Investoren zahlen Leergeld

Soeben ist der jährliche Bericht über den Gesundheitszustand des Schweizer Immobilienmarktes erschienen. Gründlich und grundsätzlich wie gewohnt, analysiert er Entwicklungen und Folgen, nennt Gründe und Hintergründe aktueller Entwicklungen und sagt voraus, wie es weitergehen könnte.

Kein Wunder, stösst die Studie jeweils auf grosses Interesse. Und das, weil sie die wichtigsten Botschaften auf den Punkt bringt und auch um die unbequemen Themen keinen Bogen macht. Zum Beispiel die wachsenden Leerstände bei Mietwohnungen in gewissen Regionen thematisiert der UBS Real Estate Focus seit Jahren. Gebaut wird trotzdem, als gäbe es kein Morgen – und einigermassen nüchtern konstatiert der neue Bericht, es sei «nur eine zögerliche Abnahme der Baugesuche feststellbar».

Erstens: die grosse Leere in der Peripherie

Der für institutionelle Anleger wohl wichtigste Aspekt der 2020er-Studie: Knapp 70'000 Wohnungen standen Ende 2019 leer – etwa 2,8 Prozent des Gesamtbestandes. Die Folgen beschreibt Claudio Saputelli, Leiter unseres Swiss & Global Real Estate anschaulich: Im Tessin und in der Region Solothurn liefern Wohnungen in professionell verwalteten Portfolios nur 11 statt 12 Monatsmieten pro Jahr; bei über 15 Prozent der Wohnungen beträgt der Mietzinsausfall gar zwei Monate. (Erfreulich ist daran höchstens, dass es nicht ganz so schlimm kam wie befürchtet. Denn Anfang 2019 rechneten die Autoren noch mit 80'000 leeren Wohnungen.)

Im Bericht liest man auch, dass jede zweite Wohnung im Unterwallis, im Tessin, im Mittelland, im Jura und in der Ostschweiz im Laufe eines Jahres von einem Mietzinsausfall betroffen ist. Diese Leerstände sind mit ein Grund, warum die Preise von Mehrfamilienhäusern seit 2016 stagnieren, obwohl die Diskontierungssätze seither gesunken sind. Und auch auf die Angebotsmieten wirkt sich das Überangebot aus – sie dürften 2020 um ein weiteres Prozent sinken und damit das Potenzial für höhere Kaufpreise zusätzlich senken.

Zweitens: Lädelisterben 4.0

Zum dritten Mal in Folge legte der Online-Handel letztes Jahr um 10 Prozent zu; in der Schweiz geht mittlerweile jeder zehnte Franken über einen virtuellen Ladentisch. Am meisten trifft diese Verlagerung die Fachgeschäfte für Bekleidung und Elektronik. Entsprechend stark wachsen die leerstehenden Verkaufsflächen – und das auch in Zürich, Basel oder Genf abseits der absoluten Toplagen. Für Saputelli ist klar: Die Mieten sind zu hoch; sie müssen und werden sinken. Erschwerend kommt hinzu, dass in neuen Büro- und Wohnüberbauungen nach wie vor viele Ladenflächen entstehen.

Drittens: (Noch) kein Büro aufmachen!

Das grosse Wachstum an (Büro-)Arbeitsplätzen 2018 führte sogar in den Zentrumslagen zu einer Reduktion des Leerbestands. Der vorsichtige Optimismus des 2019er-Berichts ist ein Jahr später einer vorsichtig-verklausulierten Warnung gewichen: «Angesichts der erwarteten konjunkturellen Schwäche in diesem und im nächsten Jahr rückt das Risiko von Wertberichtigungen in den Zentren in den Vordergrund», heisst es wörtlich. Die Autoren warnen auch, bei einer Krise könnten die Unternehmen ihre Büros wieder in die günstigere Agglomeration verlegen, was in der Folge das Mietzinsniveau für Büroflächen an Spitzenlagen sinken lasse.

Zu guter Letzt

70'000 leere Wohnungen und sinkende Mieteinnahmen in der Peripherie. Tiefgreifender Strukturwandel im Retailgeschäft, zu hohe Mieten und hunderttausende Quadratmeter leerstehender Verkaufsflächen. Und auch bei den Büroflächen bedeutende Leerstände und dazu schwächere Konjunkturaussichten: Bei Immobilien die richtigen Entscheidungen zu treffen, war für institutionelle Anleger bestimmt schon einfacher. Umso erhellender dürfte daher die Lektüre des UBS Real Estate Focus 2020 sein.

UBS Real Estate Focus 2020

UBS Real Estate Focus 2020

Die Marktstudie «UBS Real Estate Focus 2020» ist unter folgendem Link erhältlich:

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