Herbert A. Simon

Nobelpreis 1978 | Verstehen wir menschliches Verhalten?

Herbert Simon gehört zu den Gründungsvätern der künstlichen Intelligenz. Kein anderer Wissenschaftler verstand die Zukunft von Maschinen und die ultimative Bedeutung von Computern besser. Schon 1965 war sich Simon sicher, dass «Maschinen in der Lage sein werden, jede Arbeit zu erledigen, die ein Mensch erledigen kann». Seine visionäre Perspektive auf Entscheidungsprozesse, den Klimawandel und Fehler in den Wirtschaftstheorien erweisen sich gar im 21. Jahrhundert als noch relevanter und bedeutsamer. Auch heute noch können wir von seinen genialen Ideen lernen und sind vielleicht sogar jetzt besser in der Lage, die von Simon in den 1960er Jahren vorhergesagten Entwicklungen zu verstehen. Er nimmt uns mit zurück in die Vergangenheit, um uns Antworten für die Zukunft zu geben.

Herbert A. Simon

Herbert A. Simon

Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, 1978

Auf einen Blick

Geboren: 1916, Milwaukee, Wisconsin, USA

Gestorben: 2001, Pittsburgh, Pennsylvania, USA

Fachgebiet: Managementwissenschaften

Ausgezeichnetes Werk: Erforschung des Entscheidungsprozesses in wirtschaftlichen Organisationen

Eine schöne Überraschung: Erhielt den Nobelpreis, obwohl er schon seit Jahrzehnten keine Wirtschaftsvorlesung mehr gehalten hatte

Humor: Beschreibt sich selbst als jemand, der immer versucht, die Menschen um ihn herum zum Lachen zu bringen. Dabei gibt er zu, dass seine Witze bei manchen Menschen auch für Ärger sorgten

Warum ist es so schwierig, Entscheidungen zu treffen?

Simon verbrachte sein Leben auf eine ungewöhnliche und einzigartige Weise. Er schaute weder Fernsehen, noch hörte er Radio und die Schlagzeilen in den Zeitungen interessierten ihn auch nicht besonders. «Zum einen stand vieles von dem, was heute in der Zeitung steht, auch gestern schon in der Zeitung», sagte Simon. «Und zum anderen kann ich von den Dingen, die heute in der Zeitung stehen, gestern aber nicht, die meisten schon vorhersagen, also jedenfalls in groben Zügen.»

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Welche Entscheidung ist die richtige?

Überzeugt davon, dass der unkonventionelle Weg der richtige für ihn ist, hatte Simon sich zum Ziel gesetzt, in ein unerforschtes, weniger fortgeschrittenes Gebiet der wissenschaftlichen Forschung einzusteigen. Er wandte sich daher den Sozialwissenschaften zu und schuf so die Grundlage für künftige Fortschritte in der Erforschung von Entscheidungsprozessen. Simon stellte fest, dass die Menschen nicht besonders gut darin sind, die Zukunft vorherzusagen, und dass es ihnen grosse Schwierigkeiten bereitet, ihre eigenen Präferenzen zu vergleichen.

Zudem beschrieb er, wie in der Wirtschaft viel Mühe darauf verwendet wird, alternative Produkte zu entwickeln und zu produzieren, dass aber recht wenig Zeit mit dem Auswahlprozess verbracht wird, um sich für eine der Alternativen zu entscheiden. «Bevor man den Auswahlprozess auch nur angestossen hat, hat dir jemand schon ein Produkt vorgeschlagen und noch ein anderes und eine Alternative dazu», sagt er.

Kann die Entscheidungsfindung einfacher gemacht werden, indem man das übersättigte Angebot an Alternativen reduziert? «Zum Teil», argumentierte Simon, «Ich glaube, dass die Schwierigkeit der Entscheidungsfindung viel mit dem Grad der Unsicherheit und unseren Wissenslücken zu tun hat.»

Benötigen wir eine Veränderung der ökonomischen Methoden?

Da die Wirtschaftstheorie und -methodik seiner Meinung nach einer Veränderung bedurften, konzentrierte Simon seine Forschung darauf, bisherige Annahmen in Frage zu stellen. «Für jedes Problem gibt es eine Theorie, einen Pfad, wie dieses Problem angegangen wird», merkte Simon an. «Leider sind viele wichtige Probleme im Leben mit einer schlechten Theorie belegt.»

«Bevor man in der Wissenschaft mathematische Strukturen haben kann, benötigt man Daten, man muss das Phänomen erst einmal verstehen», sagte er. «Bevor die Biologie von der modernen Molekularbiologie mit ihrer genauen Kenntnis der genetischen und chemischen Strukturen abgelöst werden konnte, mussten ganz viele Menschen raus in die Natur gehen und unzählige Pflanzen sammeln, um deren Zusammensetzung zu untersuchen. In den Sozialwissenschaften hat bisher nichts Vergleichbares stattgefunden.»

So warnte, inspirierte und motivierte er die Wissenschaftler dazu, Problemlösungsstrategien neu anzugehen – indem man erst einmal so viele Daten sammelt wie nur möglich.

Eine Veränderung der Grundlagen

Bereits früh über den Klimawandel nachgedacht

Simon war sich dessen bewusst, dass der Schutz der Umwelt zukünftig eine zentrale Rolle spielen würde und dass drastische Massnahmen erforderlich sein würden, um das Überleben nachfolgender Generationen zu sichern. Er wies bereits damals auf Themen hin, die erst in den letzten Jahren an Dringlichkeit gewonnen haben – insbesondere nachhaltige Energie, Massnahmen gegen die Umweltverschmutzung und die Veränderung politischer Prozesse. «Was wünschen wir uns für die Gegenwart und was sind wir bereit aufzugeben, um die Zukunft abzusichern», fragte er.

Nach wie vor gibt es Probleme, für die wir keine Antwort haben, aber es gibt Dinge, die wir jetzt angehen können und auch angehen müssen.

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Wie können wir die Zukunft schützen?

Die Verantwortung endlosen Wissens

Indem er Zusammenhänge und Kulturen erforschte, versuchte Simon ein tieferes Verständnis für menschliche Emotionen und die Gründe für ihre Entscheidungen zu entwickeln. «Meine wissenschaftliche Arbeit diente nicht unmittelbar der Verbesserung von Entscheidungsprozessen, sondern sollte erst einmal für ein besseres Verständnis sorgen», sagte er. Simon veröffentlichte Arbeiten zu den Themen kognitive Psychologie, Computerwissenschaften, Wirtschaft, Mathematik und viele mehr und beeinflusste damit verschiedenste akademische Disziplinen.

Würde man Simon nach dem wesentlichen Grund für seine gewaltigen Anstrengungen fragen, so würde er sein Verantwortungsgefühl der Menschheit gegenüber anbringen. «Man hat nichts erschaffen, bis man es kommuniziert hat», sagte er. «Kommunikation ist ein wesentlicher Bestandteil der wissenschaftlichen Aktivität.» Das enorme Wissen, das er sich aneignete und weitergab, bildete die Grundlage für neue Computerprogramme, künstliche Intelligenz und andere wichtige wissenschaftliche Disziplinen.

Wie können wir lernen, erwachsen zu denken?

Sein bemerkenswertes Selbstvertrauen und sein tiefes Interesse an den Menschen waren Eigenschaften, die Simon nicht nur beruflich, sondern auch privat auszeichneten. «Die Menschen erhalten einen massiven Vorteil von dem Einfluss anderer Menschen um sie herum», sagte er. «So können wir lernen.»

Als er gefragt wurde, welchen Rat er der nächsten Generation geben würde, war seine Antwort geradeheraus, aber auch wohlwollend. «Ich würde jedem raten, über die Ziele nachzudenken, die man zu erreichen versucht, ohne dabei das Leben an sich aus den Augen zu verlieren», sagte er.

Die Reise, der Weg ist das Wichtigste. Wenn wir gut leben, werden sich die entfernten Ziele von alleine erledigen. Man wird nichts Aussergewöhnliches erreichen, es sei denn, man findet etwas, was einen mit Freude erfüllt.

Kann der Altruismus das Prinzip der natürlichen Auslese überwinden?

Zu den wichtigsten Lektionen, die man von Simon lernen kann, gehört die Bedeutung von Daten und diese zu verstehen. Viele Menschen interessieren sich für kausale Zusammenhänge – aus welchem Grund etwas passiert. Simon hingegen konzentrierte sich auf das, was darunter liegt. Statt sich auf simple Korrelationen zu verlassen, versuchte er, ihren Hintergrund zu verstehen. Er führte einen neuen Denkansatz ein. «Vielleicht ist es besser, wenn man erst etwas versteht, bevor man Prognosen aufstellt», sagte er.

Warum sollten Länder bessere Wege finden, um zu wachsen?

Hören Sie dazu die Meinung von Michael Spence und wie Länder nachhaltiges Wachstum generieren und dabei langfristig einen positiven Effekt erzeugen können.

Was bedeutet die wissenschaftliche Arbeit von Simon für uns?

«Die Erforschung von Widersprüchen innerhalb grosser Unternehmen war Teil der Arbeit, für die Simon mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Und das sollte auch Anlegern doppelt bewusst sein.»

Paul Donovan 
Global Chief Economist
UBS Wealth Management

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