Als Angel Gurría, Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Zahlen zur Entwicklungshilfe für das Jahr 2017 präsentierte, betonte er, dass der schnellste Weg zur Verbreitung von Stabilität und umfassendem Wachstum darin bestehe, die weltweiten Hilfsmassnahmen fortzusetzen. Die Geberländer hatten insgesamt 146,6 Milliarden USD ausgegeben, wobei die ärmsten Länder einen grösseren Anteil als in den Vorjahren in erhielten.

Während die Entwicklungshilfe in den letzten Jahren relativ stabil geblieben ist, verzeichnet die Welt gleichzeitig einen 25-Jahres-Höchststand bei gewaltsamen Konflikten, einen Anstieg des Welthungers und mehr als 65 Millionen Vertriebene weltweit. Gurría betonte, dass jetzt nicht die Zeit sei, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, wenn die ehrgeizigen Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen erreicht werden sollten.

Dem stimmen viele Wirtschaftswissenschaftler zu, insbesondere, Angus Deaton. Als Experte für Entwicklungsökonomie hat der Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 2015 vielfach auf Daten hingewiesen, die zeigen, dass es keinen offensichtlichen Zusammenhang zwischen der Auslandshilfe, die ein Land erhält, und seinem Wirtschaftswachstum gibt. «Es ist sehr schwierig, die vereinfachende Sichtweise zu überwinden, dass es dir besser gehen wird, wenn du arm bist und ich reich und ich dir Geld gebe», erklärt Deaton. «Das funktioniert nicht wirklich bei Nationen.»

Wenn man enorme Geldsummen in andere Länder pumpt, verändert das die Arbeitsweise einer Regierung auf äusserst negative Weise.
– Deaton

Doch es ist nicht nur der Umstand, dass die Hilfe nicht so wirkt, wie sie eigentlich sollte. Deaton hat jahrzehntelang für die Weltbank geforscht, und seine Schlussfolgerung ist eindeutig: Manche Arten von Entwicklungshilfe können Ländern helfen; aber Entwicklungshilfe kann armen Ländern auch schaden, indem deren Regierungen korrumpiert werden. «Wenn man enorme Geldsummen in andere Länder pumpt, verändert das die Arbeitsweise einer Regierung auf äusserst negative Weise», sagt er. «Wenn die Regierung nicht auf ihr Volk, sondern auf die Geberländer reagiert, wird Entwicklung unmöglich.»

Der Kollege und Mitpreisträger von Deaton, Robert Solow, stimmt dem zu. «Afrika ist kein ressourcenarmes Land, es hat Ressourcen», sagt Solow. «Das grösste Hindernis für Verbesserungen in Afrika ist die Korruption der Regierungen.» Solow verweist auf Untersuchungen, die zeigen, dass afrikanische Länder, die über viele natürliche Ressourcen verfügen, oft weniger gut entwickelt sind. Deaton glaubt, dass es dafür eine einfache Erklärung gibt. Es ist der aus natürlichen Ressourcen gespeiste Reichtum, der Regierungen korrumpieren kann.

Man kann das Wachstum anderer Länder nicht von aussen stimulieren.
– Deaton

Liegt es dann in unserer Hand, die Korruption in den Entwicklungsländern zu stoppen? Deaton ist überzeugt, dass dies eine unmögliche Aufgabe ist. Man kann das Wachstum anderer Länder nicht von aussen stimulieren. «Man könnte viele Menschen aufzählen, von denen man glaubt, dass die Welt besser wäre, wenn sie ihre Länder nicht regieren würden, aber man muss sich fragen, was machbar und ethisch wünschenswert ist.»

Anstelle von reiner Finanzhilfe möchte Deaton sich mehr auf die wirkungsvollsten und effizientesten Wege der Hilfeleistung konzentrieren. Die Bewältigung der gravierenden Gesundheitssituation in vielen Entwicklungsländern sollte seiner Meinung nach eines der ersten Ziele sein. «Wir könnten weitaus mehr tun, um Krankheiten zu erforschen, die Menschen in reichen Ländern nicht betreffen», sagt Deaton. «Die USA geben nicht besonders viel Geld für die Malariaforschung aus ‒ verglichen mit dem, was sie für Krebs- oder Herzerkrankungen ausgeben, also für Dinge, von denen die Amerikaner wirklich betroffen sind.»

Nicht direkt von ausländischen Kriegen zu profitieren, würde auch zu wirtschaftlichem Wachstum führen. «Länder wie Schweden gehören zu jenen, die am intensivsten Hilfe leisten, und sie sind auch diejenigen, die am bereitwilligsten Waffen verkaufen», sagt er. «Vielleicht sollten wir einmal darüber nachdenken, warum wir das tun.»

Die Globalisierung hat vielen Ländern enorme Vorteile gebracht, doch es gab auch ernsthafte Misserfolge. Sowohl die Europäische Gemeinschaft als auch die Vereinigten Staaten haben Zoll- und Handelsvorschriften, die es vielen afrikanischen Bauern sehr schwer machen, aus eigener Kraft erfolgreich zu sein», meint Deaton. Das bedeutet, dass Länder, die ernsthaft helfen wollen, die handelsbezogenen Beschränkungen neu bewerten und die Integration fördern müssen.

Seine Arbeit hat Deaton davon überzeugt, dass man von aussen nur sehr wenig tun kann. Stattdessen muss man sich darauf konzentrieren, wirksame Hilfe zu leisten und die Regierungsführung in den Entwicklungsländern nicht durch Geld zu destabilisieren. Laut Deaton sind nachhaltiges Wirtschaftswachstum und die Schaffung der richtigen Institutionen nur ohne die Einmischung der Geberländer möglich.

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