Robert B. Wilson

Können Auktionen einen fairen Wettbewerb garantieren?

Robert Wilson ist ein Wirtschaftswissenschaftler wie wenige andere, auch wenn er sich ursprünglich gar nicht in diesem Bereich betätigen wollte. Er studierte Mathematik und Philosophie und besuchte eine Business School. Erst im Alter von 40 Jahren beschloss er, ein Sabbatjahr einzulegen und es im Bereich der Wirtschaftswissenschaften zu verbringen, was letztendlich zu einer Vollzeitbeschäftigung in diesem Gebiet führte. Auch wenn sein Weg in die Wirtschaftswissenschaften nicht geradlinig verlief, hat seine Arbeit zu den Themen Marktdesign, industrielle Organisation, Spieltheorie und Auktionen das Verständnis für Gruppenverhalten und die Anwendung von Verfahren wie Lotterien grundlegend verändert.

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Robert B. Wilson

Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, 2020 (anteilig)

Auf einen Blick

Geboren: 1937, Geneva, USA

Feld: Spieltheorie

Ausgezeichnet: Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, 2020 (anteilig)

Ausgezeichnetes Werk: Verbesserung der Auktionstheorie und Erfindung neuer Auktionsformate

Samstagmorgen-Tradition: Als Kind verbrachte er viele Wochenenden auf Viehauktionen und verfolgte, wie Landwirte Vieh kauften oder verkauften

Herunterfahren und neu aufladen: In der Natur ist er am liebsten, wenn er mal abschalten will und eine andere Perspektive braucht

Schnappschuss: Videomaterial, das Wilson dabei zeigt, wie er seinen Mitstreiter Paul Milgrom aufweckt, um ihm die Nachricht von ihrem Sieg mitzuteilen, wurde von der Sicherheitskamera in Milgroms Haus aufgenommen und verbreitete sich viral, nachdem es von einer Stockholmer Zeitung veröffentlicht worden war

Private Informationen als strategisches Mittel nutzen

Wilson hatte sich schon lange damit beschäftigt, welche Rolle Informationsasymmetrien bei strategischem Verhalten spielen. Wenn Menschen bzw. Firmen gegensätzliche Interessen haben und Ungewissheit existiert, wie können da Systeme so konzipiert werden, dass sie zwar den Wettbewerb fördern, aber dennoch fair und effizient sind? Die Spieltheorie wurde für Wilson zum perfekten Modell, um diese Art von Fragen zu untersuchen.

„Es handelt sich bei der Spieltheorie einfach nur um eine Situation mit mehreren Personen, deren Entscheidungen in gewisser Weise zusammenwirken”, sagt Wilson. „Das Hauptmerkmal ist das strategische Verhalten, bei dem die Menschen nicht nur die unmittelbaren Folgen ihrer Entscheidungen bedenken, sondern auch wie andere Menschen reagieren und wie sie auf das reagieren werden, was andere tun. Wenn also eine dynamische Struktur besteht, dann gibt es all diese Möglichkeiten, dass es entweder zu einem Konflikt mit schlechtem Ausgang für beide Parteien oder mit gutem Ausgang für beide Parteien kommt. Und das ist ein grosser Teil dessen, was wir untersuchen möchten, nämlich warum einige Situationen zu schlechteren Ergebnissen und andere zu besseren Ergebnissen führen.”

Wilson ergänzte die wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten seiner Vorgänger, indem er die Funktionsweise von Märkten neu analysierte und Geld aus der Gleichung gänzlich eliminierte. Er untersuchte dabei bereits so genannte Matching Märkte – die Alvin Roth später den Nobelpreis bescheren sollten – und die Rolle, die private Informationen spielen.

„Früher glaubten Wirtschaftswissenschaftler, nicht einmal formulieren zu können, wie ein Markt ohne Geld funktionieren würde”, meint er. „Dabei geht es nicht unbedingt um eine Umstrukturierung der gängigen Wirtschaftstheorie, sondern vielmehr darum, sie mit der Spieltheorie und der Analyse von strategischem Verhalten zu kombinieren.”

Er hat sich dies zur Lebensaufgabe gemacht und setzt kleine, ansonsten irrelevante Teile zusammen, um neue Methodologien zu entwickeln, die unsere Sicht auf Märkte und bestimmte Umsetzungen verändert. Die Auktionstheorie entwickelte sich schliesslich zu einem zentralen Bestandteil davon.

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Wie sich Marktdesign aus der Spieltheorie entwickelte

Die Chancen verändern

Mit seinem Wissen zu Spieltheorie und strategischem Verhalten fand Wilson in Auktionen die ideale Struktur für seine Forschung. Während sich damals ein Grossteil der Wirtschaftstheorie auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage als Gleichung zur Bestimmung der Preise konzentrierte, untersuchte Wilson, was auf den unterschiedlichen Märkten vor sich ging. Er wollte herausfinden, wie sie funktionieren und wie die Spielregeln aussehen.

„In Preisen sind so viele Informationen versteckt”, sagt er. „Die Wirtschaft im Allgemeinen ist ein Informationssystem, das den Leuten empfiehlt, hier zu investieren und das zu kaufen, indem es ihnen vorgibt, wie viel etwas wert ist. Auktionen sind das Mittel, mit dem solche Preissignale gebildet werden, und eine Möglichkeit, Transaktionen durchzuführen.”

Die Wirtschaft im Allgemeinen ist ein Informationssystem, das den Leuten vorgibt, wie viel etwas wert ist.

Zwar seien Auktionen dazu gedacht, den Wettbewerb auszunutzen, doch wenn sie richtig konzipiert seien, könnten sie einen fairen Wettbewerb fördern, so Wilson.

„In den Köpfen vieler Menschen ist eine Auktion der Inbegriff von Fairness”, meint er. „Eine Auktion vollzieht sich in bestimmten Regeln, die auf fast jede Situation übertragen werden können. Wenn die Teilnehmer also erscheinen, wissen sie, was sie zu tun haben, sie können ihre Gebote bzw. Angebote abgeben, und die Geschäftsabwicklung ist klar definiert.”

 

Die Auktionstheorie

Gemischte Modelle und der Fluch des Gewinners

Wilson begann nach Branchen zu suchen, bei denen er eine Möglichkeit sah, die durch Informationsasymmetrie bedingte Ineffizienz mit Hilfe von Auktionen zu beseitigen. Besonders eine Arbeit der Harvard Business School, die sich mit Ölexploration beschäftigte, weckte sein Interesse. Das US-Innenministerium nutzte Auktionen für die Vergabe von Ölpachtverträgen, doch das Auktionssystem bevorzugte in grossem Umfang jene Unternehmen, die bereits Bohrungen in der Vergangenheit durchgeführt hatten, gegenüber Neubewerbern, die erstmalig an dem Bieterverfahren teilnehmen wollten.

„Ich entwickelte ein Modell, das den so genannten Fluch des Gewinners erklärt”, merkt Wilson an. „Bei dem Modell neigt der Bieter, der den Wert am höchsten einschätzt, dazu, den Zuschlag zu erhalten, und wenn er nicht erkennt, dass er den Wert zu hoch angesetzt hat, könnte er Geld verlieren.”

Aufgrund seines Modells zum „Winner’s Curse” wurde das US-amerikanische Innenministerium auf ihn aufmerksam und bat ihn um Unterstützung bei der Ausarbeitung eines Konzepts zur Umgestaltung der Auktionen auf Grundlage der Spieltheorie. Wilson konzentrierte sich auf den so genannten gemeinen Wert, der für alle Parteien gleichermassen zutrifft. In diesem Fall war dies der Preis, zu dem Unternehmen Öl oder Gas verkaufen konnten. Ihre Kosten für Bohrungen bzw. für die Extraktion können sich je nach Equipment, Personal und weiteren Faktoren unterscheiden, allerdings stellte Wilson einzelne gemeinsame Elemente heraus, die während des Bieterverfahrens weitgehend unbeachtet blieben.

„Es gibt verschiedene indirekte Mittel zur Kostenschätzung, so dass es ein Modell erfordert, welches die Tatsache einbezieht, dass so genannte private Faktoren existieren”, sagt er. „Es gibt spezifische Aspekte und gemeinsame Faktoren, die zwar nicht beachtet werden, aber dennoch zu berücksichtigen sind.”

Mit seiner Arbeit schuf Wilson ein neues Lizenzmodell für die Öl-, Gas- und Mineralienexploration, welches ein Grundmodell in Teilen der Auktionstheorie wurde.

Es erfordert ein Modell, welches private Faktoren einbezieht. Es gibt spezifische Aspekte und gemeinsame Faktoren, die zwar nicht beachtet werden, aber dennoch zu berücksichtigen sind.

Ölpachtverträge und der Fluch des Gewinners

Aufruf zu einer neuen Auktion

Mitte der 1980er Jahre arbeitete Wilson zusammen mit seinem Mentee Paul Milgrom an dem Thema Auktionsdesign. In dieser Zeit gewannen auch die Mobiltelefone an Popularität. Allerdings verlief die Einführung dieser neuen Technologie in den USA wesentlich langsamer als in Europa, was vor allem an dem Lizenzvergabeverfahren durch die Federal Communications Commission (FCC) lag. Bei der Lizenzvergabe für Funkfrequenzen, die vor der Einführung von Mobilfunkdiensten hauptsächlich genutzt wurden, hielt die FCC Vergleichsanhörungen zwischen zwei vielversprechenden Anbietern ab und versuchte so zu beurteilen, welcher dem öffentlichen Interesse am besten dienlich sein könnte. Als bei der FCC Hunderte von Anträgen von Unternehmen eingingen, die Lizenzen für den Betrieb von Mobilfunkdiensten beantragen wollten, konnte sie das zeitaufwändige und legalistische Verfahren, das bis dahin praktiziert wurde, nicht mehr beibehalten.

„Die Unternehmen behaupteten, dass sie das Spektrum am besten nutzbar machen könnten, aber man braucht eine verlässliche Methode, um das beurteilen zu können”, sagt Wilson. „Es ist für eine Regulierungsbehörde sehr schwer, die technischen Fähigkeiten dieser Mobilfunkanbieter zu beurteilen, denn die meisten Menschen wussten damals nicht einmal, wie Mobiltelefone funktionieren. Selbst die Unternehmen wussten noch nicht, wie sie den Mobilfunkdienst implementieren würden, mit welcher Technologie und nach welchen Standards.”

Die FCC erhielt die Genehmigung vom Kongress, ein Ausschreibungsverfahren für die Lizenzvergabe einzusetzen, und nahm Vorschläge an, wie die entsprechende Ausschreibungsstruktur aussehen könnte.

„Natürlich gaben die professionellen Auktionshäuser an, dass man das Ganze an einem Tag erledigen könne. Sie könnten alle fünf Minuten eine Lizenz verkaufen, wenn sie den Zuschlag erhielten. Zack, zack, zack”, meint Wilson. „Und die Wirtschaftswissenschaftler sagten dazu: 'Nein, es wird sechs Monate dauern, um sie zu verkaufen. Wir werden sie langsam auf den Weg bringen. Wir werden ein sehr komplexes Auktionsmodell einsetzen.'“

„Paul Milgrom und ich haben zusammengearbeitet, und unser Konzept nennt sich simultane Mehrrundenauktion“, führt er fort. „Somit werden alle Lizenzen simultan mit aufsteigenden Preisen versteigert, wobei ein wesentliches Merkmal darin besteht, dass die Auktion erst dann endet, wenn alle Lizenzen vergeben worden sind. Eine weitere Bestimmung, die so genannte Aktivitätsregel, zwingt die Teilnehmer, sich weiterhin auf eine Weise zu beteiligen, die mit bestimmten Präferenzen verbunden ist. Wir bezeichnen diese als offene Präferenzen, damit eine gewisse Strategie vermieden wird, die umgangssprachlich als ‘Snake-in-the-Gras’-Strategie bezeichnet wird. Die Teilnehmer müssen ihre Zahlungsbereitschaft frühzeitig zum Ausdruck bringen.”

Die FCC entschied sich schliesslich für das Konzept von Wilson und Milgrom und realisierte es, womit die beiden ihren Platz unter den einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftlern der Welt festigten.

Die FCC Frequenzspektrum-Auktion

Eine herausragende Führungspersönlichkeit

Schliesslich erhielt Wilson für die Verbesserung der Auktionstheorie und die Erfindung neuer Auktionsformate den Nobelpreis zusammen mit Paul Milgrom, aber er war auch Lehrer und Mentor von Alvin Roth und Bengt Holmström, die beide ebenfalls mit dem Preis ausgezeichnet wurden. Bei der Frage, was er in den Unterricht einbringt, um seine Studierenden zu inspirieren, in seine Fussstapfen zu treten, bleibt er hingegen bescheiden.

„Ich bin kein sehr guter Lehrer”, behauptet er. „Allerdings kann ich mit Doktoranden besser interagieren, da ich an Ideen interessiert bin. Doktoranden begeistern sich für die Forschung und für Ideen. Daher haben wir die gleiche intellektuelle Neugier, und das ist es, was ich zu bieten habe: eine grosse intellektuelle Neugier. Ich interessiere mich für eine Vielzahl theoretischer Themen, und für mich ist es wichtig, sie zu unterstützen, was mir sehr viel Freude bereitet.”

„Ich werde manchmal gefragt, wieso so viele meiner Studierenden so erfolgreich geworden sind. Und ich glaube, es liegt einfach daran, dass wir sehr gute Studierende haben, die mit der richtigen Unterstützung und Stimulation äusserst produktiv werden.”

Bei aller Bescheidenheit, der Einfluss von Wilsons Karriere auf die Wirtschaftswissenschaften insgesamt und auf zahlreiche Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger, die er im Laufe seiner Karriere inspiriert hat, sind unbestreitbar.

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