Vermögen Was ist geschlechtsspezifisches Vermögen und warum ist das wichtig?

Die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen und die Frauen zu stärken, ist das fünfte der 17 Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDGs, Sustainable Development Goals) bis 2030. Laut einem kürzlich erschienenen Bericht des Weltwirtschaftsforums könnte es rund 83 Jahre dauern, bis grundlegende geschlechtsspezifische Unterschiede aus der Welt geschafft sind. Ein wichtiger Treiber der Veränderung könnte das geschlechtsspezifische Vermögen sein – die Mobilisierung des privaten Vermögens für die Gleichstellung der Geschlechter weltweit.

Laut WEF haben Frauen gerade mal 59 Prozent der wirtschaftlichen Chancen und Partizipationsquoten, von denen ihre männlichen Kollegen weltweit profitieren. Auch der Rechtsschutz von Frauen ist noch unterentwickelt, da die Frauen in einigen Ländern kaum Zugang zu Land, Finanzdienstleistungen oder Erbschaften haben. Dennoch wurden für die Themen, verbunden mit dem fünften nachhaltigen Entwicklungsziel, bisher nur wenige finanzielle Mittel eingesetzt. So erhielten diese Entwicklungsthemen laut AidData zwischen 2000 und 2013 nur 2,6 Prozent der Spenden, die für alle SDG-bezogenen Themen gesammelt werden konnten. Innerhalb des Privatvermögens kann ein Grund dafür sein, dass nur 2 Prozent der Vermögensverwalter Frauen als eine eigenständige Gruppe mit spezifischen Interessen behandeln und betreuen, wie die Analyse von UBS Unique und BCG zeigt.

Das neue Whitepaper von CIO zeigt, dass das fünfte nachhaltige Entwicklungsziel von einer systematischen und koordinierten Unterstützung durch Privatpersonen profitieren könnte. Dies trifft insbesondere in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Bildung und Networking sowie geschlechtsspezifische Anlagen und Philanthropie zu.

Mutterschaftsvorsorge, Teilung der Haushaltsarbeit und MINT-Bildung

Dieser Bericht empfiehlt für die Erreichung des fünften nachhaltigen Entwicklungsziels, dass sich wohlhabende Personen besonders auf drei Schlüsselbereiche konzentrieren, die für das Berufs- und Privatleben fast aller Frauen entscheidend sind: die Verbesserung der Mutterschaftsvorsorge, die Entlastung bei unbezahlter Hausarbeit und die verstärkte Beteiligung an der Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT). Die Frauen verbringen weltweit immer noch durchschnittlich 4,5 Stunden pro Tag mit unbezahlter Pflegearbeit, während es bei den Männern nur 2,2 Stunden sind. Ausserdem erzielen 30 Prozent der männlichen Absolventen MINT-Qualifikationen, die mit einer höher bezahlten Beschäftigung verbunden sind, während der Anteil bei den Frauen gerade mal 16 Prozent beträgt.

Die fünf Hauptaspekte des geschlechtsspezifischen Vermögens – Politik, Wirtschaft, Anlagen, Spenden und Bildung – können in diesen drei Kernbereichen eine Rolle spielen. Privatpersonen können Politik- und Aufklärungskampagnen durchführen, die Themen wie den Bestimmungen des Mutterschaftsurlaubs, bezahlbarer Kinderbetreuung und MINT-Studien für Frauen gewidmet sind. Darüber hinaus können sie philanthropische Zuschüsse gewähren. Sie können auch versuchen, sicherzustellen, dass sich ihre eigenen Organisationen oder Unternehmen in diesen Bereichen an akzeptable Standards halten.

Im Hinblick auf ihre Anlagen können Einzelpersonen ihre börsenkotierten Aktienportfolios auf Unternehmen ausrichten, die einen grösseren Anteil an weiblichen Führungskräften haben. Es wurde festgestellt, dass ein grösserer Anteil weiblicher Führungskräfte und Direktorinnen im Allgemeinen mit höheren Renditen korreliert. Während Frauen in Führungspositionen nicht unbedingt die direkte Ursache für Outperformance sind, kann das Geschlechterverhältnis ein zuverlässiger Indikator für Unternehmen sein, die eine bessere Performance aufweisen.

Im Bereich der wirkungsvollen Investitionen, die darauf abzielen, eine additive, messbare soziale Wirkung und eine überzeugende Rendite zu erzielen, gibt es Möglichkeiten für bezahlbare Kinderbetreuung und MINT-Bildung. Diese werden aber wahrscheinlich nicht ausreichen, um eine breite Palette an erfolgreichen, zweckgebundenen Fonds zu generieren. In vielen Fällen werden Investoren – vor allem sehr vermögende Privatpersonen mit der Fähigkeit, ihre eigenen Solo- oder Clubgeschäfte zu tätigen – wahrscheinlich solche Wege selbstständig gehen müssen.

Weibliche Führungskräfte

Politik- und Aufklärungskampagnen (d.h. Sensibilisierungskampagnen) und damit verbundene Spenden sind unerlässlich, um den Anteil der Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Der Frauenanteil in der Politik und bei der Entscheidungsfindung ist in den meisten Ländern der Welt noch gering. Laut dem UN-Women-Bericht 2015 sind Frauen in der Regel von hohen Führungspositionen in der Regierung ausgeschlossen. Weltweit liegt der Frauenanteil unter den Regierungsmitgliedern bei fast 18 Prozent, wobei Frauen in der Regel Ämter innehaben, die sozialen Fragen gewidmet sind. Die Einführung von Frauenquoten in Ländern wie Deutschland hat dazu beigetragen, das politische Empowerment von Frauen zu verbessern. Mit knapp 30 Prozent ist der Frauenanteil aber nach wie vor noch zu gering.

In der Privatwirtschaft können Einzelpersonen die weibliche Führung durch Mentoring und durch die Erhöhung der Anzahl weiblicher Führungskräfte in ihren eigenen Unternehmen und Organisationen fördern.

Wirtschaftliche Gleichstellung

Die Führungsungleichheit spiegelt sich nicht nur im politischen Bereich wider, sondern auch auf einer alltäglicheren wirtschaftlichen Ebene. In vielen Ländern werden die Frauen nach wie vor diskriminiert beim Versuch, Zugang zu Finanzdienstleistungen und Eigentumsrechten zu erhalten. Aufseiten der Politik sowie der Bildung/Sensibilisierung wird die Förderung der Prozesskostenhilfe, insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen, in Bezug auf Landrechte und Sozialschutzleistungen dazu beitragen, die Unterschiede zu verringern.

Auf der Spender-, Geschäfts- und Anlageseite fördert die Subventionierung oder Bereitstellung von Krediten und Finanzdienstleistungen die wirtschaftliche Unabhängigkeit und die Eigenverantwortung von Frauen. Die Grameen Bank in Bangladesch bietet langfristige Kredite für den Kauf von Wohnungen und Grundstücken an, wenn diese auf den Namen von Frauen registriert sind. Dadurch wird innerhalb des Haushalts Sicherheit und Eigentum gewährleistet. Auf der Anlageseite handelt es sich jedoch in der Regel um direkte, von einzelnen Fällen abhängige Opportunitäten. Diese reichen vermutlich nicht aus, um einen ausreichend zuverlässigen Fluss zu generieren, der zu einer breiten Palette an erfolgreichen Spezialfonds oder ähnlichen Instrumenten führt.

Gemäss dem UBS-Whitepaper für das WEF 2017 sind Netzwerke und Gemeinschaften nach wie vor entscheidend dafür, wie die Reaktionen auf sämtliche UN SDGs koordiniert und genutzt werden. Laut Whitepaper führen diese nämlich das private Vermögen und andere Inputs zusammen. Zu den aktuellen Beispielen im Bereich Anlage und Philanthropie gehört die vorgeschlagene WEF Young Global Leader Initiative Align17, eine SDG-orientierte Plattform, an der die Gates Foundation, PwC, die SDG Philanthropy Platform und andere potenzielle Stakeholder Interesse bekundet haben.

Angesichts der Wichtigkeit dieses Bereichs sollten Privatpersonen die Möglichkeiten nutzen, SDG-5-bezogene Netzwerke aufzubauen, die geschlechtsspezifisches Vermögen mit Politik, Bildung und Wirtschaft sowie Philanthropie und Anlagemöglichkeiten verbinden können. Vernetzte Organisationen wie die Womensphere Foundation und iamtheCODE haben zum Ziel, Frauen und Mädchen berufliche Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Solche Organisationen vernetzen sich auch zunehmend über Initiativen wie die Global Visionaries Community von UBS.

Neben der Verknüpfung von geschlechtsspezifischem Vermögen und anderen Ressourcen mit relevanten Möglichkeiten tragen Netzwerke auch dazu bei, Daten zum SDG 5 zu sammeln, zu bündeln und zu veröffentlichen. Gemäss den fehlenden Datenpunkten auf regionaler Seite dieses Berichts sind relevante Informationen nicht immer verfügbar und können auch nicht vollständig erfasst werden, insbesondere bei hochsensiblen Themen wie geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Missbrauch. Netzwerke können dazu beitragen, Unternehmens-, Anlage- und sogar Regierungsangaben zu SDG 5 zu standardisieren, was dazu beiträgt, Lücken zu identifizieren und zusätzliche Ressourcen für relevante Ziele der SDG zu mobilisieren.

Zusammenfassend gibt es viele Möglichkeiten, wie geschlechtsspezifisches Vermögen einen Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Stärkung der Frauen leisten kann. Wenn Privatpersonen jedoch allein handeln, statt die Arbeit anderer zu verbinden und zu nutzen, wird das geschlechtsspezifische Vermögen nicht das Ausmass haben, das für die Erreichung des Ziels bis 2030 erforderlich ist. Durch die Unterstützung der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele – mittels Partnerschaften für die Ziele – durch Vernetzung und Zusammenarbeit kann das geschlechtsspezifische Vermögen einen viel grösseren Schritt in Richtung der Erfüllung des fünften nachhaltigen Entwicklungsziels machen. Zudem können Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Agenda bis 2030 und darüber hinaus eruiert werden.