Robert M. Solow

Nobelpreis 1987 | Warum wachsen einige Volkswirtschaften schneller als andere?

Es gibt nur einen Robert «Bob» Solow, Gründervater der neoklassischen Wachstumstheorie. Nahezu alle Ökonomen haben sich seit 1945 mit diesem Fachgebiet beschäftigt. Er gehörte zu einer kleinen Gruppe herausragender Forscher, die als die bedeutendsten Wissenschaftler ihrer Zeit gelten und den Berufszweig wie keine andere Gruppierung geprägt haben. Ein halbes Jahrhundert lang war Solow Professor am MIT; seine Bürotür stand immer offen, um junge Leute zu ermutigen, ihn anzusprechen. Seine Arbeit ist aussergewöhnlich, genau wie seine unvergleichliche Art: Er ist grosszügig, warmherzig und selbst mit 92 Jahren noch redegewandt wie eh und je.

Robert M. Solow

Robert M. Solow

Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, 1987

Auf einen Blick

Geboren: 1924, New York, USA

Fachgebiet: Makroökonomie, Wachstumstheorie

Ausgezeichnetes Werk: Sein Beitrag zur Theorie über langfristiges makroökonomisches Wachstum

Aha-Moment: Er notierte den noch fehlenden Schlussgedanken für sein Wachstumsmodell im Wartezimmer beim Kinderarzt

Die Arbeit eines Einwanderungsbeamten: Der Familienname wurde von Soloveychik («kleine Nachtigall») in den vollkommen bedeutungslosen Namen Solow geändert

Die grosse Liebe: Heiratete nach der Rückkehr vom Militär seine Jugendliebe Barbara, genannt «Bobby», und blieb bis zu ihrem Tod 2014 an ihrer Seite

Ein Leben für die Lösung wirtschaftlicher Probleme

Man kann kaum glauben, dass die Person, die mit einem Lächeln im Gesicht den Konferenzraum der Russell Sage Foundation in Manhattan betritt und ein helles T-Shirt trägt, seit einem Tag 80 Jahre alt ist. Der berühmte Professor räumt ein, dass sein Gehör nachgelassen hat. Trotzdem kann er es kaum abwarten, mit seiner Rede zu beginnen und Einblicke zu gewähren in seine Arbeit und Gedankengänge zu den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen.

Ein Kind der Weltwirtschaftskrise

Nach seiner Rückkehr aus Europa nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Solow sein Studium an der Harvard University wieder auf. Es war seine Frau Bobby, selbst Studentin der Wirtschaftswissenschaften, die sein Interesse für diese Disziplin weckte. Schon bald begann er, sich mit einer bestimmten Frage zu beschäftigen. Warum wachsen manche Volkswirtschaften schneller als andere? Für Solow war das eine ganz selbstverständliche Frage, da er zur Zeit der «Grossen Depression» aufgewachsen war. «Ich würde nicht sagen, dass wir jemals benachteiligt oder schrecklich arm waren oder gar Hunger leiden mussten», so Solow. «Aber mir war immer bewusst, dass sich meine Eltern Sorgen um ihr wirtschaftliches Überleben machten. Die Wirtschaftskrise war Teil meines Lebens.»

Warum manche Volkswirtschaften schneller als andere wachsen

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Der Schlüssel zu Wirtschaftswachstum

In den 1950er Jahren ging es beim Wirtschaftswachstum vor allem um Kapital. «Die meisten Ökonomen dachten, die Anhäufung von Kapital sei der Schlüssel, also der allmähliche Prozess des Sparens, Investierens und Aufbauens», sagt er.

Mithilfe der US-Statistiken eines halben Jahrhunderts entwickelte Solow eine simple Theorie. Er gestaltete ein mathematisches Modell, um herauszufinden, welche Faktoren die Produktionsleistung in einer entwickelten Wirtschaft weiter steigern. «Es stellte sich heraus, dass der bei weitem grösste Beitrag nicht vom Bevölkerungswachstum, dem Anstieg des Arbeitskräfteangebots oder dem wachsenden Ausrüstungsbestand herrührt», so Solow. «Der grösste Beitrag resultiert aus technologischen Neuerungen.» Solow wies nach, dass der Schlüssel zu einem nachhaltigen Wachstum in der Fähigkeit eines Landes liegt, neue Technologien zu schaffen, sie zu integrieren und anzuwenden.

Viele fortschrittliche Nationen weisen heute, wenn überhaupt, nur ein geringes Produktivitätswachstum auf. Das verleiht den Kernfragen in Solows Forschung neuen Auftrieb.

Uns ist bewusst, dass langfristig der einzige Weg zu einem nachhaltigen und schnelleren Wachstum ein ebensolcher technologischer Fortschritt ist.

Wird die Arbeitslosigkeit aufgrund des Technologiewandels ansteigen?

«Eine der grössten Ängste der Menschen seit der industriellen Revolution ist die Sorge, dass technologische Neuerungen zu massiver und dauerhafter Arbeitslosigkeit führen», sagte er. «Dabei ist es genau andersherum. Die Weiterentwicklung der Technologie hat zu mehr Arbeitsplätzen geführt.»

Das ist Solow im Jahr 1989, zwei Jahre nachdem ihm sein Wachstumsmodell den Nobelpreis eingebracht hat. Hat sich seine Meinung geändert? Solow schüttelt den Kopf und wägt seine Worte genau ab. «Für die modernen Volkswirtschaften hat die Technologie kein Arbeitslosigkeitsproblem geschaffen», sagt er. «Die Arbeitslosenquote zeigt keinen Trend. Wenn überhaupt, dann ist sie sogar etwas niedriger als früher.»

Wird die Technologie zu massiver Arbeitslosigkeit führen?

Solow glaubt, es wird noch eine Weile dauern, bis Roboter die Arbeit übernehmen. «Vielleicht wird das Einkommen aus Löhnen und Gehältern in der Wirtschaft des Jahres 2117 nicht mehr als 10 oder 15 Prozent des gesamten Einkommens betragen», ergänzte er. «In diesem Falle müssten Einkünfte auf andere Weise erzielt werden, das ist alles. Das wird möglicherweise schwierig, aber es ist nicht unmöglich.»

Er fügt hinzu, dass es keine «biologische Notwendigkeit» ist, die eigene Identität aus dem Beruf abzuleiten, auch wenn dieser heute für viele Menschen ein wesentlicher Teil davon ist. Vielleicht werden die Menschen in 20 Jahren auf Dinnerpartys anstatt über ihre Berufe darüber sprechen, wie sie ihre Zeit verbringen.

Die Regierungen und eine gerechte Einkommensverteilung

«Jede schnelle technologische Veränderung bringt Gewinner und Verlierer hervor», sagt Solow. «Kein Gesetz der Wirtschaft besagt, dass es für Roboter irgendwann unmöglich sein wird, immer mehr Aufgaben immer besser und günstiger zu erledigen. Vielleicht kümmern wir uns in hundert Jahren gegenseitig um einander, anstatt Güter zu produzieren und Dienstleistungen zu verrichten; das machen dann die Roboter. Lasst sie machen.»

Nach Ansicht von Solow wird eine gut funktionierende Gesellschaft Wege finden, um die Menschen, die ihr Einkommen aufgrund des technologischen Wandels verlieren, zu versorgen. Er hat immer darauf bestanden, dass es in der Verantwortung einer Gesellschaft liegt, Bildung für alle zugänglich zu machen und das gilt heute mehr denn je. «Wir haben keine Ahnung, welche Kompetenzen wir in der Zukunft brauchen werden», sagt er. «Aber ich denke, je mehr man weiss, desto leichter wird es sein, sich anzupassen.»

Werden die Menschen in ferner Zukunft noch arbeiten?

Den Weg bereiten für zukünftige Nobelpreisträger

Solow betont, dass Bildung nicht die Lösung für alle Probleme ist. Aber nur mit einer gebildeten Bevölkerung ist der Fortschritt einer Gesellschaft möglich. Als Ökonomieprofessor hat er fast 50 Jahre am MIT verbracht. Er erinnert sich daran, wie gern er unterrichtet und junge Leute dabei unterstützt hat, herauszufinden, was sie später im Leben machen wollten. Dabei war er offensichtlich erfolgreich. Die lange Liste seiner Doktoranden umfasst die Nobelpreisträger George Akerlof, Peter Diamond und Joseph Stiglitz.

Wie Bildung zukünftige Herausforderungen lösen kann

Das Silicon Valley – Nutzen oder Bedrohung?

Da er als Ökonom dafür bekannt geworden ist, das Produktivitätswachstum und die technologische Innovationskraft miteinander zu verknüpfen, könnte man Solow leicht für einen grossen Befürworter des Silicon Valley halten, doch er hat diesbezüglich gemischte Gefühle. «Das Silicon Valley als ein Quell des technologischen Fortschritts ist eine Bereicherung», sagt er. «Aber als Ort, der unheimlich reiche Menschen mit komischen Vorstellungen von der Gesellschaft hervorgebracht hat, kann es zur Bedrohung werden.»

«Wenn der einzige Weg zur Verbesserung meines Lebensstandards darin besteht, Ihren Lebensstandard zu verringern, werden wir nicht gut miteinander auskommen. Das ist in der Vergangenheit bereits passiert – zwar nicht dramatisch, aber dennoch.»

«Überlegen Sie genau, wen sie wählen!»

«Wohlhabende Menschen werden ihren Reichtum nutzen wollen, um politisch an Einfluss zu gewinnen», so Solow. «Es ist daher sinnvoll, die Verbindung von Geld und politischer Macht zu beschränken.»

Wir wollen nicht nur mehr Wachstum generieren, sondern auch eine gleichmässigere Verteilung und Inklusivität des Wachstums erreichen», ergänzt er. «Überlegen Sie daher genau, wen sie wählen», warnt Solow.

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Bevorstehende Herausforderungen gemeinsam angehen

Als er gefragt wird, wodurch sein Leben bereichert wurde, wandern Solows Erinnerungen zu seiner verstorbenen Frau und zu seiner Zeit beim US-Militär in Italien während des Zweiten Weltkriegs zurück. «Die meisten bedeutenden Errungenschaften wurden von Gruppen erzielt, nicht von Individuen», sagt er. «Sie entstehen durch die Zusammenarbeit von Menschen. Ich denke, das ist eine sehr wertvolle Erkenntnis, der man sich bewusst sein sollte.»

Warum sollten Länder bessere Wege finden, um zu wachsen?

Hören Sie dazu die Meinung von Michael Spence und wie Länder nachhaltiges Wachstum generieren und dabei langfristig einen positiven Effekt erzeugen können.

Welche Bedeutung hat die Arbeit von Solow für uns?

«Solow stellte die berühmte Behauptung auf, 80 Prozent des Wachstums der US-Wirtschaft seien durch technologischen Fortschritt zu erklären. Der Technologiewandel wird auch in Zukunft die Art und Weise unserer Wirtschaftsaktivitäten revolutionieren. Investoren müssen sich die Frage stellen, ob dies in den Konjunkturdaten angemessen berücksichtigt ist.»

Paul Donovan

Global Chief Economist
UBS Wealth Management

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