Bin Shi
Head of China Equities

Wenn man an das erste Quartal des letzten Jahres zurückdenkt, war die Stimmung für chinesische Anlagen nach der Pandemie bemerkenswert positiv. Die positive Stimmung hielt jedoch leider nicht an. Nach dem Früjahr fielen die Aktienkurse, sodass Anleger den Rest des letzten Jahres frustriert und zum Jahreswechsel 2024 entmutigt waren.

Heute notieren chinesische Aktien gemessen am CSI 300 gegenüber dem Höchststand von vor drei Jahren um etwa 40 % niedriger, aber sie legen seit Februar wieder zu. Auch wenn die Daten für einen einzigen Monat keinen Aufwärtstrend erkennen lassen, glauben wir, dass eine Erholung im Entstehen begriffen sein könnte. Jede positive Überraschung könnte eine Kehrtwende mit sich bringen und 2024 zu einem Spiegelbild des letzten Jahres machen. Aus mehreren Gründen schätzen wir chinesische Aktien im Vergleich zum Vorjahr positiver ein.

Politik und Regulierung

Zunächst hat sich der Ton des regulatorischen Umfelds in China verändert. Wie bei einem Pendel tendieren chinesische Regulierungsvorschriften dazu, von einer Seite zur anderen zu schwingen. Einige der vor zwei, drei Jahren angekündigten Regeln und Kontrollen werden teilweise aufgrund von Rückschlägen in der Industrie und einer schwächeren Wirtschaft zurückgefahren. Dennoch kann die Richtungsänderung langsam wirken und wird Zeit brauchen.

Für Anleger ist es leicht, sich allzu sehr auf die Schäden aus der Vergangenheit zu konzentrieren, ohne zu erkennen, dass sich die regulatorische Atmosphäre entspannt hat. Ein Beispiel ist ein Entwurf für neue Beschränkungen bei Online-Spielen am Ende des letzten Jahres, die zu einer überzogenen Marktreaktion geführt haben und dann schnell ad acta gelegt wurden. Dies deutet darauf hin, dass die Anlegerstimmung extrem pessimistisch blieb, als die Haltung führender politischer Entscheidungsträger gegenüber Regulierungsvorschriften tatsächlich zur anderen Seite geschwenkt ist. Insgesamt 322 Spiele wurden in den eineinhalb Monaten nach der Ankündigung des Entwurfs genehmigt.

Bei der fiskal- und geldpolitischen Unterstützung verfolgt die Regierung im Allgemeinen einen proaktiveren Ansatz. Während das Interesse an einem massiven Konjunkturpaket begrenzt ist, wurden politische Massnahmen anvisiert. Sie haben sich in den letzten Monaten intensiviert und beinhalten u. a. reduzierte Anforderungen an die Reserven von Banken und Zinssenkungen, die Finanzierung von unfertigen Immobilienprojekten und den Kauf von Aktien aus staatlichen Investitionsvehikeln.

Staatliche Fonds unterstützen den Markt

Ein Teil der jüngsten gezielten politischen Massnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft und der Märkte betrifft den staatlichen Ankauf von A-Aktien und ETFs.

In diesem Balkendiagramm werden die Aktienankäufe von staatlichen Anlagevehikeln zur Unterstützung des Aktienmarktes von 2015 bis 2023 aufgegliedert.

Die Regierung setzt vorrangig auf Wachstum, eine Tatsache, die bei den jüngsten „Zwei Sitzungen“ deutlich wurde. Dies ist ein wichtiges politisches Ereignis, bei dem man auf wirtschaftliche Ziele und politische Signale achten sollte. Die politischen Entscheidungsträger haben für dieses Jahr das gleiche BIP-Wachstumsziel von rund 5 % aufgestellt. Sie versprachen dabei, die Wirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen, indem sie das bestehende Entwicklungsmodell umgestalten und gleichzeitig den Überhang der Immobilienkrise und der lokalen Verschuldung mildern. Neben einer Emission spezieller Staatsanleihen mit extrem langer Laufzeit außerhalb des Haushalts mit einem Volumen von 1 Billion CNY sind die vorgeschlagenen Konjunkturmaßnahmen ziemlich moderat und liegen im Rahmen der Erwartungen. Diejenigen, die umfassende Anreize oder mutige politische Veränderungen fordern, um die immer noch schwache Wirtschaft kurzfristig anzukurbeln und die strukturellen Ungleichgewichte langfristig zu beheben, könnten enttäuscht sein.

Unter Berücksichtigung aller vorgebrachten Aspekte war die Reaktion des Marktes auf die Konjunkturmassnahmen verhalten. Und obwohl die zusätzlichen Anreize in diesem Jahr im Vergleich zu den Massnahmen in den Jahren 2008 und 2015 eher blass aussehen, scheint die Grössenordnung hier nicht der entscheidende Faktor zu sein. Blickt man hinter die Kulissen, ist die aktuelle missliche Lage ein Vertrauensproblem.

Die Chinesen haben in den letzten 30, 40 Jahren viel Wohlstand aufgebaut und angehäuft. Ohne die Vermögenszerstörung durch den Immobilienmarkt in den letzten drei Jahren herunterspielen zu wollen, verfügen private Haushalte immer noch über reichlich Vermögen. Der Inlandstourismus kann hierbei als kurzer Anhaltspunkt dienen: Die Reiseaktivitäten sind seit 2018 jährlich um 5-7% gewachsen und erreichten anlässlich des Chinesischen Neujahrsfests 120% des Niveaus von 2019 (Quelle: Ministerium für Kultur und Tourismus, Wind, UBS-Schätzungen).

Reichtum schlägt sich nicht in Ausgaben für kostspielige Waren oder langfristigen Investitionen nieder, da mangelndes Vertrauen in der breiten Öffentlichkeit und bei einigen Unternehmern wohl zu einem Problem geworden ist. Unternehmer befinden sich in einer abwartenden Haltung und investieren nicht dynamisch, um zukünftige Chancen zu nutzen. Obwohl die politischen Entscheidungsträger Unterstützung zusagen, muss mehr in die Tat umgesetzt werden, um das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmen wiederherzustellen. Sobald das Vertrauen zurückkehrt, würden Konjunkturmassnahmen viel stärkere Auswirkungen haben als jetzt.

In gewissem Sinne fühlen sich globale Anleger genauso wie chinesische Verbraucher und Unternehmer. Das internationale Geld verlässt den Aktienmarkt, sodass sich die Allokationen in China auf dem niedrigsten Stand seit Jahren bewegen. Ausländische Direktinvestitionen (ADI) tendieren abwärts, nachdem sie im letzten Jahr kurzfristig in den negativen Bereich gefallen sind und netto wieder im positiven Bereich liegen. Wir sind weniger besorgt über das abfliessende Kapital an sich, da das chinesische Bankensystem gut entwickelt ist und über reichlich Liquidität verfügt. Der Nutzen von ADI geht jedoch über das Geld hinaus. Chinesische Unternehmen haben wertvolle Lehren aus der Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen gezogen. Ein eingeschränkter Austausch ist ein Rückschlag, den es zu beheben gilt.

Unternehmen entwickeln Strategien

Chinesische Unternehmen sind häufig widerstandsfähig und passen sich mit neuen Strategien schnell an ein unsicheres Wachstumsumfeld an. Viele suchen nun im Ausland nach neuen Wachstumschancen und konkurrieren erfolgreich mit etablierten globalen Marken auf internationalen Märkten. Andere schauen nach innen, um die Kosten zu dämpfen und den Betrieb effizienter und rationeller zu gestalten.

Anders formuliert, bedeutet langsameres Wirtschaftswachstum nicht niedrigere Aktienrenditen. Die fehlende Korrelation kann etwas irritieren, lässt sich am Beispiel chinesischer Telekommunikationsbetreiber aber gut veranschaulichen. Das Wachstum dieser Unternehmen lag lange unter 10%, doch die Gesamtrenditen waren in letzter Zeit durchaus gut.

Diese Unternehmen finden verschiedene Wege, um Ertragswachstum zu erzielen und den Cashflow zu verbessern. Viele automatisieren effektiv Teile ihrer Betriebe und senken die Kosten, sodass sie überschüssige Barmittel in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen an Aktionäre zurückgeben können. Dies trägt zur Ankurbelung der Aktienkurse bei. Das zeigt uns, dass die Unternehmen, die am besten geführt werden, sich anpassen und in einem Umfeld mit niedrigerem Wachstum florieren können.

Chinesische Unternehmen haben die Renditen für Anleger durch Dividenden und Rückkäufe gesteigert

Viele gut geführte Unternehmen geben Aktionären überschüssige Barmittel in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen zurück, was die Aktienkurse in die Höhe treibt.

Dividenden- und Rückkaufrenditen chinesischer Unternehmen von 2010 bis 2023 werden in dieser Liniendiagramm dargestellt.

Die beste Zeit zu investieren

In der Vergangenheit gab es allzu viel Begeisterung über Investitionen in China und der Überschwang bei den Bewertungen war manchmal schwer zu rechtfertigen. Die Stimmung neigt dazu, die Wirklichkeit zu überholen. Doch das Narrativ, das nun die Märkte umtreibt, ist der Zusammenbruch des chinesischen Investitionsszenarios. Dies scheint übermässig pessimistisch zu sein und hält dem Prisma von weltweit wettbewerbsfähigen Unternehmen, attraktiven Aktienbewertungen und einer grossen Wirtschaft mit starkem Wachstumspotenzial nicht stand.

Zweifellos ist es schwieriger geworden, mit chinesischen Aktien Alpha zu generieren, aber nach wie vor gibt es viele Anlagechancen. Um sie zu finden, bedarf es fundierter Fundamentalanalysen, um die nächsten Marktführer zu ermitteln – jene mit einem starken „Burggraben“ in Sachen Wettbewerbsfähigkeit.

Wir konzentrieren uns stets auf starke Unternehmen mit einem bewährten, differenzierten Geschäftsmodell und ausreichenden finanziellen Ressourcen. Diese Unternehmen sind tendenziell in der Regel in der Lage, schwierige Phasen zu überstehen und sich danach stärker zu erholen. Wir schätzen langfristiges nachhaltiges Wachstum gegenüber einem kurzfristigem Wachstumsschub, da sich die vorübergehende Natur eines solches Schubs in der Regel in aufgeblähten Aktienkursen widerspiegelt. Wenn die Aufregung auf hohe Erwartungen trifft, können die Bewertungen luftige Höhen erreichen. Das haben wir zu vermeiden versucht.

Die Geschichte lehrt uns, dass die beste Zeit zu investieren dann ist, wenn die Erwartungen und die Bewertungen niedrig sind. Unserer Ansicht braucht es für eine Erholung der Anlageklasse lediglich eine positive Überraschung. Dann könnten wir bei chinesischen Aktien ein Spiegelbild des letzten Jahres für chinesische Aktien erleben.

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