Bekannte Unbekannte von Infrastrukturinvestitionen
Die zunehmende Häufigkeit und Schwere extremer Wetter- und Klimaereignisse birgt eine ernstzunehmende Gefahr für Infrastrukturanlagen.

Wichtige Punkte
Wichtige Punkte
- Extreme Wetter- und Klimaereignisse sind signifikante Bedrohungen für Infrastruktur, was negative Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wirtschaftstätigkeit haben kann.
- Aktuelle Beispiele, wie die Hurrikans Helen und Milton, verdeutlichen die erheblichen wirtschaftlichen Folgen dieser Gefahren und zeigen signifikante Lücken zwischen versicherten und unversicherten Verlusten auf.
- Physische Risiken sind in den Preisen von Vermögenswerten kaum berücksichtigt. Daher können solche Ereignisse wesentliche Verluste für Anlegerinnen und Anleger nach sich ziehen.
- Für die Beurteilung physischer Risiken sind sowohl quantitative Daten aus externen Quellen als auch eine qualitative Due Diligence erforderlich.
Hurrikans, Stürme, Waldbrände und Umweltgefahren treten immer häufiger auf und führen zur Zerstörung von Infrastruktur mit schwerwiegenden Folgen für die Gesellschaft und die Wirtschaftstätigkeit.
Abbildung 1 zeigt, dass die durchschnittliche Erdoberflächentemperatur stetig steigt. Dies führt wahrscheinlich zu einer Zunahme von Wetterereignissen und Klimakatastrophen mit Milliardenschäden.
Abbildung 1: Die jährliche Durchschnitts-Erdoberflächentemperatur ist auf Rekordniveaus gestiegen
![Balkendiagramm, das die Entwicklung der jährlichen Erdoberflächendurchschnittstemperatur-Differenz über einen Zeitraum von 1880 – 2023 aufzeigt, im Verhältnis zum Durchschnitt des 20. Jahrhunderts (1901 – 2000)]](/ch/de/assetmanagement/insights/asset-class-perspectives/equities/articles/known-unknowns-of-infrastructure-investments/_jcr_content/mainpar/toplevelgrid/col1/textimage_207094742_/image.580.png/1737617762207.png)
Moody’s Insurance Solutions schätzte die von den Hurrikans Helene und Milton, die im Oktober 2024 über Florida hinwegfegten, verursachten, über den Privatmarkt versicherten Verluste auf insgesamt zwischen USD 30 Mrd. und USD 50 Mrd1. Solche Stürme gefährden Stromleitungen und führen zu Stromausfällen. Waldbrände sind auch eine häufige Ursache von Wetter- und Klimagefahren2,3, die zum Beispiel den Betrieb von US-Versorgungsunternehmen beeinträchtigen. Trotz ihrer zunehmenden Häufigkeit besteht eine signifikante Lücke zwischen versicherten und unversicherten Verlusten aus Naturkatastrophen. Auf Basis der Gesamtzahlen aus den letzten zehn Jahren setzt Swiss Re die Versicherungslücke für Nordamerika bei 43%, für die EMEA-Region (Europa, Nahost und Afrika) bei 70% und für Asien bei 85% an.4 In ähnlicher Weise schätzt Aon die globale Versicherungslücke zwischen wirtschaftlichen und versicherten Verlusten auf 69%.5 Ohne ausreichenden Versicherungsschutz sollten Anleger bei der Beurteilung von Infrastrukturanlagen auch die physischen Risiken berücksichtigen.
Physische Risiken werden in den Preisen von Vermögenswerten selten berücksichtigt
Physische Risiken werden in den Preisen von Vermögenswerten selten berücksichtigt
Physische Risiken werden häufig als «bekannte unbekannte» Risiken bezeichnet. Der Markt ist sich dieser Risiken zwar bewusst, rechnet sie aber in der Regel nicht in die Preise von Vermögenswerten ein, da Zeitpunkt und Ausmass dieser Ereignisse unbekannt sind. So erlitten Pacific Gas & Electric in Kalifornien 20176 und Hawaiian Electric Industries 20237 erhebliche finanzielle Verluste infolge von Waldbränden. Der Markt hatte vor ihrem Auftreten weder die physischen noch die finanziellen Risiken dieser Waldbrände in den Preisen berücksichtigt. Dies resultierte in erheblichen Verlusten für die Anleger.
Identifizierung und Bewertung physischer Risiken
Identifizierung und Bewertung physischer Risiken
Im Jahr 2012 veröffentlichte der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Weltklimarat; IPCC) eine wegweisende Studie in Bezug auf das Management von klimabedingten Extremereignissen und Katastrophen.8 Der Risikorahmen des Weltklimarats definiert die Exponierung gegenüber Klimagefahren und die Anfälligkeit hierfür als Risikofaktoren. Aber nicht alle Anleger haben diese Risiken seither in ihre Beurteilungen miteinbezogen.
Die physischen Risiken variieren je nach Sektor und müssen vor der Beurteilung identifiziert werden. Verschuur et al. (2024)9 zeigten Kombinationen von Anfälligkeiten und Auswirkungen von Klimagefahren und Infrastrukturtypen über Gradienten von Auswirkungen und Gefährdungen auf. Die Autoren räumten zwar ein, dass es schwierig ist, die Analyse an verschiedene geografische Standorte anzupassen, stellten aber fest, dass Extremwind die grösste Gefahr für die Stromverteilung und übertragung ist. Extreme Hitze ist das grösste Risiko für Flughäfen und extreme Kälte für den Schienenverkehr, Mautstrassen und Telekommunikationsinfrastruktur (Abbildung 2).
Abbildung 2: Überblick über operative Schwellenwerte für Extremwind, extreme Hitze und ausserordentlich kalte Temperaturen für verschiedene Infrastruktursektoren
![Die Grafik veranschaulicht Klimarisiken für Infrastruktursysteme: Extremwind ist die grösste Gefahr für die Stromübertragung und -verteilung, extreme Hitze für Flughäfen und extreme Kälte für Strassen.]](/ch/de/assetmanagement/insights/asset-class-perspectives/equities/articles/known-unknowns-of-infrastructure-investments/_jcr_content/mainpar/toplevelgrid/col1/textimage_207094742__440704242/image.580.png/1737617762403.png)
Heute können die potenziellen Auswirkungen von Umweltgefahren dank geografischer Informationssysteme (GIS) und Geodaten grob abgeschätzt werden. Zudem haben grosse Anbieter von Finanzdaten kürzlich den Nachhaltigkeitsdatenmarkt konsolidiert, welcher auch Dienstleistungen zur Beurteilung physischer Risiken umfasst. Die quantitative Auswertung physischer Risiken anhand der Daten von externen Datenanbietern ermöglicht zwar einen ersten Einblick. Doch ein ausschliesslicher Verlass auf externe Daten könnte zu unbeständigen Ergebnissen führen, wie kürzlich durchgeführte wissenschaftliche Studien belegten.10 Daher ist eine tiefgreifendere qualitative Due Diligence (Prüfung) erforderlich.
Beurteilung physischer Risiken im Rahmen eines soliden Anlageprozesses
Beurteilung physischer Risiken im Rahmen eines soliden Anlageprozesses
Im Rahmen unserer Investment-Due-Diligence integrieren wir physische Risiken in unser Aktienauswahlverfahren und verlassen uns nicht ausschliesslich auf die Beurteilung von externen Daten. Ausserdem prüfen wir die Unternehmensstrategien zur Minderung physischer Risiken. In Bezug auf US-Stromversorger und Waldbrandrisiken folgen wir zum Beispiel Cody (2024),11 der die Strategien der Versorger zur Reduzierung der Risiken aus Waldbränden in drei Gruppen klassifiziert: (i) Systemhärtung, zum Beispiel durch die vorsorgliche Abschaltung von Netzen vor Starkwinden, (ii) Vegetationsmanagement, also die Beseitigung von Bäumen und Sträuchern in einem Korridor um Stromleitungen sowie (iii) betriebliche Abhilfemassnahmen. Welche Strategien die Unternehmen zur Risikominderung wählen, hat finanzielle Auswirkungen: Diese Entscheidung beeinflusst die Bewertung von Vermögenswerten und die Kreditkosten.
Physische Infrastrukturrisiken sind im Wesentlichen negative Externalitäten, die von den Märkten nicht effizient beurteilt werden. Um potenzielle Anlageverluste zu vermeiden, ist eine gründliche Due Diligence der physischen Risiken erforderlich. Dies kann durch die Analyse der Exponierung und Anfälligkeit gegenüber Klima- und Wettergefahren erreicht werden. Die Wahrscheinlichkeit der Auswirkungen kann anhand von Modellen auf der Basis von Geodaten beurteilt werden, ergänzt durch die Prüfung der Unternehmensstrategie zur Risikominderung. Da die Auswirkungen des Klimawandels zunehmend akuter werden, sollte die Beurteilung der physischen Risiken einen wesentlichen Bestandteil eines soliden Investmentprozesses für Anlagen in Infrastrukturwerten bilden.
Über die Autoren
Julio Giró
CFA, Senior Portfolio manager, Thematic Equities
Julio Giró ist Senior Portfolio manager im thematischen Aktienteam und leitet die Infrastruktur Aktienstrategie. Er begann seine Berufslaufbahn im Jahr 1992 als Sellside-Analyst für Versorger in Argentinien. Im Jahr 1997 wechselte er zu UBS, wo er lateinamerikanische Versorger analysierte. Später weitete er seinen Zuständigkeitsbereich auf europäische Versorger und Finanzunternehmen aus und wurde Portfolio manager. 2008 begann Julio Giró, europäische Strategien für qualitativ hochwertiges Wachstum zu verwalten und die weltweite Aktienauswahl für globale Income- und Value-Portfolios zu unterstützen. Er besitzt einen MSc in Umweltmanagement, einen MSc in Bank- und Finanzwesen und einen Abschluss in Betriebswirtschaft. Er ist seit 1999 Chartered Financial Analyst.
Audrey Forsell
Portfolio manager, Thematic Equities
Audrey Forsell ist Portfoliomanagerin im thematischen Aktienteam. Sie konzentriert sich auf fundamentale Bottom-up-Analysen von Aktien, Sektoren und Technologien für die thematischen Anlagestrategien. Sie ist auch am Portfolioaufbau und Portfoliomanagement beteiligt. Zuvor arbeitete Audrey Forsell in der Investment Solutions and Products-Division bei der Credit Suisse und wechselte 2021 ins thematische Team.
Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Volkswirtschaft der Universität Genf sowie einen Master-Abschluss der Universität St. Gallen im Bereich Quantitative Wirtschaft und Finanzwesen.
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