Wachstum oder Profitabilität?

Eine gute Geschäftsidee birgt Wachstumsmöglichkeiten und verspricht Profit. Denn ohne genügend Wachstum besteht die Gefahr einer Verdrängung durch Substitutionsprodukte oder Konkurrenten. Und fehlende Profitabilität führt über kurz oder lang zu Liquiditätsproblemen – nicht zuletzt deshalb, weil ein solches Unternehmen für Investoren und Banken nicht attraktiv ist.

Heisst das nun, dass Ihr Geschäftsmodell ab Tag eins profitabel und in der Lage sein muss, direkt ganze Märkte zu erobern? Profitabilität und Wachstum stellen für Jungunternehmen in der Regel einen Zielkonflikt dar, und je nach Business und Marktumfeld sollte ein Unternehmen das eine oder andere stärker gewichten. In diesem Artikel zeigen wir auf, wie Sie den richtigen Strategiemix finden können. 

Skalierbare Businessmodelle sollen immer zuerst Marktanteile gewinnen, bevor sie Profitabilität anstreben.
Claudio D’Amico, Transaction Manager UBS Transaction Advisory

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Welche Aspekte sprechen für die Wachstumsstrategie?

Ein eindeutiger Fall für die Wachstumsstrategie liegt dann vor, wenn der Unternehmer oder die Unternehmerin eine Geschäftschance wahrnimmt. Dazu gehören neue Technologien und Trends, aber auch auslaufende Patente.

  • Beispiel auslaufendes Patent: bestsmile hat ein auslaufendes Patent als «Window of Opportunity» genutzt und sich mit einem starken Fokus auf Wachstum zum Marktführer im Bereich Zahnkorrekturen mit Alignern entwickelt.
  • Beispiel Geschäftschance wahrnehmen: Nikin hat den Nachhaltigkeitstrend frühzeitig erkannt und als Wachstumschance genutzt. Das Unternehmen produziert Kleider und pflanzt pro verkauftes T-Shirt, Cap oder verkauften Pullover einen Baum.

Generell gilt: Skalierbare Businessmodelle sollten stets zuerst Marktanteile gewinnen, also die Wachstumsstrategie verfolgen, bevor sie profitabel werden. Charakteristisch für solche Businessmodelle ist die Tatsache, dass sie in der Break-even-Kurve lange unter null verharren bei gleichzeitig stark ansteigenden Umsätzen. Viele Asset-Light-Geschäftsmodelle müssen den Markt «beherrschen», um wettbewerbsfähig zu sein.

Unternehmen mit einem Asset-Light-Geschäftsmodell besitzen selbst nur wenig Güter. Das liegt entweder in der Natur der Branche wie beispielsweise der digitalen Plattform Facebook oder der digitalen Bank Revolut. Oder das Unternehmen lagert bewusst strategisch möglichst alles, was hohe Investitionen in Fabriken erfordert, an Zulieferer aus. Das taucht dank tiefer Anlagekosten in der Bilanz als «Asset Light» auf. Die sich daraus ergebende höhere Agilität eröffnet dem Unternehmen deutlich bessere Möglichkeiten zur Expansion, beispielsweise ins Ausland. Diese Stärke sollte mit einer durchdachten Wachstumsstrategie genutzt werden.

Auch Michael Born, Co-Founder und CEO von PXL Vision, sprach sich im UBS Growth Talk für die Wachstumsstrategie aus: «Häufig versucht man zu früh, profitabel zu sein. Solange man wächst und das Geld sinnvoll investiert, sollte man noch keine Profitabilität anstreben. Besonders in Geschäftsbereichen, in denen eine ‹The winner takes it all›-Mentalität vorherrscht, muss man zuerst richtig gross werden.»

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Welche Faktoren sprechen für die Profitabilitätsstrategie?

Die Profitabilitätsstrategie hat den Vorteil, dass das Unternehmen kontrollierter wächst und das Risiko für die Eigentümer überschaubar bleibt. Bei gesättigten Märkten oder Geschäftsmodellen ohne disruptiven Ansatz ist es sinnvoller, verstärkt auf Profitabilität zu setzen anstatt auf reines Wachstum.

Bei Profitabilitätsbestrebungen wird die Effizienz viel höher gewichtet als das Sichern neuer Marktanteile. Dementsprechend kommt die Profitabilitätsstrategie auch mit weniger finanziellen Mitteln aus. Unternehmen und Branchen mit limitiertem Zugang zu Fremd- und Eigenkapital sind deshalb häufiger auf Profitabilität ausgerichtet.

Auch bei Substitutionstechnologien und -produkten steht zumeist die Profitabilitätsstrategie im Vordergrund, weil man sich in einem etablierten Markt befindet und das eigene Angebot bestenfalls günstiger sein muss als das der Konkurrenz.

Beste Beispiele für Wachstumsstrategien, die den Fokus auf Profitabilität legen: Aldi und Lidl, die mit ihrem Discounter-Angebot so in die Schweiz expandiert sind. 

So finden Sie die richtige Gewichtung für Ihren Strategiemix

Der Strategiemix hängt von Ihrem Businessmodell und dem Markt ab, in dem Sie tätig sind. Setzen Sie sich zunächst mit folgenden Fragen auseinander:

  • Wie präsentiert sich die Dynamik auf dem Markt?
  • Wie gesättigt ist der Markt?
  • Wie schnell wächst mein Markt?

Nutzen Sie die Antworten auf diese Fragen als Basis, um weitere Aspekte zu beurteilen:

  • Welche Strategie können das Management und das Team sowohl durchsetzen als auch umsetzen?
  • Welche Ausrichtung passt zur Struktur und Kultur Ihrer Firma?
  • Welche Vision haben die Gründer? Steht dort das Wachstum im Fokus?
  • Welche Wertevorstellungen und Ziele verfolgen die Eigentümer?
  • Welche Möglichkeiten für die Kapitalbeschaffung haben Sie, um Wachstumspläne zu verwirklichen?
  • Wie gross sind Ihre unternehmerische Freiheit und Flexibilität? Können Sie kurzfristig von Wachstum zu Investitionsstopp wechseln oder umgekehrt?
  • Wie hoch ist die Risikobereitschaft der Eigentümer?

Anhand dieser Fragen wird deutlich, dass der richtige Mix von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein und sich im Laufe der Zeit durchaus verändern kann.

Beim Optiker-Start-up VIU Eyewear lag der Fokus zu Beginn auf Wachstum, wurde aber später um den Faktor Profitabilität erweitert. Andere wiederum geben der Profitabilität kaum Gewicht. Ein berühmtes Beispiel hierfür bislang: Tesla Motors.

Wachstum oder Profitabilität? Auf diese Frage gibt es niemals eine finale Antwort.

Nach der Festlegung des Strategiemix sollte dieser ungefähr einmal im Jahr überprüft werden, denn Ihr Unternehmen entwickelt sich laufend weiter, und auch die äusseren Einflüsse unterliegen einem dynamischen Wandel. Folgende Faktoren können die Gewichtung unerwartet verändern:

  • Zugang zu Kapital
  • Entwicklungen des Markts
  • Konkurrenzsituation
  • personelle Wechsel (intern/extern)
  • Anpassung der Vision des Unternehmers
  • Anpassung der Strategie von Konkurrenten

Sie sehen: Die Antwort auf die Frage, ob Sie sich mit Ihrem Unternehmen auf Wachstum oder Profitabilität fokussieren sollen, ist nicht in Stein gemeisselt. Vielmehr wird Sie diese Frage im Lebenszyklus Ihres Unternehmens immer wieder begleiten. Wir empfehlen Ihnen, sich mit unseren Expertinnen oder Experten austauschen, um die Situation Ihres Unternehmens zu analysieren und den richtigen Mix zu finden. Wir teilen gerne unsere Erfahrungen mit Ihnen, um Sie möglichst praxisnah zu unterstützen.

Alain Conte – Leiter Corporate & Institutional Clients Switzerland

Claudio D’Amico

Transaction Manager UBS Transaction Advisory

Langjährige Erfahrung als Finanzierungsspezialist bei UBS Transaction Advisory mit Fokus auf Nachfolgeregelungen, Unternehmensakquisitionen sowie Wachstumsfinanzierungen für Jungunternehmen

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