Finanzkrisen kamen in der Geschichte wieder und wieder vor. Die berühmteste Finanzkrise fand 1929 statt und die letzte im Jahr 2007, wobei sich die Effekte der letzteren noch heute bemerkbar machen.

«Wir wissen, dass Finanzkrisen eine dominante Rolle in der Geschichte des Bankwesens spielen», sagt ein Wirtschaftsnobelpreisträger während eines Interviews in New York City. «Ende des 20. Jahrhunderts dachten wir, wir würden keine Finanzkrisen mehr erleben – eine naive Vorstellung.» Der Mann, der hier spricht, ist Joseph Stiglitz. Eine starke Stimme in der Diskussion um Finanzkrisen und einer derjenigen, die mehrfach darauf hingewiesen haben, dass wir nie vergessen sollten, wer sie verursachte und wer am meisten darunter gelitten hat: nämlich diejenigen am unteren Ende der Gesellschaft.

Als Kind der Weltwirtschaftskrise, die im Oktober 1929 begann und zu einer zehn Jahre währenden Konjunkturflaute in allen Industrieländern führte, weiss Stiglitz, dass sich die Geschichte stets wiederholt. Die letzte Finanzkrise begann im Jahr 2007, und auch wenn einige sie vielleicht bereits kommen sahen, wie zum Beispiel Nobelpreisträger Robert Shiller, hätten die meisten nicht daran geglaubt. «Das liegt in der Natur des Menschen», sagt Shiller. «Wenn die Preise anfangen zu steigen, werden die Leute ganz aufgeregt und manche kaufen noch schnell, was die Preise weiter in die Höhe treibt. So eine Entwicklung ist aber nicht nachhaltig. Irgendwann wird die Blase platzen.»

Die Leute wussten gar nicht, mit was für Produkten sie da handelten. Im Grunde genommen sollte es so funktionieren.
– Holmström

Shiller kämpft gegen die weitverbreitete Annahme, dass die Märkte am besten sich selbst überlassen werden sollten, und plädiert stattdessen für unterschiedliche Arten der Regulierung und die Schaffung neuer Finanzmärkte und -institutionen. «Was wir brauchen, ist eine Gesellschaft, die Finanzinvestitionen fördert, statt ihnen feindlich gegenüberzustehen, die auf der anderen Seite aber auch über eine gesunde Skepsis verfügt und politische Entscheidungsträger hat, die Täuschungsversuche bestrafen», sagt er.

Bengt Holmström, ebenfalls Wirtschaftsnobelpreisträger, betont, dass es wichtig sei, sich auf eine korrekte Diagnose verlassen zu können, um zukünftige Krisen zu vermeiden. «Davon hängt in Zukunft alles ab», sagt er. «Die Leute wussten gar nicht, mit was für Produkten sie da handelten. Im Grunde genommen sollte es so funktionieren.»

Können wir jemals genug aus der Vergangenheit lernen, um eine mögliche neue Finanzkrise vorherzusehen? Einer, der an der Neugestaltung unserer Prognosemethoden arbeitet, ist Nobelpreisträger Robert Engle. Und anders als manche seiner Kollegen gibt Engle nicht den Bankern die Schuld.

«Wenn ihnen bewusst gewesen wäre, was sie da tun, wären sie gar nicht so grosse Risiken eingegangen», argumentiert er. «Die langfristigen Risiken wurden gar nicht betrachtet, weil der Fokus auf die kurzfristigen Risiken gerichtet war. Wir bezeichnen dieses Risiko auch als Kurzsichtigkeit», erklärt Engle. «Wenn das Risiko wirklich konstant auf seinem Niveau bleibt, ist das eine Sache, aber wenn es sich von diesem Niveau aus verändert, kann sich die Situation verschlechtern.» Eine seiner Interpretationen der Finanzkrise läuft daher auf eine erforderliche Verbesserung des Risikomanagements hinaus. «Um bessere Entscheidungen zu treffen, weniger Fehler zu machen und solche Ereignisse in Zukunft zu vermeiden.»

Ich glaube, dass wir mehr Zusammenarbeit zwischen den Ländern brauchen und etwas mehr Flexibilität in der Fiskalpolitik.
– Engle

Bekannt als führender Ökonometriker weltweit analysiert Engle ökonometrische Modelle und die Geschäftsentwicklung von Unternehmen in aller Welt. In seinem Volatility Laboratory, auch bekannt als V-Lab, das er nach der Verleihung des Nobelpreises gründete, lassen Engle und seine Kollegen täglich 60 000 ökonometrische Modelle durchlaufen. Dabei sammeln sie Daten von allen Märkten weltweit, um ihre Theorien zu untersuchen und zu belegen, während sie gleichzeitig untersuchen, wie sich die Volatilität im Verlauf der Zeit verändert, um so bessere Risikomanagementmessungen zu entwickeln.

Engle sieht die grösste Wahrscheinlichkeit einer möglichen erneuten Krise im Finanzsektor Asiens. Zudem findet er, dass Europa noch viel zu tun hat, um die Struktur seines Finanzsektors wieder aufzubauen. «Darum glaube ich, dass wir mehr Zusammenarbeit zwischen den Ländern brauchen und etwas mehr Flexibilität in der Fiskalpolitik.»

In einer Welt, in der fast alle Länder über Handel, Banksysteme oder Börsen miteinander verbunden sind, können Veränderungen in einem Land massive Auswirkungen auf die Wirtschaft eines anderen Landes haben. Momentan beschränken sich die Zukunftsprognosen von Engle noch auf den nächsten Tag, aber sein ultimatives Ziel ist es, Risiken Monate oder sogar ein ganzes Jahr im Voraus vorherzusehen.

«Möchten Sie wissen, wie viel Kapital man benötigen würde, um im Falle einer weiteren Finanzkrise das gesamte Bankensystem weltweit zu retten? Derzeit liegt diese Zahl bei etwa 3,5 Billionen Dollar. Das ist ein hoher Betrag.» Wenn er auch einräumt, dass der Preis nicht ganz so hoch wäre wie in den Jahren 2008 und 2009, ist er doch zu hoch, als dass man es darauf ankommen lassen sollte.

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