Was bedeutet generative KI für Märkte und Volkswirtschaften?

Generative künstliche Intelligenz ist kein neues Konzept. Die grundsätzliche Idee kam bereits in den 1960er-Jahren auf und die Transformer-Architektur, die sie effektiver macht, wurde 2017 beschrieben. Die Lancierung von ChatGPT verdeutlichte jedoch die potenzielle Wirkung einer Kombination von KI mit einer Plattform, die von den Kon-sumenten gut angenommen wird. Derzeit erkennen wir in einem breiten Spektrum von Software-, Internet- und Halbleiterunternehmen Chancen im Zusammenhang mit der KI.

Die Vergangenheit zeigt, dass das Aufkommen neuer Technologien zu Wert-zuwächsen in einer Reihe von Sektoren führen kann.

Wir verwenden einen vierteiligen Rahmen, um festzustellen, auf welche Weise technologische Entwicklungen in benachbarten Sektoren zur langfristigen Wertschöpfung führen.

Beitrag zur Performance des S&P 500
«Glorreiche Sieben» gegenüber übrigen 493 Aktien im S&P500, seit Jahresbeginn, in Prozentpunkten

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    Glorreiche Sieben

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    Übrige 493 Aktien

Generative KI ist die jüngste Technologie, die über die Sektoren hinweg Wert schafft
Die Wertschöpfungskette von Innovationen: Technologische Durchbrüche werden von Infra-struktur und Inputs angetrieben. Die neuen Technologien führen zur Entwicklung von neuer Hardware, sie laufen auf Plattformen von Betreibern und Wegbereitern und kommen der Wirtschaft insgesamt zugute.

Technologie

Technologie

Infrastruktur / Inputs

Infrastruktur / Inputs

Hardware-hersteller

Hardware-hersteller

Betreiber und Wegbereiter

Betreiber und Wegbereiter

Nutzniesser durch Anwendungen

Nutzniesser durch Anwendungen

Technologie

Dampf-maschine

Infrastruktur / Inputs

Stahl, Kohle

Hardware-hersteller

Züge, Schiffe

Betreiber und Wegbereiter

Eisenbahnbetreiber und Reeder

Nutzniesser durch Anwendungen

Handel

Technologie

Telefon

Infrastruktur / Inputs

Telekommunikationskabel, elektrischer Strom

Hardware-hersteller

Telefone

Betreiber und Wegbereiter

Netzwerk-
betreiber

Nutzniesser durch Anwendungen

Dienstleistungen,
Handel

Technologie

Verbrennungs-
motor

Infrastruktur / Inputs

Stahl, Öl,
Autoteile

Hardware-hersteller

Auto-
bauer

Betreiber und Wegbereiter

Dienstleister,
Versicherungen,
Händler

Nutzniesser durch Anwendungen

Einzelhandel, Freizeit,
Pendler

Technologie

Fernsehen

Infrastruktur / Inputs

Sendemasten, Satelliten

Hardware-hersteller

Fernsehgeräte

Betreiber und Wegbereiter

TV-Netze

Nutzniesser durch Anwendungen

Werbung,
Abonnement Geschäftsmodelle

Technologie

Computer

Infrastruktur / Inputs

Halbleiter

Hardware-hersteller

Grossrechner

Betreiber und Wegbereiter

IBM

Nutzniesser durch Anwendungen

Professionelle Dienstleistungen, Industrie,
Luftfahrt

Technologie

Internet

Infrastruktur / Inputs

Router,
Rechenzentren

Hardware-hersteller

PCs

Betreiber und Wegbereiter

Windows,
Internet Explorer

Nutzniesser durch Anwendungen

Suche, E-Commerce, Cloud

Technologie

Mobiles
Internet

Infrastruktur / Inputs

Mobilfunk-masten,
Halbleiter

Hardware-hersteller

Smartphones

Betreiber und Wegbereiter

iOS, Android

Nutzniesser durch Anwendungen

Soziale Medien,
E-Commerce,
«Gig Economy»

Technologie

Generative KI

Infrastruktur / Inputs

Cloud

Hardware-hersteller

Grafikprozessoren

Betreiber und Wegbereiter

Grosse Sprach-modelle

Nutzniesser durch Anwendungen

Texterstellung, Programmierung, Bild- / Videogenerierung

Quelle: UBS, per November 2023

Was sagt uns die Vergangenheit über die Gewinner?

Infrastruktur- und Inputanbieter. Die Nachfrage nach nötiger Infrastruktur und erforderlichen Inputs schnellt verständlicherweise direkt nach der Innovation in die Höhe – man denke nur an Stahl und -Eisenbahnen, Öl und Automobile, Halbleiter und Smartphones. Die Vergangenheit zeigt aber auch, dass Anbieter wichtiger Inputs zwar zunächst hohe Gewinne erzielen können. Doch im Laufe der Zeit können ihre Produkte zur Massenware werden. Daher müssen Anbieter von Infrastruktur und Inputs möglicherweise letztendlich lernen, in grossem Massstab und mit niedrigeren Gewinnmargen zu produzieren.

Hardwarehersteller. Innovative Technologien führen häufig zur Einführung neuer Hardware für Konsumenten (zum Beispiel Autos, Fernsehgeräte) und ein starker Anstieg der Nachfrage kann den Herstellern der Hardware zugutekommen. In den frühen Phasen eines Technologiebooms profitieren Hardwarehersteller möglicherweise von der Einzigartigkeit, Qualität und Neu-artigkeit ihrer Hardware. Häufig ist es jedoch schwieriger, die Führungsposition zu halten. Hardware kann ebenfalls im Laufe der Zeit zur Massenware werden. Erfolgreiche Hardware-unternehmen müssen daher oft lernen, ihre Produkte zu differenzieren, möglicherweise durch die Integration eines führenden Betriebssystems in die Hardware.

Betreiber und Wegbereiter. Die grösste und dauerhafteste Wertschöpfung aus neuen Technologien fiel in der Vergangenheit bei Betreibern und Wegbereitern an. Eisenbahngesellschaften, Rundfunk- und Fernsehnetzwerke, Softwareentwickler von Betriebssystemen und digitale Plattformunternehmen sind Beispiele für solche Wegbereiter. In vielen Fällen sind sie irgendwann zu den grössten Unternehmen der Welt geworden.

Nutzniesser durch Anwendungen. Innovative Technologien schaffen häufig Ökosysteme von Nutzniessern, die vielleicht nicht direkt an der Entwicklung einer Technologie beteiligt sind, sich aber in einer günstigen Position befinden, sie zu nutzen, um neue Unternehmen aufzubauen oder die Rentabilität bestehender Unternehmen zu verbessern. Unternehmen, die nach der Erfindung der Dampfmaschine den grenzüberschreitenden Handel ausbauten, Einzelhandelsketten, die aufgrund der Entwicklung des Autos zum Massenfahrzeug enormen Auftrieb erhielten, oder Unternehmen, die sich dank des Internets mit E-Commerce oder sozialen Medien befassen, sind gute Beispiele dafür.

Wo steht die KI heute?

Wir können sehen, wie dieser historische Rahmen in den ersten Phasen der KI-Revolution am Werk ist:

Infrastruktur- und Inputanbieter (Cloud). Cloud Computing ist ein entscheidender Input für generative KI. Es bietet die Rechenleistung, die notwendig ist, um generative KI-Anwendungen zu trainieren und funktionsfähig zu machen. Ähnlich wie historische «Inputs» bei anderen wichtigen Technologien ist Cloud Computing in gewissem Sinne ein Massengut – eine standardisierte Dienstleistung mit geringen Stückkosten. Das bedeutet, dass es signifikante Skalenvorteile gibt. So werden die grössten Cloud-Plattformen bereits von den grössten Technologieunternehmen betrieben. Cloud-Anbieter sind auch in der Lage, Kunden durch gebündelte Dienstleistungen zu binden.

Hardwarehersteller (GPU-Hersteller). Grafikprozessoren (GPUs) sind Chips, die für das Training neuronaler Netzwerke, einem Grundpfeiler der KI, von entscheidender -Bedeutung sind. Daher verzeichnen die -führenden Hersteller einen starken Wachstumsschub und ihre Aktienkurse schnellen in die Höhe. Kurzfristig erwarten wir, dass das starke Nachfragewachstum anhält. Mittelfristig könnte es zu einer Phase der «Verarbeitung» kommen, in der die Käufer die vielversprechendsten Anwendungsfälle identifizieren und sich ausschliesslich auf diese konzentrieren. Längerfristig bleibt abzuwarten, ob die Chiphersteller ihre Produkte innovativ weiterentwickeln können, um ihre Preissetzungsmacht zu behaupten, oder ob GPUs zur Massenware werden, was die Hersteller zur Produktion im grösseren Massstab und mit niedrigeren Margen zwingen könnte.

Betreiber und Wegbereiter (grosse Sprachmodelle). Grosse Sprachmodelle (Large Language Models oder LLM) können als entscheidende «Wegbereiter» des KI-Öko-systems angesehen werden. Für die Entwicklung eines effektiven grossen Sprachmodells sind beträchtliche Datenmengen, eine enorme Rechenleistung und kompetente Fachleute erforderlich. Obwohl sich die Modelle möglicherweise besser für eine spezifische Anwendung (zum Beispiel die Generierung von Text, Programmiercode oder Bilder) eignen, sind sie in der Regel nicht spezifisch auf eine Domäne ausgelegt (zum Beispiel Finanzen, Recht oder Marketing). Letztendlich gibt es möglicherweise nur einige wenige grosse Sprachmodelle, auf denen die meisten generativen KI--Anwendungen aufbauen. Bisher wurden die bedeutendsten grossen Sprachmodelle hauptsächlich von den grössten Technologieunternehmen oder über Joint Ventures mit diesen Unternehmen entwickelt.

Nutzniesser durch Anwendungen (Text-erstellung, Programmierung, Bild- / Video-generierung). ChatGPT ist ein eindeutiges Beispiel dafür, wie generative KI menschen-ähnliche Texterstellungsfähigkeiten zeigen kann. KI kann aber auch zur Generierung von Computerprogrammen, Bildern oder Videos verwendet werden. In den nächsten Quartalen erkennen wir beträchtliche Chancen bei der Integration von «KI-Copiloten» in Produktivitätssoftware für das Büro, der steigenden Nachfrage nach KI-Analytik und der KI-Integration in Bild- / Video- und andere Unternehmensanwendungen.

Auswirkungen für Anleger

Ein ungewöhnlicher Aspekt der generativen KI besteht darin, dass viele bekannte Unternehmen bereits ab der Geburtsstunde der neuen Technologie in verschiedenen Stadien der Wertschöpfungskette aktiv sind – von der Cloud über das Eigentum an grossen Sprachmodellen bis zur Entwicklung von Applikationen für die Endnutzer.

Aus diesem Blickwinkel ist es vielleicht verständlich, warum die Marktkapitalisierung der Glorreichen Sieben im S&P 500, die zumeist von der KI profitieren, im bisherigen Verlauf des Jahres 2023 um 67% (oder USD 4,6 Bio.) in die Höhe geschnellt ist. Da erhebliche Ressourcen erforderlich sind, komplexe KI-Modelle zu entwickeln und von ihnen zu profitieren, dürften die grossen Akteure noch grösser werden.

Unseres Erachtens sollten Anleger, die in KI investieren wollen, ein breites Engagement in der gesamten Wertschöpfungskette anstreben, darunter in Cloud-, Halbleiter-, Software- und Internetunternehmen. Halbleiterunternehmen mit Bezug zur KI dürften in der nächsten Zeit eine fortgesetzt robuste Nachfrage verzeichnen. Die Ein-führung wichtiger generativer KI-Produkte bei vielen der Glorreichen Sieben dürfte ein anhaltend starkes Momentum sicherstellen. Internetaktien dürften indes profitieren, wenn KI stärker in Anwendungen für -Konsumenten integriert wird, wie Gaming, Unterhaltung und Werbung.

Trotz des grossen langfristigen Wachstums-potenzials sollten sich Anleger auf eine potenzielle kurzfristige Volatilität oder mögliche Kursverluste einstellen. Wie bei anderen Technologiebooms kann auf einen anfänglichen Nachfrageschub häufig eine Phase folgen, in der Konsumenten und Unter-nehmen die Entwicklungen erst einmal «verarbeiten» müssen. Für langfristige Anleger könnten solche Phasen attraktive Einstiegspunkte zur Aufstockung des Engagements darstellen.

Wirtschaftliche Auswirkungen

Unserer Ansicht nach dürfte KI die Produktivität von Arbeitskräften und die Effizienz deutlich verbessern. Die Auswirkungen für das Wirtschaftswachstum sind aber weniger eindeutig. Je nachdem, wie KI letztendlich eingesetzt wird, könnte sie zu einer unveränderten Produktion, aber mehr Freizeit führen.

Einige Tätigkeiten werden aufgrund der KI überflüssig werden. So haben heutzutage nur noch wenige Unternehmen «Schreibbüros». Mit einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit ist unseres Erachtens aber nicht unbedingt zu rechnen. Die KI dürfte zumindest einige neue Jobs schaffen, an die bisher keiner dachte. In der Vergangenheit waren etwa 10% der Berufsbilder, die es am Ende eines Jahrzehnts gab, an seinem Beginn noch nicht vorhanden. Zum Beispiel hat die Zahl der Beschäftigten in der Unterhaltungsindustrie im letzten Jahrzehnt zugenommen, da soziale Medien und Streaming den Konsum von Unterhaltung ankurbelten und die Einstiegsschwellen senkten.

Auf längere Sicht dürfte KI in einigen Sektoren zu sinkenden Preisen führen. Doch das Ausmass der Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft wird stark davon abhängen, in welchem Ausmass sowie wo und wann die KI eingesetzt wird. Es wird bereits deutlicher, dass KI-gestützte Text-, Bild- und Videogenerierung Abwärtsdruck auf die Preise in Bereichen wie Kundendienstleistungen, Computerprogrammierung, Recht und Unterhaltung ausüben könnte.

Zuletzt schaffen Zeiten mit wirtschaftlichen Umwälzungen in der Regel auch soziale Spannungen, da Menschen, deren Einkommen und deren Status abnehmen, nach einem Sündenbock suchen. Diese Spannungen können zu einer populistischen und vorurteilsgeladenen Politik führen. Die KI könnte auch eine weitere Eskalation der geopolitischen Spannungen zur Folge haben, wenn sich Länder auf ein «KI-Wettrüsten» einlassen, um potenzielle Anwendungen der KI ihrer Rivalen abzuwehren. Dieser Trend zeigt sich jetzt schon an den jüngsten Beschränkungen der USA für KI-Technologie und anderen Vergeltungsmassnahmen Chinas.


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Dieser Bericht wurde von UBS AG, UBS AG London Branch, UBS Switzerland AG, UBS Financial Services Inc. (UBS FS), UBS AG Singapore Branch, UBS AG Hong Kong Branch und UBS SuMi TRUST Wealth Management Co., Ltd.