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Der Wind hat gedreht: Heute müssen sich Pensionskassen rechtfertigen, wenn sie nicht nachhaltig anlegen. Deshalb liebäugeln viele Vorsorgeeinrichtungen mit einer strategischen Neuausrichtung. Diesen Schritt hat die Mauritius Pensionskasse schon vor mehreren Jahren getan und Nachhaltigkeit in ihrem Anlagereglement verankert. Im Grundsatzpapier zur Nachhaltigkeit hält sie fest: «Der Stiftungsrat orientiert sich in seiner Arbeit an den Werten der Botschaft des Evangeliums». Für eine kirchliche Vorsorgeeinrichtung sind Ethik und Nachhaltigkeit eben keine Option, sondern ein Muss.

Wie sich aus diesem Selbstverständnis eine Strategie für nachhaltige Anlagen ableiten lässt und welche Möglichkeiten daraus resultieren, das erörtern Daniel Roth, Präsident des Anlageausschusses der Pensionskasse Mauritius, Karsten Güttler, Senior ESG Investment Specialist, UBS Asset Management, und Adrian Mäder, Kundenberater Institutionelle Kunden, UBS Schweiz.

Lassen sich Finanzanlagen mit dem Evangelium vereinbaren, Herr Roth?

Daniel Roth: Auch Priester gehen in Pension. Als Arbeitgeber untersteht die Kirche wie jedes andere Unternehmen dem BVG-Obligatorium. So einfach ist das. 

Ist der Spagat zwischen Ethik und Rendite schwierig für kirchliche Einrichtungen?

Roth: Sagen wir es so: Früher war es sicher einfacher. Als mit Staatsanleihen noch Geld zu verdienen war, konnten auch die Landeskirchen ruhigen Gewissens in Eidgenossen investieren. Aktien waren, wenn überhaupt, Direktanlagen in bekannte Schweizer Unternehmen mit einwandfreier Reputation. Mit dem Aufkommen von Fonds und der immer stärkeren Diversifizierung entwickelte sich die Intransparenz von Anlagen zunehmend zum Problem. Es konnte vorkommen, dass eine kirchliche Einrichtung unwissentlich Anteile eines Fonds erwarb, der auch in Gentech-Unternehmen investierte, die Tiere «optimierten».


Der Wunsch, sein Geld «anständig» anzulegen, war immer schon da.
Karsten Güttler

Intransparenz war also die Wirkung. Und worin lag die Ursache: in der breiten Diversifizierung?

Karsten Güttler: Passive Indexfonds waren die grossen Treiber der Intransparenz. Ethik bei Anlagen ist immer auch eine Frage der Datenverfügbarkeit. Der Wunsch, sein Geld «anständig» anzulegen – heute würde man sagen: nach ethischen oder ESG-Kriterien –, war immer schon da. Schwierig gestaltete sich die Beurteilung der Anlagemöglichkeiten, weil keine Daten zur Verfügung standen.

Ist die Transparenz heute besser?

Güttler: Erheblich besser sogar. Der Wendepunkt war die Finanzkrise 2008, zu deren Ursachen ja auch hochkomplexe, intransparente Finanzinstrumente zählen. Die Transparenz und Datenlage haben sich mittlerweile deutlich erhöht und erlauben eine sehr präzise Selektion.

Bedeutet mehr Transparenz auch grössere Nachfrage?

Adrian Mäder: Die Nachfrage nach ESG-Anlagen hat stark zugenommen. Auf eine einzelne Ursache lässt sich das wohl nicht zurückführen – «the trend is your friend» heisst es … Mehr Transparenz war sicher kein Hindernis, sondern förderte die wachsende Nachfrage zusätzlich. Anleger haben heute eine deutlich breitere Auswahl als noch vor zwei Jahren – aus Sicht der Investoren könnten es allerdings noch mehr sein.

Was war für Mauritius der Auslöser, auf Nachhaltigkeit zu setzen: die besseren Daten oder die Phase der Intransparenz?

Roth: Weder noch. Als Pensionskasse für kirchliche und im Sozialbereich tätige Organisationen haben wir seit jeher nach ethischen Kriterien angelegt. Doch mit der zunehmenden Notwendigkeit, Anlagen breit zu diversifizieren, erhöhten sich auch die damit einhergehenden Probleme. Heute allerdings kann ich praktisch jedes börsenkotierte Unternehmen auf der Welt nach ESG-Kriterien beurteilen. Natürlich wächst mit der Transparenz zugleich der Wunsch nach noch differenzierteren Anlagemöglichkeiten. Mittlerweile gibt es aber auch schon eine Reihe von passiven ESG-Indexfonds mit einem Best-in-Class-Ansatz.

Güttler: Jetzt wird’s spannend … Indem die Investoren systematisch nur die 25 Prozent der nachhaltigsten Unternehmen einer Branche bevorzugen, können sie einen starken Impact erzielen. Sie belohnen nur die Besten, die weniger Guten gehen leer aus. Eine Best-in-Class-Investition enthält also eine klare Botschaft – und schafft für Unternehmen den Anreiz, sich nachhaltig zu verbessern. In welche Richtung, das haben die Anleger durch ihre Investitionen klar signalisiert. «Best in Class» hebt so den Durchschnitt und legt im Laufe der Zeit die Messlatte immer höher. Die Alternative zu «Best in Class» ist der Ausschluss bestimmter Branchen oder von Unternehmen mit unerwünschten Geschäftspraktiken.


Die Welt ist nicht schwarz und weiss.
Daniel Roth

Wie entwickelt eine kirchliche Pensionskasse eine Nachhaltigkeitsstrategie?

Roth: Nachhaltigkeit war für uns schon immer selbstverständlich. Deshalb wollten wir sie in unserem Anlagereglement ausführlich und nach unseren Überzeugungen differenziert festhalten. Der Spagat bestand für uns darin, eine Rendite zu erwirtschaften und nachhaltige Anlagemöglichkeiten zu eruieren. Als Erstes haben wir deshalb im Anlageausschuss definiert, welche Anlagen für uns nicht infrage kommen. Das ist schneller gesagt als getan, denn auch bei den Ausschlusskriterien gibt es nicht einfach Schwarz und Weiss.

Können Sie ein Beispiel nennen für dieses Weder-Schwarz-noch-Weiss?

Roth: Nehmen wir die Gentechnologie. Man kann sie als Eingriff in die Schöpfung grundsätzlich ablehnen. Andererseits ermöglicht sie enorme Fortschritte, die auch unseren Versicherten zugutekommen – denken wir nur an die Corona-Impfstoffe. Und wenn sich die Gentechnik dem Schwarz-Weiss-Denken widersetzt, dann müssen wir eben definieren, wie viel und welches Grau für uns akzeptabel ist. In unserem Anlageausschuss sitzen auch Theologen und Priester, also Menschen mit einer hohen Sensibilität für ethische Werte. Sie können sich vorstellen, dass die Diskussionen über unsere Nachhaltigkeitskriterien sehr intensiv waren – aber auch sehr fruchtbar, denn wir konnten uns in allen strittigen Punkten auf eine Formulierung einigen. Und so haben wir die Ausschlüsse dann in unserem Anlagereglement festgehalten. Hierzu gehört auch die Vorgabe, Anlagen zu bevorzugen, welche die ESG-Kriterien bestmöglich umsetzen. Also der sogenannte Best-in-Class-Ansatz.


Das Anlageuniversum ist gross genug.
Adrian Mäder

Können Ausschlusskriterien wie die von Mauritius die Diversifikation gefährden?

Mäder: Nein, das glaube ich nicht. Metaphorisch ausgedrückt: Das Anlageuniversum ist auch nach den Ausschlüssen noch unendlich gross.

Güttler: Hinzu kommen die Entwicklungen, die aus dem Fintech-Bereich abstrahlen. Sprechen wir über die Individualisierung von Anlagen: Grundsätzlich sind «Segment of One»-Anlageinstrumente schon heute möglich – allerdings zu einem entsprechenden Preis. Ich bin überzeugt, dass in zehn Jahren auch kleine Pensionskassen ihre eigenen, auf ihr Anlagereglement massgeschneiderten Fonds und Anlagelösungen haben werden.

Zurück zur Gegenwart – wie bewährt sich Ihre nachhaltige Anlagestrategie?

Roth: Sehr gut! Wir erzielen auch in schwierigen Jahren trotz Ausschlüssen und Nachhaltigkeitsvorgaben nicht weniger Rendite. Im Gegenteil! Das erstaunt auch mich immer wieder – und es beeindruckt andere Vorsorgewerke, die sich für einen Anschluss interessieren: Nachhaltigkeit ist für uns kein Lippenbekenntnis, sondern Teil unserer strategischen Ausrichtung.

Heisst es nicht, nur ein uneingeschränktes Anlageuniversum ermögliche die optimale Rendite?

Güttler: Das war einmal – vor noch nicht allzu langer Zeit. Das Dogma «Einschränkung bedeutet Underperformance» ist inzwischen belastbar widerlegt. Und das kommt fast schon einem Paradigmenwechsel gleich.

Nachhaltigkeit im Anlagereglement der Mauritius Pensionskasse

Das Anlagereglement der Mauritius Pensionskasse enthält die nachfolgend genannten Vorgaben:

«In erster Linie werden die Vermögensanlagen nach Massgabe der Rentabilität und der Sicherheit bewirtschaftet. Die Nachhaltigkeit der Anlagen bildet eine weitere Zielsetzung, die bei der Festlegung der Anlagestrategie und deren Umsetzung im Rahmen der Vermögensanlagen zu beachten ist.

Ausgeschlossen sind Anlagen in Unternehmen, die sich in den nachfolgenden Geschäftsfeldern engagieren:

  • Rüstungssektor, wenn es sich um problematisch eingestufte Unternehmen gemäss dem Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK – ASIR) handelt;
  • Abbau fossiler Energieträger;
  • Tabak, Pornografie und Glücksspiel;
  • umstrittene medizinische Gentechnologie;
  • Unterstützung von Gewaltregimen;
  • Warentermingeschäfte («Commodities») auf Nahrungs-, Genuss- und Futtermittel sowie diesen zugrunde liegenden Rohstoffen.


Die im Rahmen der Anlagetätigkeit zu berücksichtigenden Grundsätze von Nachhaltigkeit und Ethik umfassen die Verantwortung gegenüber der Achtung des Menschen sowie seinem sozialen Umfeld, die Wahrung der Menschenrechte und die Erhaltung der natürlichen Umwelt. Generell sind bei der Anlagetätigkeit Unternehmen zu bevorzugen, die im Vergleich zu ihren Mitbewerbern («Best in Class») die ESG-Kriterien am besten erfüllen.»

Mauritius Pensionskasse

Die Pensionskasse Mauritius ist eine Kollektivvorsorgestiftung für kirchliche und im Sozialbereich tätige Einrichtungen. Sie entstand 2017 durch den Zusammenschluss der Pensionskasse der Römisch-Katholischen Landeskirche des Kantons Aargau und der Basler St. Heinrich-Stiftung. Es gibt in der Schweiz viele weitere Pensionskassen mit ähnlichem Hintergrund – und alle stehen dem gleichen Problem gegenüber: Sie sind zu klein für Skaleneffekte, bezahlen wesentlich höhere Risikoprämien, fühlen sich überfordert von der regulatorischen Komplexität – und tun sich schwer, eine angemessene Nettorendite zu erzielen. Mauritius ist offen für Anschlüsse von Vorsorgewerken aus dem kirchlichen oder sozialen Umfeld, die ihre ethische Verpflichtung auch bei ihren Anlagen wahrnehmen wollen. Vom gemeinsamen Wachstum verspricht sich Mauritius unter anderem Zugang zu noch besser selektierbaren nachhaltigen Anlagen.

Daniel Roth

Daniel Roth  Präsident der Anlagekommission, Mauritius Pensionskasse

Daniel Roth ist seit 2017 Präsident der Anlagekommission der Mauritius Pensionskasse und war zuvor Stiftungsratspräsident sowie Präsident des Anlageausschusses der Pensionskasse der Römisch-Katholischen Landeskirche des Kantons Aargau. Von Haus aus Rechtsanwalt, hat er bei der EBK und der FINMA die Finanzkrise samt Rettung von UBS hautnah miterlebt und zeichnete danach verantwortlich für die Regulierung des Finanzmarktes. Seit 2016 arbeitet er als Stadtschreiber in Aarau. Mauritius ist für ihn eine Nebentätigkeit, von der er sagt: Sie hat mich gesucht und gefunden.

Karsten Güttler

Karsten Güttler  Senior ESG Investment Specialist, UBS Asset Management

Karsten Güttler arbeitet seit 2011 bei UBS und hat sich schon früh mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Als Senior ESG Investment Specialist ist er beim UBS Asset Management mitverantwortlich für die Entwicklung innovativer Lösungen in den Bereichen nachhaltige Anlagen und Impact Investing. Nach einer Ausbildung zum Diplom-Kaufmann promovierte er an der RWTH Aachen in Wirtschaftswissenschaft.

Adrian Mäder

Adrian Mäder – Relationship Management Institutional Clients, UBS Schweiz

Adrian Mäder arbeitet seit 2008 bei UBS in Aarau und betreut als Relationship Manager institutionelle Kunden in der Region Aargau/Solothurn – unter anderem auch die Mauritius Pensionskasse. Im Anschluss an eine Banklehre absolvierte er eine Fortbildung zum diplomierten Bankfachmann, schloss die Verwaltungsfachschule für Personalvorsorge mit Erfolg ab und ist seit 2013 Certified Corporate Banker CCoB.

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