Zürich, 27. April 2020 – Der Ausblick für die Schweizer Konjunktur ist so unsicher wie selten zuvor. "Die Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus hat zur ersten staatlich angeordneten Rezession der modernen Wirtschaftsgeschichte geführt", so Daniel Kalt, Chefökonom UBS Schweiz, in der neuen Ausgabe des UBS Outlook Schweiz. Er erwartet im Jahr 2020 einen Einbruch des Schweizer Bruttoinlandsprodukts um 4,6 Prozent.

Der Fokus der Wirtschaftspolitik muss nun darauf liegen, die Grundlagen für eine rasche Erholung zu schaffen. Gelingt dies, kann ein Teil des jetzt entstehenden wirtschaftlichen Schadens kompensiert werden. Andernfalls dürften die bleibenden Schäden beträchtlich sein. Solche entstehen in der Regel nicht durch kurze, tiefe Rezessionen, sondern durch langanhaltende Krisen. Während sich die Schweiz von der Finanzkrise 2009 rasch erholte, führte die Immobilienkrise anfangs der 1990er-Jahre zu einem verlorenen Jahrzehnt für die hiesige Wirtschaft. Wie die aktuelle Rezession dereinst beurteilt wird, hängt entscheidend von der Antwort der Wirtschaftspolitik ab. Mit der Ausweitung der Kurzarbeitsentschädigung sowie den via Banken an Tausende von KMU gewährten Überbrückungskrediten hat der Bund zu wirksamen Instrumenten gegriffen und damit den Grundstein für einer Erholung der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte gelegt.

Gratwanderung zwischen Wiederaufflammen der Epidemie und zu langem Zögern

Die schwierigste Aufgabe steht dem Bundesrat allerdings noch bevor. Fährt er die getroffenen Massnahmen zur Eindämmung des Virus zu rasch zurück, riskiert er ein Wiederaufflammen der Epidemie. Zögert er zu lange, dürfte manches Unternehmen trotz Überbrückungskrediten die Krise nicht überstehen. In einem Land, wo der Dialog zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zur DNA gehört, kann diese Gratwanderung gelingen. "Wenn ein Land diese Krise meistern kann, dann die Schweiz. Wir erwarten, dass die Erholung der Schweizer Wirtschaft im zweiten Halbjahr einsetzt und 2021 der Aufschwung zu 3,9 Prozent BIP-Wachstum führt", sagt Daniel Kalt.

Kalt wagt auch den Blick über das Jahr 2021 hinaus: "Die Coronakrise wird kaum neue Trends auslösen, vielmehr wird sie die bestehenden Entwicklungen verstärken – sie kann ein Katalysator für den Strukturwandel sein." Die erfolgreichen Branchen der letzten Jahre – die Pharmaindustrie, die Gesundheitsbranche und die Informationstechnologie – leiden kaum unter der Krise. Währenddessen büssen die bisherigen krisenanfälligen Branchen Tourismus, Gastronomie und Detailhandel in der Rezession massiv an Substanz ein. Der Strukturwandel in der Schweizer Wirtschaft dürfte damit in den kommenden Jahren deutlich an Fahrt gewinnen.

Unternehmen arrangieren sich mit starkem Franken

Mit der raschen und starken Reaktion der Fiskalpolitik ist die Geldpolitik in den Hintergrund gerückt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt heute mit verschiedenen Massnahmen die Geschäftsbanken bei der Gewährung von Überbrückungskredite. "Eine Zinssenkung wäre hier wenig hilfreich", meint UBS-Ökonom Alessandro Bee. "Wenn nicht die EZB unerwartet die Zinsen senkt oder der Euro gegen Parität tendiert, dürfte die SNB ihren Leitzins in den kommenden Quartalen bei -0,75 Prozent stabil halten."

Längerfristig dürfte der Ausblick für die SNB ein unsicher sein: Es stellt sich die Frage, ob ihre Geldpolitik über den Wechselkurs wieder die dominante Stellung in der Schweizer Wirtschaftspolitik des letzten Jahrzehnts einnimmt. Die Devisenmarktinterventionen könnten der Nationalbank von Seiten des US-Finanzministeriums den Vorwurf einer Währungsmanipulatorin einhandeln. Hinzu kommt, dass die gegenwärtige Geldpolitik langsam, aber sicher an ihre Grenzen stösst, denn der Spielraum für Zinssenkungen ist beschränkt.

Für die aktuelle Ausgabe des UBS Outlook Schweiz wurden 811 Unternehmen in der Schweiz, die im Aussenhandel tätig sind, befragt. Die Resultate zeigen, dass die Firmen Wege gefunden haben, bis zu einem gewissen Grad mit einem starken Franken zu leben, beispielsweise durch das "natural hedging". Alessandro Bee: "Der Kampf gegen den starken Franken bleibt im kommenden Jahrzehnt ein wichtiges Thema der Nationalbank – wahrscheinlich aber nicht mehr so bedeutend wie im letzten."

Ein Wermutstropfen bleibt: Die Unternehmensumfrage zeigt auch, dass die ausländische Konjunktur für die Firmen wichtiger ist als der Wechselkurs. Während sich die SNB gegen eine Aufwertung des Frankens wehren kann, ist sie gegen einen globalen Konjunktureinbruch machtlos. Einen solchen Einbruch erleben wir gerade.

UBS Wirtschaftsprognosen Schweiz

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Kontakt

Daniel Kalt
Chefökonom UBS Schweiz
Tel. +41-44-234 25 60
daniel.kalt@ubs.com

Alessandro Bee
Ökonom, UBS Chief Investment Office Global Wealth Management (CIO GWM)
Tel. +41-44-234 88 71
alessandro.bee@ubs.com