Myron S. Scholes

Nobelpreis 1997 | Was ist die Zukunft der Finanzglobalisierung?

Seit der Entwicklung des Black-Scholes-Optionspreismodells zusammen mit seinem guten Freund Fischer Black und seinem Nobelpreiskollegen Robert Merton gehört Myron Scholes zu den führenden Finanzwissenschaftlern weltweit. Vielleicht eine zwangsläufige Entwicklung, da Scholes, mit Unterstützung seiner Eltern, bereits als Teenager mit Wertpapieren und Aktien handelte. Zweifelsohne war es diese Grundlage, die zur Entwicklung eines mit dem Nobelpreis ausgezeichneten und weit verbreiteten Modells zur Bewertung von Optionen führte.

Während andere darüber streiten, ob Roboter unsere Arbeitskraft künftig grösstenteils überflüssig machen werden, ist sich Scholes sicher, dass sich aus diesen tiefgreifenden Veränderungen neue Investmentmöglichkeiten ergeben und dass künftige Generationen von diesen Fortschritten profitieren werden. Der kanadisch-amerikanische Ökonom setzt sich für eine «One-World Future», eine Welt ohne Grenzen ein. Seiner Vorstellung nach wird es in Zukunft keinen Platz für «wir gegen die anderen» geben, sondern einen Ort, an dem Möglichkeiten jedem gleichermassen offenstehen.

Myron S. Scholes

Myron S. Scholes

Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, 1997

Auf einen Blick

Geboren: 1941, Timmins, Kanada

Fachgebiet: Finanzökonomie

Ausgezeichnetes Werk: Die Black-Scholes-Formel, eine Bewertungsmethode für Derivate

Sein Hobby als Teenager: Handel mit Pennystocks für Gold und Silber, gemeinsam mit seiner Mutter

Das Schlimmste am Nobelpreis: Der Limousinenservice und die Polizeieskorte sind zeitlich doch sehr begrenzt

Ratschlag fürs Leben: Gehe dahin, wo die Besten sind, gehe mit den Besten, stiehl Ideen von den Besten und lerne mit den Besten. Aber um mit den Besten zu gehen, musst du auch einer der Besten sein

Ein Mann der Zukunft

In den meisten Situationen beweist Scholes, dass er ein cooler Typ ist. Er verlässt sein Büro nie ohne seine Sonnenbrille, was allerdings auch notwendig ist, weil er als Kind unter einer Augenkrankheit litt und daher heute besonders lichtempfindlich ist. Erhält er ein Kompliment für sein stilsicheres Auftreten, hebt er spielerisch die Augenbrauen, als wollte er damit sagen «Yeah, Baby».

Scholes ist ein eloquenter Redner. Er nimmt sich Zeit, um Dinge genau zu erklären, und zwar nicht nur seine Erkenntnisse über die Finanzmärkte, sondern bei allem, über das er spricht. Als Mann der Zukunft sind seine aktuellen Lieblingsthemen die Zukunft der Finanzanlagen und Roboter.

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Roboter werden nicht intelligenter

Die Medien sind gut gefüllt mit Debatten über künstliche Intelligenz. Zum Teil werden diese Debatten von der Befürchtung angetrieben, dass KI uns nicht nur die Arbeitsplätze wegnehmen, sondern sogar die Menschheit insgesamt überflüssig machen könnte. Scholes lacht darüber und sagt, «Roboter werden nicht immer intelligenter, sie werden immer dümmer!» Er geht davon aus, dass die von Menschen gemachte Technologie auf ein sehr grundlegendes Niveau beschränkt bleiben wird, so dass wir sie nur individualisieren können, wenn wir zum Beispiel ein Mobiltelefon in das Gehirn des Roboters einbauen. «Cloud Computing ermöglicht es der Software, die Arbeitsweise des Roboters zu ändern, so dass er verschiedene Funktionen ausführen kann», sagt er. «Das erhöht die Flexibilität und senkt dadurch die Kosten für seinen Betrieb.»

Flexibilität. Mut zur Veränderung. Das sind Begriffe, die Scholes beinahe exzessiv verwendet, wenn er über die Zukunft spricht. Termine über Cloud Sharing buchen, flexibel von überall auf der Welt aus arbeiten. Und spricht wirklich etwas dagegen, sein Traumhaus vor dem Kauf aus dem 3D-Drucker kommen zu sehen, wenn man es dadurch optimieren und individuell gestalten kann? Es wird schnell klar, dass Scholes nicht zu den Menschen gehört, die sich vor Robotern und neuen Technologien fürchten, sondern ganz im Gegenteil begeistert ist von den Chancen, die sie bieten.

Scholes erinnert sich an einen bedeutsamen Moment mit einem seiner «grossen Helden», Milton Friedman. Auf einer Asienreise beobachteten die beiden Ökonomen Bauern, die mit altmodischem Gerät im Feld arbeiteten. Während sich Friedman über die Rückständigkeit und Ineffizienz der Arbeit aufregte, war die Haltung von Scholes eindeutig: Ohne diese veralteten Technologien hätten die Bauern gar keine Arbeit. Scholes lacht, als er sich an die Reaktion von Friedman erinnert: «Warum gebt ihr den Leuten dann nicht einfach eine dieser Hacken, diese kleinen Schaufeln, dann könnt ihr wieder auf die ineffizienteste Art und Weise arbeiten und viele Leute einstellen!»

Warum die Menschen keine solche Angst vor Robotern haben sollten

Auch wenn er jetzt lacht, möchte Scholes nicht damit sagen, dass die Ängste der Menschen unbegründet wären. Unsere Gesellschaft ist dadurch dazu gezwungen, sich in ganz neuer Form zu engagieren. Das Weltwirtschaftsforum hat herausgefunden, dass 65 Prozent aller Kinder, die heute die Grundschule besuchen, einen Beruf ergreifen werden, den es noch nicht gibt und auf den sie durch ihre Ausbildung gar nicht angemessen vorbereitet sein werden. «Es geht nicht um die Angst vor Technologie», sagt Scholes mit grosser Dringlichkeit.

Wie können wir das Bildungssystem verändern, damit wir als Individuen produktiver werden können, damit wir die Roboter und die Technologie nutzen können, um die Dinge zu tun, die wir selbst nicht so schnell erledigen können?

Wird die Blockchaintechnologie die Finanzmärkte revolutionieren?

Scholes streicht heraus, dass das Internet, wenn es sich denn von der einfachen Übertragung von Informationen zu einer Übertragung von Werten entwickelt, ganz automatisch erhebliche Vorteile für die nächste Generation mit sich bringen wird. Je weniger Vertrauen die Leute aufgrund der letzten Finanzkrise in Finanzinstitute und Finanzanlagen haben, desto ausgeprägter könnte die Erschütterung durch eine bevorstehende digitale Entwicklung sein. Die Blockchaintechnologie könnte genau die Umwälzung bringen, auf die unsere Finanzsysteme gewartet haben. «Jeder von uns wird dann zu einer Vertrauensperson», sagt er. «Das Vertrauen wird durch die Überprüfung unserer Transaktionen entstehen, so wie wir jetzt schon vor einem Restaurantbesuch im Internet nachschauen, wie andere es bewertet haben.»

Blockchaintechnologie

Crowdsourcing. Eine Hoffnung? Ein Versprechen? Der notwendige Paradigmenwechsel, der eine neue Generation in die Lage versetzt, mit mehr Vertrauen zu investieren? Scholes zweifelt nicht daran, dass die Blockchaintechnologie einen enormen Unterschied machen wird, und nennt drei Gründe dafür, wie sie uns durch die Lösung alter Probleme Vorteile bringen wird.

«Zeit wird komprimiert», setzt er an. «Je schneller man etwas umsetzt, desto schwieriger wird es für die Leute, das System zu betrügen. Der zweite Grund ist, dass es immens wertvoll ist, Dinge zu schaffen, die individuell zugeschnitten sind. Der künftige Transfer von Werten zwischen Einzelpersonen wird es uns ermöglichen, die Dinge immer individueller zu gestalten, weil wir eine breitere Auswahl an Optionen und damit auch an Preisen haben werden.» Der dritte von ihm angeführt Grund ist die Flexibilität. «Auf den Einzelnen zugeschnitten», sagt er. «Je mehr Daten man zur Verfügung stellt, desto mehr Daten stehen zur Verfügung und desto mehr Einzelpersonen können teilnehmen. Je mehr Einzelpersonen teilnehmen, desto effizienter wird das Ganze.»

Müssen wir uns vor dem internationalen Handel und der Finanzglobalisierung fürchten?

Die Tatsache, dass die Menschen momentan Angst bekommen, wenn sie über internationale Finanzen und Globalisierung nachdenken, führt Scholes zu interessanten, ungewöhnlichen Fragen. Warum sprechen wir zum Beispiel immer von globalen Märkten und internationalen Finanzen, aber nicht von internationalen E-Mails? Sein Vergleich klingt zwar komisch, aber er verdeutlicht die Vorteile, die wir alle ganz selbstverständlich annehmen und dann gleich wieder vergessen, wenn wir über das Zusammenwachsen der Welt nachdenken. «Wenn ich jemandem in Deutschland eine E-Mail schreibe, denke ich nicht an eine internationale E-Mail, sondern einfach nur an eine E-Mail», sagt er, und bleibt optimistisch, dass eine Welt, die bisher durch Grenzen definiert war, zu einer gemeinsamen Welt wird, die sich über Transaktionen definiert.

Dabei ist er sich aber schon bewusst, dass nicht jeder von der Globalisierung, wie wir sie heute beobachten, profitieren kann. Diejenigen, die sich zurückgelassen fühlen, werden von extremistischen Parteien in Versuchung geführt, und ihre Wut wird zum Nährboden für Populismus. «Früher, als wir noch im Dorf lebten, haben wir einen Graben darum gezogen», sagt er. «Wir mussten keine Angst haben, weil der Graben uns geschützt hat. Aber leider kamen ab und zu fremde Truppen vorbei, die die ganze Stadt zerstörten. Wenn man denkt, man wäre geschützt, wenn man sich in seiner eigenen Welt isoliert, ist das ein Trugschluss, da man nie isoliert ist von den Kräften um einen herum.»

Warum sollten wir ein globales Finanzsystem willkommen heissen?

Die Analogie mit den Gräben ist möglicherweise eine Anspielung auf politische Kräfte, die für den Bau von Mauern eintreten, aber nach der Ansicht von Scholes bewegt sich die Welt eher in Richtung eines globalen Dorfes und eines globalen Austauschs von Wertpapieren und Wohlstand und nicht in Richtung einer «Wir gegen die anderen»-Strategie.

Sollten wir mehr auf die Leute auf dem Oberdeck achten?

Um das ursprüngliche Problem besser verständlich zu machen, bezieht sich Scholes auf einen Film, der zeigt, wie die Menschen sich darauf konzentrieren, wie es ihnen im Vergleich zu anderen geht. «Vor Jahren habe ich mir den Film Titanic angeschaut», sagt er. «Die Menschen auf dem Oberdeck tranken Champagner und lauschten der Musik, während die Leute in den unteren Decks ertranken oder versuchten, sich in Rettungsboote zu flüchten. Im Verhältnis zu den anderen waren die Menschen auf dem Oberdeck der Titanic besser dran, aber ihre Situation war alles andere als gut.»

In Bezug auf die Finanzwelt betont Scholes, dass es nicht um die Beziehung geht, die man zu Spitzenkräften der Finanzwelt unterhält, sondern darum, wie man sich in Bezug auf das Risiko, das man eingeht, verhält. «Die wichtigsten Risiken bei der Geldanlage liegen am Rande der statistischen Verteilung. Diese Risiken sind weniger wahrscheinlich, treten aber doch häufig genug ein, um die langfristigen Erwartungen zu beeinflussen», sagt er. Aus diesem Grund hat Scholes Optionsmärkte und Optionspreise genutzt, um zu verstehen, was uns der Markt über die zukünftige Verteilung von Risiken sagen kann und was uns hoffentlich bei künftigen Investmententscheidungen helfen kann.

Die sechs Funktionen des Finanzwesens

Black-Scholes-Formel: ein unverzichtbares Tool für Finanzmärkte

Das wesentliche Werk seiner akademischen Karriere ist das bereits erwähnte Black-Scholes-Optionspreismodell. In den frühen 1970er Jahren entwickelten Scholes und Black eine Formel zur Ermittlung des Barwerts einer Option.

Wir kamen zu dem Schluss, dass man eine Option bewerten kann, ohne wirklich zu wissen, wie hoch der erwartete Ertrag ist. Man musste nur die Volatilität oder Unsicherheit verstehen.

Es ist nicht sehr überraschend, dass die Arbeit, für die die Wissenschaftler den Nobelpreis erhielten, viele höchst anspruchsvolle mathematische Analysen enthält. Als die Methode einmal etabliert war, wurde klar, dass sich die Effizienz des Risikomanagements dadurch deutlich erhöhte und so der Schutz der Anlageportfolios besser gewährleistet werden konnte. Ihr Modell wird heute noch von Investoren auf der ganzen Welt genutzt.

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Wie die Formel die Finanzmärkte veränderte

Scholes ist sich sicher, dass der Finanzwirtschaft grosse Veränderungen bevorstehen, die auch ihre Funktionen mit einschliessen. Seiner Meinung nach wird durch die Cloud und Big Data als Antriebskräfte eine gerechtere Verteilung erreicht werden, von der wir alle profitieren können.

Er verlässt die Unterhaltung mit einem Lächeln, als wäre Zukunft ein Ferrari, in den er gleich hineinspringen wird. Durch Fehler, die er selbst auf seinem Weg gemacht hat, hat er gelernt, dass die wichtigste Lektion ist, dass man manchmal erfolgreich ist und manchmal nicht. Wir sind selbst dafür verantwortlich, dass wir aus diesen Erfahrungen lernen. Neue Abenteuer werden uns in jedem Fall bevorstehen. Scholes setzt seine schicke Sonnenbrille wieder auf und sagt: «Wissen Sie, so ist das Leben nun mal.»

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