Liquidität ist das Lebenselixier eines Unternehmens: Die Geldflüsse zu planen und zu steuern, bewahrt vor plötzlichen Engpässen und sichert das Überleben der Firma. (Bild: Patrick Hari)

Die flüssigen Mittel sind das Element, welches ein Unternehmen am Laufen hält. Mit ihnen werden Rechnungen beglichen und Löhne bezahlt. Sie sind das, was man in der Hand hat, um seine Verpflichtungen zu erfüllen. Das setzt zwingend voraus, zu wissen, wie viel Geld heute und in absehbarer Zeit im Unternehmen zur Verfügung steht. Kurz: Cash is king.

Doch mit der Liquidität ist es so eine Sache. Ihre tatsächliche Bedeutung offenbart sich meistens erst dann, wenn sie knapp wird. Ein Unternehmer hat Ertrag und Gewinn im Fokus seiner Geschäftstätigkeit – die Liquidität wird normalerweise als Folge davon angesehen. Nur: Ertrag und Gewinn allein sind noch kein Garant für genügend liquide Mittel.

Mit einem Liquiditätsmanagement können die effektiven Geldmittel geplant und gesteuert werden, und man kann dadurch für Transparenz sorgen. Das ist besonders wichtig für Firmen, die lange Durchlaufzeiten bei der Produktion oder bei Projekten haben. Eine Maschine herzustellen oder auch eine Software zu entwickeln, braucht einiges an Vorleistungen und kostet zunächst einmal. Bis der Auftrag dann endgültig beglichen wird, können Monate bis Jahre vergehen.

Mehr Handlungsspielraum

Die flüssigen Mittel werden dabei losgelöst von normalen Buchhaltungsprozessen erfasst. Diese stellen die effektiven Zahlungsströme – Ein- und Ausgänge – auf einer Zeitachse über ein Jahr dar. Die Erhebung erfolgt monatlich oder sogar wöchentlich. Das sollte akribisch bis aufs Produkt und die einzelne Rechnung hinunter und sehr ehrlich gemacht werden: Luft und Hoffnung haben in der Liquiditätsplanung nichts verloren.

Der Aufwand lohnt sich. Liquiditätsmanagement schafft Klarheit und vergrössert
den Handlungsspielraum. Denn gerade heute ist ein Unternehmen immer wieder
mit Unvorhergesehenem konfrontiert. Anfang 2015 etwa, nach der Aufhebung des Mindestkurses, war eine in Euro ausgestellte Rechnung auf einen Schlag über 12 Prozent weniger wert.

Effekte der Bilanz

Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten schieben viele Akteure ihre Zahlungen hinaus. Da hilft der zukünftige Gewinn auf dem Auftrag nichts, wenn heute das Geld auf dem Konto fehlt. Wenn Kunden die Forderungen erst in 90 Tagen zahlen, der Unternehmer seine Rechnungen aber in 15 Tagen begleicht, dann entsteht eine Lücke von 75 Tagen. Der Unternehmer spielt in dieser Phase quasi die Bank für den Kunden.

Das ist übrigens auch ein treffendes Beispiel dafür, dass in die Liquidität auch Effekte der Bilanz, und zwar des Umlaufvermögens, einfliessen. Genauso wie auch das in der Bilanz als Wert verbuchte Lager einen Einfluss auf die Liquidität haben kann, denn beim Verkauf von gelagerten Produkten entsteht Cash. Und schlussendlich sind die eingehenden Zahlungen ein Ertragseffekt auf die Liquidität.

Risiken erfassen

Eine sorgfältige Liquiditätsplanung kann aber noch mehr bewirken. Mit sogenannten Sensitivitätsanalysen können Szenarien abgebildet werden, die mögliche Risiken aufzeigen: Was würde mit den eigenen flüssigen Mitteln passieren, wenn in den nächsten Monaten der Kunde XY Konkurs ginge? Wenn ein erwarteter Auftrag nicht eintreffen oder wenn sich die Währungssituation verändern würde?

Es gibt Frühwarnindikatoren, die auf mögliche zukünftige Engpässe hinweisen können. Wenn beispielsweise die Auftragseingänge zurückgehen, die Margen sinken oder Preisverhandlungen schwieriger werden. Oder wenn eigene Rechnungen nicht mehr so einfach bezahlt werden können und Lieferanten auf Vorauszahlung beharren. Wichtig ist, die wirtschaftliche Lage – dazu gehört auch die Zahlungsmoral – von Kunden und Wettbewerbern zu beobachten.

Rasch handeln

Bei ersten Anzeichen eines Engpasses gilt es, schnell zu handeln. Jetzt müssen Massnahmen eingeleitet werden, um Cash zu beschaffen und Abflüsse zu reduzieren. Mit Debitoren-Kreditoren-Management, Lagerabbau und Sparmassnahmen im Einkauf kann am ehesten reagiert werden. Es empfiehlt sich übrigens auch, bei den ersten Anzeichen mit der Bank zu sprechen. Denn ist die Liquiditätskrise erst da, besteht praktisch kaum noch Handlungsspielraum.

Das Wichtigste am Liquiditätsmanagement ist jedoch die entsprechende Einstellung jedes Einzelnen im Unternehmen. Auch wenn die Verantwortung beim Geschäftsführer oder Finanzchef liegt: Alle Mitarbeitenden müssen beim Liquiditätsmanagement mitmachen. Der Einkäufer sollte haushälterisch denken, der Verkäufer auf die Marge achten. Denn es zählt jeder Franken, der ausgegeben oder eingenommen wird.

Fachbegriffe Liquiditätsmanagement 

Liquiditätsmanagement

Massnahmen und Aufgaben zur Sicherung und aktiven Steuerung der Liquidität, die Bargeld, Bankguthaben, Checks oder Wertpapiere sowie Halb- und Fertigprodukte umfassen. In der Planung werden Zahlungseingänge und -ausgänge auf einer Zeitachse als Status in der Gegenwart festgehalten und auf zwölf Monate hinaus fortgeschrieben.

Sensitivitätsanalyse

In die Liquiditätsplanung werden Szenarien eingebaut, um zu testen, wie und in welchem Ausmass sie die zukünftigen flüssigen Mittel beeinflussen könnten – also wie anfällig das System für plötzliche Veränderungen ist.

Management von Kreditoren und Debitoren

Die Liquidität lässt sich kurzfristig verbessern, indem Forderungen von Kreditoren, etwa Lieferanten, später beglichen und zugleich die eigenen Leistungen schneller zu Geld gemacht werden. Das birgt aber Risiken und ist am besten im Gespräch mit Kreditoren und Debitoren umzusetzen.