Bruttonationaleinkommen und ziehen davon den Wert des Geschäftskapitals, von Häusern und Fabriken sowie des Aktienmarktes ab. Und erst wenn das Staatsdefizit deutlich über diesen Wert steigt, würde ich mir Sorgen machen.»

Wann ist das Staatsdefizit zu hoch?

Einführung besserer Systeme

In seiner wissenschaftlichen Arbeit hat Prescott gezeigt, dass sich die Menschen gar nicht so grosse Sorgen über die Staatsverschuldung machen. Vielmehr wünschen sie sich Steuerreformen und Reformen anderer Systeme, die nicht ganz fair zu sein scheinen. «Wandel ist für den Fortschritt von essentieller Bedeutung», sagt er. «Ich mache mir etwas Sorgen, wenn ich sehe, wie Systeme geschaffen werden, die verschwenderisch sind. Das Gesundheitssystem in den USA ist wirklich von hoher Qualität und es ist besser, als die Menschen denken. Aber es ist übertrieben teuer. Ich wünschte, wir könnten ein besseres System einführen.»

Warum spielt der Wandel eine wichtige Rolle für den Fortschritt?

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Dinge ausprobieren

Bevor wir Prescott in Ruhe lassen, damit er eine anstehende Konferenz zum Thema Geschlechtergerechtigkeit im Arbeitsmarkt vorbereiten kann, die er an seiner Universität organisiert, fragen wir ihn nach einem Rat, den er jungen Menschen mit auf den Weg geben würde.

Man lebt nur einmal, also arbeitet hart und geniesst euer Leben. Probiert Sachen aus. Wenn man sein Bestes gibt und es nichts wird, kann man trotzdem stolz sein, weil man es versucht hat. Und oft wird man sich selbst überraschen.

Dem fügt Prescott etwas Persönliches hinzu. «Alle dachten, dass ich mich ganz schrecklich bei den öffentlichen Vorträgen nach der Verleihung des Nobelpreises schlagen würde, und ich dachte das auch», sagt er. «Aber ich habe mich selbst überrascht. Ich wurde sogar wieder eingeladen.»

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Robert F. Engle III
Nobelpreisträger, 2003

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Nobelpreisträger, 2004