Raffaele Petrone

Den meisten institutionellen Anlegern dürfte es ähnlich ergangen sein wie Raffaele Petrone, der als Anlagespezialist bei der PEKAM unter anderem die Pensionskasse von Holcim Schweiz betreut. Man wusste zwar, dass im fernen China ein neues Virus grassierte. Also hoffte man, diesem werde – wie vor einigen Jahren SARS – die Einreise in die Schweiz verweigert. Dann zeigte sich, dass dieses Virus anders ist: Plötzlich war es hier. Und dort. Auf allen fünf Kontinenten. Und ab dem 20. Februar stürzten die Börsenkurse ins scheinbar Bodenlose. Unser Gespräch mit Raffaele Petrone dreht sich um den März-Crash, wie und warum seine Kunden die Krise einigermassen unbeschadet überstanden haben, um Governance in Krisenzeiten und um seine wichtigsten Erkenntnisse.

Wie fühlten Sie sich im März 2020?

Damals war die Situation angespannt und nicht immer gemütlich. Es hat wohl jeden überrascht, wie schnell das Virus alle Kontinente gleichzeitig lahmgelegt hat. Und im Vergleich zu früheren Crashs hat die Corona-Krise sämtliche Märkte und Anlageklassen getroffen. Als Anleger hatte man folglich keine Ausweichmöglichkeit. So etwas habe ich noch nie erlebt.


Regelmässige ALM-Analysen sind überlebenswichtig.

Wie ist es Ihren Anlagen ergangen?

Wir sind relativ glimpflich davongekommen. Natürlich sind auch unsere Portfolios kurzfristig ins Minus gerutscht – allerdings bewegten sich die Anlageklassen innerhalb der strategischen Bandbreiten. Wir mussten also nicht mit Umschichtungen reagieren.

Verluste von gegen 40 Prozent liegen innerhalb Ihrer Bandbreiten?

Natürlich nicht. Aber es haben ja auch nicht alle Titel und Anlageklassen so viel verloren. Rückblickend hatten wir Glück beim Timing. Im Mai 2019 hatte der Stiftungsrat der Pensionskasse von Holcim Schweiz eine neue Anlagestrategie verabschiedet; diese basiert auf einer ALM-Studie (Asset Liability Management). Diese neue Strategie haben wir dann schrittweise über alle Anlageklassen umgesetzt. Dabei konnten wir die gute Entwicklung der Aktienmärkte nutzen, um die Aktienquoten auf die Strategie zurückzufahren und Gewinne sicherzustellen. Dadurch waren wir in der Lage, unsere aus dem sensationellen Börsenjahr 2019 resultierenden Wertschwankungsreserven aufzustocken und das Risiko zu reduzieren.

Raffaele Petrone

Raffaele Petrone

Raffaele Petrone ist Fachspezialist Anlagen bei der PEKAM AG. Er arbeitet seit über 30 Jahren im Investment Management und hat einen Hintergrund im Private Banking International. Seine Ausbildung umfasst den eidgenössischen Fachausweis für Personalvorsorge. Zudem gehört er dem Advisory Board UBS AST3 Global Infrastructure and Global Real Estate an. PEKAM ist spezialisiert auf das Management von Vorsorgeeinrichtungen und Stiftungen; das Unternehmen ging 1997 als Spin-off von Holcim hervor. Heute betreut PEKAM neben der Pensionskasse der Holcim (Schweiz) AG und dem Holcim Pension Fund auch die Vorsorgeeinrichtungen namhafter anderer Unternehmen sowie gemeinnützige Stiftungen.

Haben Sie noch von anderen Faktoren profitiert?

Alle unsere Pensionskassen verfügen über einen komfortablen Deckungsgrad. Die Puffer waren gross genug, um die Schwankungen abzufedern. Natürlich empfanden alle die Situation im März als sehr unangenehm. Vor allem, weil niemand wusste, wie tief die Kurse noch fallen würden. Pensionskassen mit einem dünneren Polster trifft ein solcher Crash härter: Sie geraten schneller in eine Unterdeckung und werden zum Sanierungsfall. Unter Umständen müssen sie im denkbar ungünstigsten Moment verkaufen und ihre Risiken reduzieren.

Haben Sie einen Notfallplan entwickelt?

Ja, und zwar schon vor Jahren! Notfallpläne darf man nicht erst im Notfall entwickeln – Sie können ein brennendes Haus nicht löschen, wenn Sie zuerst eine Feuerwehr rekrutieren und ausrüsten müssen. Wenn man eine Strategie richtig aufsetzt, muss man auch nicht hektisch reagieren. Im Gegenteil: Krisensituationen lassen sich oft dadurch am besten meistern, dass man etwas Abstand nimmt und durchatmet. Marktschwankungen gehören naturgemäss zum Geschäft. Pensionskassen sind keine Daytrader, sondern verfügen über einen sehr langen Anlagehorizont.

Kurssturz ohne Ausweichmöglichkeit: Sind Ihre Stiftungsräte unruhig geworden?

Sie meinen wegen der Organhaftung? Nein, denn es gibt keinen Grund für Nervosität, wenn die Governance stimmt und die Verantwortlichen nicht fahrlässig, sondern nach bestem Wissen und gemäss Anlagereglement handeln. Zudem ist die 2. Säule klar und streng reguliert.

Raffaele Petrone mit UBS-Berater Pascal Moser

Was umfasst eine gute Governance?

Klare Strategien und Bandbreiten – und natürlich aktuelle Informationen über die Wertentwicklung des Portfolios. In dieser Hinsicht profitieren wir bei der Pensionskasse von Holcim Schweiz vom Global Custody der UBS und von Tools wie dem Asset Wizard. Ich muss mir nicht bei jedem einzelnen Asset Manager die Informationen einholen und selbst konsolidieren, sondern behalte immer die Übersicht über unser gesamtes Portfolio. So kann ich auch unsere Anlageausschüsse und Stiftungsräte aktuell informieren.


Ich profitiere sehr vom UBS Asset Wizard.

Wie konnten Sie im März Ihre Private-Equity-Anlagen beurteilen?

Die Fondsprovider haben während der Krise einen sehr guten Job gemacht. Der Crash führte zwar zu Schwierigkeiten bei der Bewertung einzelner Fondspositionen, trotzdem war der Informationsfluss sehr gut. Sobald sich die Positionen wieder bewerten liessen, erhielten wir auch wieder aussagekräftige Reports. Man sollte allerdings berücksichtigen, dass die Bewertungen von alternativen Anlagen jeweils mit bis zu sechs Monaten Verzögerung erfolgen. Sie sind also nur bedingt aktuell. Wir können jedoch die Wertentwicklung beurteilen und in unsere Gesamtbetrachtung einfliessen lassen.

Verlangten Ihre Entscheidungsträger während der Krise häufigere oder andere Informationen?

Eigentlich nicht. Bei der Pensionskasse von Holcim Schweiz erhalten die Stiftungsräte jeden Monat einen Portfolioauszug mit allen Depotposten; mehr haben sie auch während der Krise nicht angefordert. Operative Entscheidungen trifft der Anlageausschuss, zu dessen Mitgliedern auch delegierte Stiftungsräte gehören. Als Reaktion auf die Krise haben wir den Anlageausschuss wöchentlich in Telefonkonferenzen unterrichtet, manchmal sogar in Ad-hoc-Telefonkonferenzen.

Sie wurden also nie mitten in der Nacht von einem Stiftungsrat geweckt?

Nein, ich habe auch in dieser Zeit immer gut geschlafen. (lacht) Allerdings weiss der Anlageausschuss, wie unser Frühwarnsystem funktioniert. Sobald bestimmte Limiten erreicht werden, muss er im Voraus festgelegte Massnahmen in Kraft setzen. Dazu ist es aber nie gekommen.

Wie hat Sie UBS bei der Information der verantwortlichen Gremien unterstützt?

Ich bin sehr froh über die empfängergerecht aufbereiteten Reports. Das erspart mir viel Arbeit, weil ich die monatlichen Übersichten für den Stiftungsrat oder die Wochenreports für den Anlageausschuss nicht selbst zusammenstellen muss. Und der Asset Wizard liefert mir aktuelle Informationen über das Anlageportfolio. Auch das ist ein wichtiger Aspekt der Governance. Denn ich sehe sofort, wenn im Anlagereglement definierte Bandbreiten verletzt werden.


Ich hoffe, dass UBS weiterhin so innovativ bleibt.

Wie war es für Sie, als UBS auf Homeoffice umstellte?

Das funktionierte absolut reibungslos. Und das ist wirklich bemerkenswert. Meine Kontaktpersonen blieben jederzeit erreichbar und konnten mir auch aus dem Homeoffice jede gewünschte Information liefern. Es gibt wohl nicht viele Schweizer Banken mit einer dermassen leistungsfähigen IT-Infrastruktur. Das verdient Anerkennung, denn die Kosten waren sicher erheblich. Während der Krise hat sich aber gezeigt, dass dieses Geld gut investiert war. Ich hoffe, dass UBS weiterhin so innovativ bleibt. Auch mit der Beratung und Unterstützung durch meine Berater bin ich sehr zufrieden. Und ich schätze es, dass UBS auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingeht.

Was für Bedürfnisse meinen Sie?

Ich habe zum Beispiel angeregt, den bestehenden Private-Equity-Report grafisch und inhaltlich im Asset Wizard zu integrieren. Ob das möglich sein wird, weiss ich noch nicht. Aber man hat mich explizit nach meinen Wünschen und Verbesserungsvorschlägen gefragt. Auch das ist nicht selbstverständlich.

Welche drei Erkenntnisse ziehen Sie aus der Corona-Krise im März 2020?

Man muss seine Hausaufgaben machen, das Undenkbare denken und man muss überlegen, wie man reagieren soll, falls das Undenkbare dennoch eintritt. Die wichtigste Hausaufgabe besteht in einer regelmässigen und gründlichen ALM-Analyse als Basis für die Anlagestrategie. Das ist überlebenswichtig. Zweitens muss man dann das Portfolio konsequent der neuen Strategie anpassen. Und drittens gehört Selbstdisziplin unbedingt dazu – Strategie und Bandbreiten müssen überwacht und Beschlüsse konsequent umgesetzt werden. Auf alles andere habe ich keinen Einfluss.

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