So vermeiden Unternehmerfamilien Konflikte

Wer ein Unternehmen leitet, tut sich in der Regel schwer damit, sich zu gegebener Zeit daraus zurückzuziehen. Dahinter steckt eine tiefe emotionale Verbundenheit. Besonders deutlich zeigt sich das bei Familienunternehmen, in denen Vater oder Mutter auch nach der Firmenübergabe an die Kinder noch bei vielen Entscheidungen mitreden wollen.

Das ist verständlich, denn die Nähe zum Unternehmen durch die Familie besteht nach wie vor, und die Vorgängergeneration möchte die Kinder in der Unternehmensnachfolge bestmöglich mit der eigenen Erfahrung unterstützen. Fehlt hierbei die nötige Diplomatie, können daraus eher Konflikte statt Lösungen für den Geschäftsalltag entstehen. Das kann zu Frust bei der Nachfolgegeneration führen und im ungünstigsten Fall darin gipfeln, dass die Nachfolger ihren Posten irgendwann sogar räumen.

Es gibt zahlreiche Beispiele, in denen die familiäre Nähe sich negativ auf das Unternehmen und die Familie auswirken kann. Die folgende Auflistung enthält typische Ursachen für Konfliktpotenzial in familiengeführten Unternehmen und gibt Tipps, wie sich die daraus resultierenden Spannungen gezielt entschärfen lassen.

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Was Familienunternehmen anfällig für Konflikte macht

  • Die Doppelrollen: In Familienunternehmen stehen sich Eltern, Geschwister oder Verwandte in ihrer Rolle als Geschäftsleitungsmitglieder oder Mitarbeitende gegenüber. Es ist unmöglich, die private Rolle komplett von der geschäftlichen zu trennen. Das muss auch nicht sein. Deshalb kann es helfen, diese komplexe Beziehungsstruktur zu erkennen und sich in der Zusammenarbeit nicht von Emotionen leiten zu lassen.
  • Die Kommunikation: Auch in noch so harmonischen und kommunikativen Familien wird nicht immer über alles gesprochen. Unausgesprochene Meinungen oder Erwartungen führen unweigerlich zu Spannungen. Das Vertrauen der Familienmitglieder wird strapaziert, und es entsteht der Eindruck, dass nicht alle am gleichen Strang ziehen und auch nicht gleichermassen am Unternehmenserfolg interessiert sind.
  • Der Wertewandel: Weil in Familienunternehmen fast immer mehrere Generationen gleichzeitig involviert sind, kommt hier der Wandel von Werten und Vorstellungen besonders deutlich zum Ausdruck. Themen wie Nachhaltigkeit oder Diversity werden heute in der Gesellschaft breit diskutiert und als relevant erachtet. Die Geschwindigkeit, mit der sich dieser Wandel vollzieht, erschwert es im Allgemeinen den älteren Generationen, sich damit zu identifizieren oder sich der Relevanz bewusst zu werden. Weil die Themen aber Auswirkungen auf das Unternehmen, die Geschäftsmodelle oder -prozesse haben, birgt der Wandel immer auch Konfliktpotenzial zwischen den Generationen.
  • Die Vermischung von Freizeit und Arbeit: Unternehmerfamilien tragen häufig Themen aus dem Geschäftsalltag ins Privatleben und umgekehrt. Gespräche über die Firma am Familientisch können zwar der nächsten Generation das unternehmerische Denken und Verständnis für Zusammenhänge vermitteln, sind manchmal aber auch fehl am Platz. Das Unternehmen sollte nicht zum Dauerthema werden, ansonsten gelangen Emotionen und Spannungen aus dem Geschäftsalltag schnell einmal ins Privatleben.
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Drei Säulen konfliktfreier Familienunternehmen

Wer sicherstellen möchte, dass ein Familienunternehmen über mehrere Generationen hinweg weitgehend konfliktfrei geführt werden kann, findet in den folgenden drei Säulen eine wertvolle Orientierung.

Säule 1: gute Kommunikation fördern

Die Vertrautheit innerhalb der Familie ist kein Garant für offene Kommunikation, denn häufig stehen einer solchen bestimmte familiäre Bindungen im Weg. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn in der Familie eine konstruktive Streitkultur fehlt oder schwierige Themen aus Angst, die Harmonie zu gefährden, nicht angesprochen werden. Es gibt aber auch die umgekehrte Konstellation mit einer problematischen Streitkultur, die sich durch eine herabgesetzte Hemmschwelle für Wutausbrüche, emotionsgeleitete Diskussionen und ausgeprägte Unzufriedenheit äussert.

Was gute Kommunikation bedeutet

Überhaupt darüber sprechen: Es gilt, zu betonen, dass innerhalb der Familie alles – auf konstruktive Weise – angesprochen werden darf. Gleichzeitig sollten sich alle Beteiligten bewusst sein, dass Kritik oder Meinungsverschiedenheiten keine persönliche Beleidigung darstellen. Gehen Sie davon aus, dass alle Familienmitglieder grundsätzlich gute Absichten haben.

Transparenz: Es sollte nichts geben, das voreinander verheimlicht oder schöngeredet wird. Es ist wichtig, dass Unternehmerfamilien einen transparenten Umgang mit- und untereinander pflegen und diese Transparenz fördern – indem etwa gegenseitig Hilfe angeboten oder gemeinsam nach Lösungen gesucht wird, statt wütend zu werden und Schuldzuweisungen zu machen. Wer sich ehrlich und transparent verhält, erfährt also Unterstützung und wird deshalb beim nächsten Mal wieder ehrlich und transparent sein.

Kommunikationsgefässe schaffen: Es ist hilfreich, Kommunikationsstrukturen für unterschiedliche Situationen zu ermöglichen. Themen mit geringem Konfliktpotenzial können via WhatsApp, Slack oder E-Mail besprochen werden. Andere diskutieren Sie besser bilateral persönlich oder telefonisch. Und heikle Angelegenheiten sind in einem separaten Raum im Rahmen eines Familienrats am besten aufgehoben.

Aus Angst, die Harmonie zu gefährden, werden schwierige Themen oft nicht angesprochen. Das ist problematisch.

Säule 2: ein gemeinsames Bild Ihres Unternehmens kreieren

«Wir wissen alle, wofür wir stehen.» Solche Aussagen von Unternehmerfamilien bergen ein gewisses Risiko und entsprechen zudem häufig nicht der Realität. Oft haben alle Firmenangehörigen ein anderes Bild des Unternehmens. Deshalb sind Werte, Vision und Mission unbedingt schriftlich festzuhalten. Das hilft nicht nur bei Unklarheiten oder Konflikten – es zwingt auch dazu, Werte, Vision und Mission zu Ende zu denken und unmissverständlich auszuformulieren. So schaffen Sie ein gemeinsames Verständnis.

Klären Sie gegenseitige Erwartungen: Unklare Erwartungshaltungen sind oft die Ursache für Streit. Wenn Sie sich zum Beispiel rund um die Uhr für das Unternehmen opfern, während jemand anderes versucht, eine Work-Life-Balance zu erhalten, heisst Letzteres nicht, dass der anderen Person die Firma egal ist. Es bedeutet, dass Sie beide unterschiedliche Vorstellungen vom und Erwartungen an den Geschäftsalltag haben. Klären Sie diese Sachverhalte deshalb von Anfang an, indem Sie Ihre Erwartungen mit denjenigen der anderen Beteiligten abgleichen.

Definieren Sie gemeinsam Ihre Werte: Seien Sie sich bewusst, dass sich Werte wandeln. Nehmen Sie sich deshalb in regelmässigen Abständen Zeit, um Ihre Unternehmenswerte zu prüfen. Ausserdem ist darauf zu achten, dass bei Nachfolgeregelungen die scheidende Generation diesen Wertewandel und die damit einhergehenden Prioritätenverschiebungen akzeptieren kann.

Schaffen Sie Commitment für die Vision und die Mission: Mit der Mission beschreiben Sie die Art und Weise, wie Sie den Weg zu Ihrer Vision gehen möchten. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Einbeziehung der gesamten Unternehmerfamilie, beispielsweise im Rahmen eines internen Workshops. So stellen Sie sicher, dass alle sich mit der Vision und der Mission identifizieren und dahinterstehen können.

Bestimmen Sie die Entscheidungshoheiten: Bei einem Verkauf des Familienunternehmens ist es üblich und zielführend, Einstimmigkeit zu definieren, denn der Entscheid wirkt sich nachhaltig auf die Identität der Familie aus. In vielen anderen Fällen genügen für einen Beschluss einfache oder qualifizierte Mehrheiten. Wie Sie zu einer Entscheidung kommen, bleibt Ihnen überlassen. Sorgen Sie lediglich dafür, dass sich niemand benachteiligt fühlt und Sie gleichzeitig im Unternehmensalltag zügig und effizient Entschlüsse fassen können.

Extratipp: Verankern Sie das alles in eine Familienverfassung, die der Unternehmerfamilie über Generationen hinweg als Leitfaden dient. Aber Achtung: Eine Familienverfassung ist nur ein moralisch bindendes Dokument und besitzt keine juristische Relevanz. Um Verbindlichkeit zu schaffen, können Sie zum Beispiel in einem Aktionärsbindungsvertrag Ihre Prinzipien und moralischen Leitplanken in Rechtssprache einfliessen lassen.

Unternehmenswerte können sich verändern. Setzen Sie sich deshalb regelmässig zusammen, um diese gemeinsam zu prüfen und anzupassen.

Säule 3: klare Rollenverteilung vereinbaren und einhalten

Man hat innerhalb der Unternehmerfamilie Abmachungen getroffen, und eine oder mehrere Personen halten sich hinterher nicht daran. Das resultiert oft aus einer unklaren Rollenverteilung, die insbesondere dann zum Verhängnis werden kann, wenn grössere Entscheidungen anstehen oder Rollen sich plötzlich verändern. So schaffen Sie eine klare Rollenverteilung:

  1. Für jeden die geeignete Rolle: In Familienbetrieben kommt es häufig vor, dass Personen Aufgaben wahrnehmen, für die ihnen die nötigen Qualifikationen fehlen. Dann können unter Umständen Funktionen und Verantwortlichkeiten nicht eingehalten werden oder andere mischen sich ein. Damit ist Chaos vorprogrammiert.
  2. Rollenverschiebungen auch physisch umsetzen: Nachdem der Vater die CEO-Rolle beispielsweise der Tochter übergeben hat, sollte er auch räumlich von seiner ehemaligen Funktion Abstand nehmen. Arbeitet er allerdings weiterhin im gleichen Büro oder gleich im Büro nebenan, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er sich einmischt, Mitarbeitende den Generationenwechsel nicht gänzlich wahrnehmen und die neue CEO im Handeln eingeschränkt wird.
  3. Aufgabenfelder abstecken: Weisen Sie einzelnen Personen nicht nur eine Position zu, sondern stecken Sie auch die Aufgabenfelder ab. Während es in kleinen Familienunternehmen sinnvoll sein kann, wenn Sie als CEO auch für die Buchhaltung zuständig sind, kann das bei einem mittelständischen KMU nicht mehr in Ihren Aufgabenbereich als CEO fallen. Deshalb müssen bei grösseren personellen Veränderungen des Unternehmens auch immer die Aufgabenfelder optimal verteilt werden.
  4. Ein Blick von aussen hilft: Unternehmerfamilien sind so nah am Geschäft, dass sie oftmals keine Aussenperspektive einnehmen können. Haben sich beispielsweise die Rollen und Zuständigkeiten innerhalb eines Jahrzehnts verändert, dann kann es durchaus vorkommen, dass das intern unbemerkt blieb, weil sich eine solche Veränderung in kleinen Schritten vollzieht. Abhilfe schafft hierbei ein Experte, der einen objektiven Blick auf das Familienunternehmen einnimmt und Ihnen aufzeigen kann, wo es Rollenüberschneidungen, Effizienzverlust oder anderen Handlungsbedarf gibt.

Bauen Sie gemeinsam an der Zukunft Ihres Familienunternehmens

Konflikte können Sie nicht vermeiden. Doch solange diese nicht das Potenzial bergen, Ihre Familie zu spalten, können Sie daraus lernen. Entwickeln Sie in Ihrem Familienunternehmen eine Kultur, die nicht nur Offenheit, sondern vor allem auch Fehler zulässt. Lernen Sie von Ihren Familienmitgliedern und Arbeitskollegen. Wenn Sie den Fokus auf den Erfolg Ihres Familienunternehmens legen, dann stärken Sie damit letztlich auch Ihren persönlichen Erfolg.

Eric Landolt

Eric Landolt

Leiter Family Advisory für die Schweiz, Europa, den Mittleren Osten, Afrika und Lateinamerika bei UBS

Er verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich Family Governance. Sein Fokus liegt auf der Unterstützung von Unternehmerfamilien bei der Gestaltung und Umsetzung ihrer Familienstrategie im Hinblick auf die Wahrung des Unternehmens, des Vermögens und des Familienzusammenhalts über Generationen hinweg. Er begleitet Familien weltweit bei der Erstellung ihrer Familienverfassung, dem Aufbau ihrer Entscheidungsgremien sowie der Gründung ihres Family Office.

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