Der Bundesrat hat den ersten Teil des revidierten Erbrechts am 1. Januar 2023 in Kraft gesetzt. Ziel war es, das Erbrecht auf die heutigen Bedürfnisse der Bevölkerung auszurichten. Im Vordergrund stand die Reduktion der Pflichtteile.

Der zweite Teil der Revision des Erbrechts legt den Fokus auf die Weitergabe von Unternehmen. Der Bundesrat hat hierzu einen Entwurf erlassen und am 10. Juni 2022 eine entsprechende Botschaft verabschiedet. Der Entwurf beinhaltet Massnahmen zur Beseitigung von Stolpersteinen. Im Wesentlichen geht es:

  • um die Möglichkeit einer Integralzuweisung des Unternehmens,
  • eines Zahlungsaufschubs bei Ausgleichszahlungen sowie
  • um Regeln zur Ermittlung des Anrechnungswerts und
  • zum Umgang mit Minderheitsanteilen.

Der Entwurf wird gegenwärtig in den eidgenössischen Räten diskutiert, jedoch ist noch nicht absehbar, wann bzw. ob und mit welchem Inhalt die Revision umgesetzt wird.

Im Interview erklärt Oliver Pscheid, Experte für Nachfolgeplanung bei UBS, was sich verändern könnte und worauf Unternehmerinnen und Unternehmer nun achten sollten.

Das Erbrecht ist im Wandel. Am 1. Januar 2023 trat eine Revision in Kraft, in welcher es insbesondere um die Reduktion von Pflichtteilen ging. Zurzeit wird in den eidgenössischen Räten eine Revision diskutiert, die die Unternehmensnachfolge im Erbrecht behandelt. Können Sie uns dazu bereits Genaueres sagen?

Oliver Pscheid: In der bereits in Kraft getretenen Revision des Erbrechts werden die Pflichtteilansprüche von Nachkommen reduziert und diejenigen der Eltern gänzlich gestrichen. Damit erhöht sich der Handlungsspielraum von Erblassern. Diese Änderungen sind für Unternehmerinnen und Unternehmer wichtig, weil eine Aufteilung des Unternehmens und eine Gleichbehandlung der Nachkommen sich in der Realität häufig als schwierig erweist.

Der zweite Pfeiler der Revision beinhaltet zum ersten Mal die Einführung eines eigentlichen Unternehmenserbrechts und soll es erleichtern, zu Lebzeiten oder im Erbfall ein Unternehmen zu übertragen. Dieses soll familieninterne Nachfolgeprozesse vereinfachen, zur Stabilität von Schweizer Unternehmen beitragen und Arbeitsplätze sichern.

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Was sind die Schlüsselelemente der Revision?

Oliver Pscheid: Aus der Perspektive von Unternehmerinnen und Unternehmern sind folgende Veränderungen im Erbrecht besonders relevant:

  1.  Integralzuweisung: Ein wichtiger Bestandteil des Revisionsvorhabens ist die sogenannte «Integralzuweisung» des Unternehmens. Diese kann dann zur Anwendung kommen, wenn beispielsweise die Besitzerin einer Firma verstirbt, im Testament keine Zuweisung der Firma festgelegt wurde und eine Erbin oder ein Erbe eine solche aber für sich verlangt. Durch die neue Möglichkeit der Integralzuweisung soll eine Zerstückelung oder, noch gravierender, eine Schliessung des Unternehmens verhindert werden.
  2. Zahlungsaufschub: Ein weiteres Element der Revision bezieht sich auf die Möglichkeit, beim Gericht einen Zahlungsaufschub für die Ausgleichung der übrigen Erben zu verlangen. Sofern diese, wie nach geltendem Recht, umgehend geschuldet ist, kann dies beim Erben, welcher das Unternehmen übernehmen möchte, zu schwerwiegenden Liquiditätsproblemen führen.
  3. Ermittlung des Anrechnungswerts: Weiter enthält die Vorlage neue Bestimmungen zur Ermittlung des Anrechnungswerts. Unter gewissen Bedingungen – insbesondere wenn der Eigentumsübergang lebzeitig geschieht – soll der Zeitpunkt der Übertragung und nicht mehr der Zeitpunkt des Erbgangs massgeblich sein. Übergibt ein Unternehmer seiner Tochter beispielsweise nach neuem Recht das Familienunternehmen, gilt unter bestimmten Voraussetzungen neu der Anrechnungswert zum Zeitpunkt des Übertrags und nicht mehr derjenige am Todestag des Vaters.
  4. Schutz von pflichtteilsberechtigten Erben: Schliesslich ist auch ein verstärkter Schutz der pflichtteilsberechtigten Erben vorgesehen. Damit soll vermieden werden, dass diesen ihre Pflichtteile gegen ihren Willen in Form von Minderheitsanteilen am Unternehmen zugewiesen werden. Dies zumindest dann, wenn eine andere Erbin oder ein anderer Erbe die Kontrolle über das Unternehmen hat. Konkret heisst das, dass pflichtteilsberechtigte Erben gegen ihren Willen keine Minderheitsanteile der Firma übernehmen müssen, sondern verlangen können, ihren Erbanteil in Form von anderen Vermögenswerten zu erhalten.

Was wäre ein konkretes Beispiel, bei dem eine Integralzuweisung angewendet wird?

Oliver Pscheid: Nehmen wir folgendes Beispiel: Ein Unternehmer hat drei Kinder und verstirbt, ohne ein Testament zu hinterlassen. Es besteht somit keine Regelung in Bezug auf die erbrechtliche Behandlung des Unternehmens. Nehmen wir weiter an, dass sich die Kinder im Rahmen der Erbteilung nicht einigen können. Ein Streitpunkt könnte beispielsweise sein, wer das Unternehmen übernehmen soll. Eine gemeinsame Übernahme scheint nicht möglich.

Die Vorlage sieht nun vor, dass eine Erbin oder ein Erbe sich ein im Nachlass befindliches Unternehmen «integral» zuweisen lassen kann. Durch die Integralzuweisung muss die Erbin oder der Erbe zumindest die Kontrolle über die Firma erhalten. In unserem Beispiel könnte es sein, dass alle Erben einzeln die Zuweisung verlangen. Für einen solchen Fall sieht der Entwurf vor, dass das Gericht entscheidet, wer am geeignetsten ist. Es ist auch denkbar, dass mehrere Erben eine gemeinsame Zuweisung wünschen. Klar ist jedoch, dass die Person, die sich das Unternehmen zuweisen lässt, die Miterben entsprechend entschädigen muss.

Trotz des möglicherweise in Kraft tretenden neuen Rechts: Ist es immer noch sinnvoll, dass zu Lebzeiten der Erblasserin oder des Erblassers und unter Mitwirkung der Erben eine Lösung für die Nachfolge gefunden wird?

Oliver Pscheid: Richtig, die Revision enthält – Stand heute – einfach zahlreiche Klärungen und Vereinfachungen für den Fall, dass das nicht passiert ist.

Eine gemeinsam im Voraus erarbeitete Lösung ist meines Erachtens immer die beste Lösung. Ein Beispiel: Zu welchem Wert müssen sich die übernehmenden Erben das Unternehmen anrechnen lassen? Die Bewertung von Sachwerten – seien dies Immobilien, Kunstgegenstände oder eben Unternehmen – stellt erfahrungsgemäss eine der grössten Herausforderungen bei Erbteilungen dar. Hier treffen häufig unterschiedliche Interessen aufeinander. Um entsprechende Konflikte zu vermeiden, ist es empfehlenswert, dass sich die beteiligten Personen gemeinsam über die Eckwerte einer lebzeitigen Firmenübernahme und deren Bewertungsgrundlagen einigen.

Aus zahlreichen Studien geht hervor, dass sich Unternehmerinnen und Unternehmer häufig schwer damit tun, die Unternehmensnachfolge zu planen. Was könnten Gründe dafür sein?

Oliver Pscheid: Auch wir beobachten, dass sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer mit dem Thema schwertun und die Unternehmensnachfolge oft aufschieben.

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Häufig geben Unternehmerinnen und Unternehmer an, nicht genügend Zeit zu haben, um sich mit ihrer Nachfolge auseinanderzusetzen. Manchmal fällt es ihnen schwer, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu identifizieren. Immer wieder fehlt es an einer konkreten Vision, wie es nach dem eigenen Ausscheiden mit dem Unternehmen weitergehen soll. Dies stellen wir insbesondere dann fest, wenn keine familieninterne Nachfolge besteht. Schliesslich fällt uns aber auch auf, dass sich Unternehmerinnen und Unternehmer häufig schwer mit dem Gedanken tun, sich von ihrer Firma zu trennen oder sich zurückzuziehen. Nachfolge ist ein emotionales Thema, was auch verständlich ist.

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Was können nachteilige Konsequenzen sein, wenn eine Unternehmerin oder ein Unternehmer die Nachfolgeplanung auf die lange Bank schiebt?

Oliver Pscheid: Bei der Nachfolgeplanung muss zwischen der ordentlichen und der ungeplanten Nachfolge unterschieden werden. Die ordentliche Nachfolge bezieht sich auf den Fall, dass ein Unternehmen zu Lebzeiten und mit voller Urteilsfähigkeit der Besitzerin oder des Besitzers übergeben wird. Wird die ordentliche Nachfolge nicht frühzeitig geplant, kann dies beispielsweise zur Folge haben, dass sich kurzfristig keine geeignete Nachfolge aufbauen lässt oder keine Nachfolgerin oder kein Nachfolger gefunden werden kann. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass ein Unternehmen mit dem Beginn des Ruhestands des Besitzers vollständig aufgelöst werden muss.

Bei einer ungeplanten Nachfolge muss die Firma infolge einer unerwarteten Urteilsunfähigkeit oder des Todes der Unternehmerin oder des Unternehmers übergeben werden. Das ist häufig eine sehr schwierige Situation, die zu grossen Unsicherheiten im Unternehmen führt, den Betrieb schwächt und Folgen für Mitarbeitende und Kundinnen und Kunden haben kann. Um dies zu verhindern, sollte jede Unternehmerin und jeder Unternehmer jederzeit einen Notfallplan griffbereit haben und diesen auch à jour halten.

Ein unternehmerischer Notfallplan – was kann man sich darunter vorstellen?

Oliver Pscheid: Gemeint sind Vorkehrungen, die den Fall regeln, in dem eine Unternehmerin oder ein Unternehmer unvermittelt ausfällt. Typischerweise sollte der Fall der Urteilsunfähigkeit und des Todes geregelt werden.

Ein guter Notfallplan regelt Vertretungsrechte genauso wie konkrete Regelungen zur ausserplanmässigen Unternehmensnachfolge. Dies sollte möglichst früh gemacht werden. Auch junge Unternehmerinnen und Unternehmer – besonders solche mit Familie – sollten wichtige Vertrauenspersonen identifizieren und solide Strukturen schaffen, die bei einer notfallmässigen Übergabe greifen. Dies kann etwa durch einen breit abgestützten Verwaltungsrat oder durch eine handlungsfähige Geschäftsleitung erfolgen.

Auch eine Scheidung kann für ein Unternehmen existenzgefährdend sein. Deshalb empfiehlt es sich, auch diesen Fall – üblicherweise mit einem Ehevertrag – klar zu regeln.

Vom Entrepreneur zur Investorin oder zum Investor: Wird ein Unternehmen nicht unentgeltlich übergeben, sondern verkauft, verändert sich die Rolle von Unternehmerinnen und Unternehmern. Was sind typische neue Herausforderungen nach einem Verkauf und wie kann UBS diesbezüglich Unterstützung leisten?

Oliver Pscheid: Wird eine Firma verkauft und nicht unentgeltlich an die Nachkommen übertragen, verändert sich die finanzielle Situation der Unternehmerin oder des Unternehmers in der Regel massgeblich. War bislang der Grossteil des Vermögens im Unternehmen gebunden, sieht dies nach der Transaktion ganz anders aus.

Als Unternehmerbank beraten wir Entrepreneure umfassend und begleiten sie während ihrer gesamten Reise durch das Arbeitsleben und darüber hinaus. Aus den bereits genannten Gründen sprechen wir den Notfallplan für den Fall der Fälle, die gewünschte Nachfolge bei einer geplanten Übergabe und die Möglichkeit eines zukünftigen Verkaufs bereits früh an – auch wenn die Unternehmerin oder der Unternehmer noch lange in der Firma aktiv sein möchte und noch nicht an eine Übergabe oder den Verkauf denkt.

Später können wir Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Nachfolgetransaktion begleiten, sei dies mittels M&A-Support oder Finanzierung der Transaktion. Anschliessend folgt die nächste Herausforderung mit der Frage, was mit dem Vermögen aus dem Verkauf passiert. Dabei zeigen wir Kundinnen und Kunden geeignete Formen der Vermögensstrukturierung auf und nutzen dazu bewährte Modelle. Unsere Vermögensstrategie lautet dabei üblicherweise «Liquidität. Langlebigkeit. Weitergabe.» – Es geht also um die Sicherung des kurz- und mittelfristigen Liquiditätsbedarfs, die Altersabsicherung und schliesslich die Weitergabe.

Eine ganzheitliche Beratung ist daher zentral?

Oliver Pscheid: Absolut. Eine ganzheitliche Beratung sollte sich nicht nur mit bankbezogenen Themen auseinandersetzen, sondern auch rechtliche und steuerliche Aspekte sowie die Liquiditäts- und Vorsorgeplanung miteinbeziehen. UBS verfügt über hoch qualifizierte Spezialistinnen und Spezialisten, die ein breites Themenspektrum abdecken. Diese Expertise erlaubt es uns, für unsere Kundinnen und Kunden massgeschneiderte Lösungen zu finden.

Zum Schluss: Was ist Ihre abschliessende Empfehlung für Unternehmerinnen und Unternehmer?

Oliver Pscheid: Ungeachtet dessen, ob oder in welcher Form die Revision des neuen Erbrechts kommen wird: Eine frühzeitige Beratung zur Nachfolgeplanung ist zentral, denn eine einvernehmliche Regelung innerhalb der Familie wird auch unter einem neuen Recht bevorzugt. Zudem können so die Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen der Beteiligten frühzeitig erkannt und adressiert werden. Dies ist im Interesse aller Beteiligten und des Unternehmens – was auch immer passiert.

Oliver Pscheid

Head Wealth Planning Content & Offering Schweiz

Oliver Pscheid ist Jurist und seit 2014 bei UBS tätig. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Beratung von vermögenden Privatkundinnen und -kunden sowie Unternehmerinnen und Unternehmern – dies vor allem im Zusammenhang mit komplexen und anspruchsvollen Nachfolgeregelungen.

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