«Wir entwickeln unsere Firma nicht stur nach einem Businessplan, sondern nutzen die Zufälle des Lebens», sagt Firmengründer Viktor Meier. Zu den Zufällen, die der Sohn eines Luzerner Teppichhändlers konsequent für seine beruflichen Ziele nutzt, zählt sein Zusammentreffen mit dem Ex-Eishockeyspieler Toni Vera.

Beim Zappen durch die TV-Kanäle blieb Meier eines Abends an einer Reportage über den in Sevilla lebenden Tüftler und Entwickler von Eisbahnen aus Kunststoff hängen. «Als ich ihn hörte, realisierte ich sofort, dass dieser Mann Unterstützung braucht, wenn er seine Entwicklung weltweit vermarkten will», beschreibt der 36-jährige Schweizer die Initialzündung für ihr heute boomendes Start-up-Unternehmen.

Meier zögerte nicht lange, rief Vera anderntags an, flog nach Südspanien und traf den gelernten Ingenieur und Kunststoffeis-Experten zum Mittagessen. Inzwischen sind die beiden nicht nur enge Geschäftspartner, sondern dicke Freunde geworden. Unter dem Markennamen Glice vermarkten sie aus Spezialpolymeren gefertigte Schlittschuhbahnen – rund um den Globus, mit durchschlagendem Erfolg. Auf Wunsch liefern die smarten Jungunternehmer auch die dazugehörigen Banden, speziell entwickelte Schlittschuhe und Schleifautomaten – bis hin zur Software für voll automatisierte Zutritts- und Ticketingsysteme.

Kampfsport als Lebensschule

«Irgendwie hat es zwischen uns sofort Klick gemacht», erinnert sich Meier, der sich um alles Kommerzielle kümmert, insbesondere um Verkauf und Marketing. Sein Partner im galizischen Orense konzentriert sich auf die Weiterentwicklung des Produkts, auf Produktion und Logistik. «Wir sind zwei völlig verschiedene Typen», erklärt Meier. «Toni ist ruhiger und weniger impulsiv, von seinem Wesen her zehnmal mehr Schweizer als ich. Zudem arbeitet er viel kontinuierlicher, Tag für Tag, auch am Wochenende. Ich dagegen neige eher dazu, eine Zeit lang Vollgas zu geben, um mich dann auszuklinken und für ein paar Tage etwas ganz anderes zu tun.»

Unkonventionelle Arbeitsweise

Nach Abschluss seines Studiums der Internationalen Beziehungen in Genf erfüllte sich Meier 2003 einen lang gehegten Traum und löste ein One-Way-Flugticket nach Indien. Als Rucksacktourist zog er um die Welt: von Indien über Burma und Kambodscha nach Japan, Venezuela und Brasilien. Danach liess er sich vorübergehend in den USA nieder, belegte Marketingkurse und erwarb einen MBA-Titel. Nach vier Jahren Wanderschaft und Weiterbildung kehrte Meier 2007 in die Schweiz zurück. Vorerst ohne konkreten Plan, doch mit der Gewissheit, dass ihm ein Bürojob in einem Grossunternehmen nicht zusagte: «Ich habe eine unkonventionelle Arbeitsweise, handle am liebsten selbstbestimmt und teile mir meine Zeit nach persönlichen Bedürfnissen ein.»

Zu Meiers Business-Philosophie gehört, dass er seine Geschäftspartner wie persönliche Freunde auswählt – strikt nach Bauchgefühl. Er ist mit jedem per Du und pflegt mit seinen Ansprechpartnern ein persönliches Verhältnis. «Das Leben ist zu kurz, um seine Zeit mit Leuten zu verbringen, mit denen man sich nicht wohlfühlt, weil sie eine andere Wellenlänge haben», sinniert der erfolgreiche Eisbahnverkäufer.

Business in der Cloud

Die Zusammenarbeit mit seinem Counterpart in Sevilla funktioniere wie geschmiert, schwärmt der polyglotte Luzerner, der neben mehreren anderen Sprachen auch fliessend Spanisch spricht. Fast täglich stimmen sich Meier und Vera ab – per Telefon, E-Mail oder Videoschaltung. «Unser gesamtes Business befindet sich in der Cloud», ergänzt Meier. «Wir müssen also keine Papiere hin- und herschicken, sondern können von überall auf der Welt jederzeit auf sämtliche relevanten Geschäftsunterlagen zugreifen».

Mit gerade einmal vier Vollzeitmitarbeitenden ist Glice International ausserordentlich schlank aufgestellt. Neben den beiden Unternehmensgründern kümmert sich der frühere EDA-Diplomat Michael Vettiger um die Schulung der Vertriebspartner und den Support, während sich der ehemalige Banker Markus Koller schwergewichtig auf den Ausbau von Glice in Nordamerika konzentriert.

Mieten statt kaufen

Waren Meier und sein Team anfänglich vor allem am Verkauf ihrer Eisbahnen aus Kunststoff interessiert, so hat in dieser Hinsicht inzwischen ein Umdenken stattgefunden: «Wir haben erkannt, dass im Markt ein grosses Bedürfnis nach Mietlösungen besteht», sagt der Firmengründer. Um dieser Nachfrage zu entsprechen, wurden 2014 zum ersten Mal auch etliche Glice-Bahnen vermietet. Langfristig sei die Vermietung «viel attraktiver», führt Meier aus, weil die Erträge im Vergleich zum volatilen Verkauf wesentlich «konstanter und somit planbarer» seien.

Kehrseite der Medaille: Das Vorproduzieren und Bereitstellen der Mietanlagen ist kapitalintensiv. Bis die Investitionskosten wieder hereingespielt sind, vergehen meist mehrere Jahre. Jahre, in denen die Erfolgsrechnung unter den zu erbringenden Vorleistungen leidet.

Mehr Ressourcen als ursprünglich eingeplant schluckte auch der forcierte Geschäftsaufbau in den USA. Mit seiner breit verankerten Hockeykultur birgt der riesige nordamerikanische Markt langfristig das mit Abstand grösste Absatzpotenzial für Kunststoff-Eisbahnen. So hat vor Jahresfrist etwa ein Nachtclub in Miami bei Glice eine Indoor-Anlage bestellt. «Die Drinks werden einem dort von hübschen Damen auf Schlittschuhen serviert», erzählt Meier vergnügt.

Riesenpotenzial in USA

Ein anderes Referenzprojekt, das er gern anführt, betrifft den Columbus Zoo in Ohio, einen der grössten und renommiertesten Tierparks weltweit. Der Zoo hat seine 800 Quadratmeter grosse Echteisbahn unlängst durch eine nahezu wartungsfreie Glice-Anlage ersetzen lassen. Darüber hinaus scheinen sich in den Vereinigten Staaten auch immer mehr gut situierte Privatleute für den Kauf einer Kunststoff-Eisbahn zu interessieren. «Wir stehen zwar noch ganz am Anfang, aber schon in zwei bis drei Jahren könnte das Nordamerikageschäft den Absatz im Rest der Welt übertreffen», blickt Meier optimistisch in die Zukunft.

Der kapitalintensive Einstieg ins Vermietungsgeschäft und die in den USA getätigten Investitionen führten 2014 zu einem vorübergehenden Liquiditätsengpass. «Wir sind vor drei Jahren praktisch ohne Kapital an den Start gegangen. Wenn man bedenkt, wie schnell unsere Firma seither gewachsen ist, ist es völlig normal, dass wir irgendwann an Grenzen stossen mussten», beruhigt Meier.

Investoren willkommen

Das Problem des drohenden Kapitalmangels konnte er fürs Erste beheben – in Form eines Darlehens aus dem Familienkreis. Eines ist dem kampfsporterprobten Jungunternehmer seither allerdings klar: «Bei unserem Expansionstempo werden wir auf mittlere Frist ohne externe Finanzierung nicht auskommen. Wir sind offen für kreative Ideen seitens eines Investors.»

Seine Rolle als Geschäftsführer einer global agierenden Start-up-Firma bereite ihm noch immer ungeheuren Spass, auch wenn es zuweilen zu Rückschlägen komme und er und seine Mitstreiter in letzter Zeit hart hätten arbeiten müssen. «Wenn das Ganze ein Zuckerschlecken wäre, würde ja jeder ein solches Business aufbauen», meint der Luzerner lakonisch.

Meier träumt davon, eines Tages das operative Geschäft ganz aufzugeben und nur noch im Hintergrund tätig zu sein: «Das würde mir erlauben, neue interessante Projekte anzugehen.» Angst vor Niederlagen kennt der Karatekämpfer offenbar nicht: «Letztlich kämpft man stets gegen sich selbst. Sobald man im Kopf aufgibt und Zweifel an den eigenen Chancen zulässt, hat man verloren. Im Unternehmertum ist das nicht viel anders.»

Grünes Eis

Die genaue Zusammensetzung ihrer Kunststoffbahnen – eine Mischung aus dichten, robusten Polymeren, versetzt mit Silikon und weiteren Additiven – hüten die Firmengründer wie Coca-Cola das berühmte Rezept. Selbst den Namen des Lieferanten und den Ort, an dem das Ausgangsmaterial zu leicht transportier- und verlegbaren Platten von ein mal zwei Metern gepresst wird, wollen sie aus Konkurrenzgründen nicht preisgeben. Bekannt sind indes die ökologischen Vorzüge ihrer Erfindung: 100 Prozent rezyklierbar, hergestellt mit erneuerbarer Energie und gegenüber herkömmlichen Eisbahnen enorme Energie- und CO₂-Einsparungen beim Betrieb.