Zürich, 3. Dezember 2024 – Schon vor der Abstimmung über die Initiative zur 13. AHV-Rente im März 2024 war klar, dass die AHV auch ohne eine 13. Rente nicht nachhaltig finanziert ist. Die Restlebenserwartung im Ruhestand ist seit Einführung der staatlichen Vorsorge um mehr als zehn Jahre angestiegen. Diese Tendenz wird durch die in den Ruhestand tretenden grösseren Altersgruppen verstärkt. Die 13. Monatsrente verursacht ab 2026 zusätzliche jährliche Ausgaben in Milliardenhöhe. Mit einer aktuellen Finanzierungslücke von etwa 177 Prozent des Bruttoinlandprodukts von 2021, oder umgerechnet rund 1315 Milliarden Schweizer Franken ist eine breit abgestützte und langfristig wirksame Strukturreform, die auf mehreren Komponenten und Kompromissen aufbaut, unumgänglich.
Mehr zahlen als frühere Generationen
Um die 13. AHV-Rente kurzfristig zu finanzieren und ein rasch weiterwachsendes AHV-Defizit zu vermeiden, hatte der Bundesrat zunächst Finanzierungsvorschläge mit höheren Lohnabgaben und einer höheren Mehrwertsteuer vorgelegt. Letztlich unterbreitete er dem Parlament eine Variante nur mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer. Alle bisherigen Vorschläge des Bundesrats würden zwar die entstandenen Mehrausgaben mittelfristig decken. Langfristig wächst die AHV-Finanzierungslücke mit der 13. AHV-Rente und den vorgeschlagenen Finanzierungsmassnahmen dennoch weiter an.
Zur vollständigen Schliessung der Finanzierungslücke könnten Beiträge und Steuern noch stärker erhöht werden. Beides führt aber zu möglicherweise weitreichenden Zweitrundeneffekten. Eine höhere Mehrwertsteuer könnte den Konsum schwächen und würde sozioökonomisch schwächere Gruppen stärker belasten, da sie relativ zu ihrem Gesamteinkommen höhere Ausgaben haben und diese weniger flexibel anpassen können als wohlhabendere Gruppen. Höhere Lohnabgaben könnten zudem zu stagnierendem Lohn- und Beschäftigungswachstum führen und negative wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Länger arbeiten für längere Rente
Durch die Verschiebung im Verhältnis von Erwerbszeit zum Ruhestand zusammen mit dem überproportionalen Wachstum der Anzahl von Rentnern im Vergleich zu den Erwerbstätigen ist ein höheres Referenzalter zu berücksichtigen. Allerdings zeigen die Zahlen auch, dass eine komplette Finanzierung der aktuellen Rentenversprechen über eine Anhebung des Rentenalters ein derart massiv höheres Eintrittsalter verlangen würde, dass dies politisch derzeit nicht umsetzbar wäre. «Vor allem ein Referenzalter, das dynamisch an die steigende Lebenserwartung gekoppelt ist, sollte geprüft werden. Das Referenzalter würde dadurch sehr langsam, dafür aber länger und höher ansteigen, könnte aber auch auf umgekehrte demografische Entwicklungen reagieren», sagt Dr. Veronica Weisser, Ökonomin und Vorsorgeexpertin bei UBS.
Vollständiger Inflationsausgleich würde den Lebensstandard erhalten
Durch die regelmässige Rentenanpassung über den Mischindex, der zur Hälfte aus Preis- und Lohnindex besteht, partizipieren Rentner am Wirtschaftswachstum. Da die Löhne seit Einführung der Mischindexierung stärker gestiegen sind als die Preise und dies auch in Zukunft so bleiben dürfte, erfahren sie eine reale Rentenerhöhung. Ein Ausgleich für steigende Preise würde ausreichen, um den Lebensstandard dieser Generationen zu erhalten. Würden die AHV-Renten in Zukunft stärker der Preisveränderung und weniger der Lohnentwicklung folgen, wäre das positiv für die AHV-Finanzlage.
Gleichstellung von Hinterlassenen ist gesellschaftlich bedeutender als finanziell
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte muss die Schweiz bei den Hinterlassenenrenten für Gleichstellung zwischen Witwen und Witwern sorgen. Während die Frauen bisher basierend auf historischen gesellschaftlichen Normen deutlich grosszügigere Leistungen zugesprochen bekamen, soll der Fokus in Zukunft viel stärker auf der Sicherstellung des Lebensstandards hinterbliebener Kinder liegen. Das heisst, dass anstatt den Witwern die gleichen Leistungen wie den Witwen zu gewähren, den Frauen mit einer Übergangsfrist weniger zugesprochen wird. Diese Änderungen sind leicht positiv für die Finanzierungslücke der AHV.
Ein erzielbarer Kompromiss mit struktureller Hilfe
Durch die Zusammenführung verschiedener Massnahmen kann das Vorsorgesystem nachhaltig gestaltet werden. Wie stark jede Massnahme zum Tragen kommen soll, ist eine politische Entscheidung. Klar ist, dass die AHV für jüngere Generationen immer weniger attraktiv wird und die Notwendigkeit eines Kompromisses steigt. «Wichtig bei jeder Diskussion ist zu beachten, dass die Vorzüge des aktuellen Systems auch für zukünftige Generationen erhalten bleiben und die zusätzlichen Lasten möglichst breit verteilt werden», sagt Jackie Bauer, Ökonomin und Vorsorgeexpertin bei UBS.
Abbildung 1: Mögliche Komponenten eines Kompromisses
Finanzierungslücke in Prozent des BIP, Basisjahr 2021, Produktivitätswachstum = 1,1%, realer Zinssatz = 2,1%
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