Pensionskassen und Wohnimmobilien – das passt: langfristige Wertsteigerung, stabile Mieteinnahmen und mehr Rendite als Bundesobligationen. Kein Wunder, waren Mehrfamilienhäuser während der Tiefzinsära die Darlings von Vorsorgeeinrichtungen; kein Wunder, stieg der Immobilienanteil am Anlagevermögen stetig – kein Wunder aber auch, hinterliess die Zinswende Spuren auf dem Markt und in den Portfolios.

«Nachfrageboom bei Mehrfamilienhäusern ist vorbei», konstatierte der «Tages-Anzeiger» im August letzten Jahres und titelte einige Wochen später, «Preise für Häuser, Wohnungen und Büros kommen ins Rutschen». Medienhype, Alarmismus oder Realität? Und wie sind Pensionskassen davon betroffen?

In der Tat sind gemäss Dr. Robert Weinert, Leiter Research bei Wüest Partner, die Preise für Wohnimmobilien 2023 um rund 4,4% gesunken. Und: Gesamtschweizerisch lag das Transaktionsvolumen letztes Jahr rund 35% unter dem langjährigen Mittel. Allerdings gilt es, beide Aspekte zu relativieren:

  • Erstens sind die qualitätsbereinigten Transaktionspreise (also Gleiches mit Gleichem vergleichen) seit Anfang 2013 um rund 36% gestiegen – ganz besonders stark 2022 . Der 2023er-Wertverlust von 4,4% entspricht nicht ganz der Hälfte des Anstiegs im Vorjahr.
  • Zweitens führt Robert Weinert den starken Zuwachs bis ins 1. Quartal 2022 darauf zurück, dass «bei vielen institutionellen Anlegern bis unmittelbar vor der Zinswende noch Anlagenotstand herrschte und damit die Zahlungsbereitschaft für Immobilien trotz bereits hoher Preise weiter stark gestiegen ist».
  • Nach der Zinswende im 2. Quartal 2022 hat sich die relative Attraktivität von Immobilienanlagen etwas normalisiert. Deshalb haben einige Pensionskassen ihre Portfolios strategisch optimiert. In der Folge waren unmittelbar nach der Zinswende die gehandelten Objekte etwas kleiner und von geringerer Qualität – die durchschnittliche Transaktion lag 2022 um 15% unter dem langjährigen Mittel. Im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2022 wurden 2023 zwar weniger, qualitativ aber wieder hochwertigere Mehrfamilienhäuser (MFH) gehandelt.
Qualitätsbereinigte Transaktionspreise von MFH in der Schweiz. Stand: 2. Quartal 2023. Quelle: Wüest Partner

Haben die Pensionskassen 2023 mit Immobilien also kein Geld verloren?

So erstaunlich es tönen mag: Sowohl Robert Weinert als auch Claudio Saputelli, Leiter Global Real Estate des UBS CIO, wie auch Patric Caillat, Fund Manager bei der UBS Anlagestiftung, sind der Meinung, das könnte durchaus der Fall gewesen sein. Die Gründe dafür leuchten ein:

Pensionskassen ...

  • verfolgen mit ihren direkten Immobilienanlagen eine langfristige buy-and-hold-Strategie; sie verhalten sich nicht wie andere, eher buy-and-sell-orientierte Anleger. Ein Verlust entstünde also höchstens, wenn eine Vorsorgeeinrichtung ein Objekt 2022 gekauft und 2023 wieder veräussert hätte.
  • finanzieren Immobilien aus Eigenmitteln. Steigende Zinsen für Fremdkapital haben also keine nachteiligen Auswirkungen – im Gegenteil: Pensionskassen können den höheren Referenzzinssatz auf ihre Bestandesmieten anwenden und so ihre Kapitalrendite erhöhen.
  • bevorzugen Wohnhäuser für ihre Direktanlagen, weil sie weniger volatil sind als Büro- und Verkaufsflächen; bei deutlich kleinerem Leerstandsrisiko bieten sie stabile Mieteinnahmen und ermöglichen so eine präzisere Liquiditätsplanung.
Pensionskassen haben 2023 mit ihren Schweizer Immobilienanlagen kein oder kaum Geld verloren, sondern höchstens weniger Rendite erzielt.
Patric Caillat

Direkte vs. indirekte Immobilienanlagen

Nach Ansicht von Claudio Saputelli bieten direkt gehaltene Immobilien einer Pensionskasse den grössten Gestaltungsspielraum – durch die Diversifikationsbrille betrachtet –, aber auch grössere Risiken als indirekte Immobilienanlagen. Für Patric Caillat ist der Fall klar: Gerade für kleinere Pensionskassen bieten indirekte Immobilienanlagen deutliche Vorteile.

Bei den börsennotierten Immobilienanlagen haben Immobilienaktien nach dem Jahresend-Kursfeuerwerk an den Börsen im Januar 2024 leicht nachgegeben (–0,7%), während Immobilienfonds um 1,5% zugelegt haben; auch bei den Fonds war die Nachfrage nach Wohnimmobilien stärker (+8,0%) als nach kommerziellen Flächen (–15%).

Nicht börsenkotierte indirekte Immobilienanlagen (Anlagestiftungen und ähnliche) bewerten ihr Portfolio in der Regel einmal pro Jahr. Der Portfoliowert ist also für ein Jahr stabil, dafür können die Ausschläge nach oben und unten grösser sein. Die UBS-Anlagegruppe «Immobilien Schweiz» erzielte mit ihren 136 Objekten (Marktkapitalisierung CHF 2,7 Milliarden) eine Performance von 2,2% – auch dies ein Indiz, dass Pensionskassen 2023 mit ihren Immobilienanlagen kein oder kaum Geld verloren, sondern weniger Rendite erzielt haben.

Auf einen Blick: Die aktuellen Kennzahlen und die Erwartungen für 2024. Quellen: UBS CIO, Wüest Partner

Inflation, Referenzen und Renditen

Angesichts der tiefen Inflation ist die Frage nicht, ob die SNB 2024 ihren Leitzins senken wird – es geht um wann und um wie viel. Claudio Saputelli geht von drei Zinsschritten aus (der erste erfolgte am 21. März) und rechnet mit einem Zinssatz von 1% per Ende 2024.

Diese Zinssenkungen werden sich mit einer gewissen Verzögerung auch auf den hypothekarischen Referenzzinssatz auswirken – wobei sowohl Claudio Saputelli wie auch Robert Weinert annehmen, dass dieser noch bis mindestens Ende 2024 auf dem aktuellen Stand von 1,75% bleiben wird. Eine weitere Erhöhung auf 2% ist nach Ansicht der Experten wenig wahrscheinlich (aber nicht ausgeschlossen, sollte die Inflation wider Erwarten die 2%-Hürde deutlich überschreiten). Geldmarkthypotheken werden unmittelbarer auf die Zinsschritte reagieren, was aber keinen Einfluss auf den Referenzzinssatz haben wird.

Die Entwicklung des hypothekarischen Referenzzinssatzes in der Schweiz 2008–2025 (Quellen: BWO, SNB, UBS; Prognose: UBS)

Betongold oder Eidgenossen?

Schweizer Pensionskassen haben ihre Immobilienanlagen in den letzten 15 Jahren verdreifacht – zum einen eine Folge des wachsenden Anlagekapitals der Vorsorgewerke, zum anderen aber auch der Tiefzinspolitik der SNB. Inzwischen lässt sich mit 10-Jahres-Bundesobligationen wieder eine positive Rendite erzielen, wobei die erwartete Senkung des SNB-Leitzinses mittlerweile in den Preisen von Bundesanleihen schon eingepreist ist: Ende Februar 2024 lag die Rendite für Eidgenossen bei 0,92%, UBS erwartet per Ende 2024 noch 0,7%.

Demgegenüber lag der Median der Nettoanfangsrendite von MFH letztes Jahr bei 3,1%. Sinkende Leitzinsen dürften zu steigenden Transaktionsvolumen bei Wohnimmobilien führen – und somit zu sinkenden Nettorenditen. Trotzdem rechnet Robert Weinert nicht damit, dass Pensionskassen dem Bund nun die kalte Schulter zeigen und wieder in Wohnimmobilien investieren, als gäbe es kein Morgen. Der Grund liegt im immer noch hohen Immobilienanteil der meisten Pensionskassen-Portfolios.

Die zunehmenden regulatorischen Vorgaben hemmen die Zahlungsbereitschaft für Wohnimmobilien.
Claudio Saputelli

Die 30%-Hürde nach BVV

Sinkende Aktienkurse führen zu einem relativen Anstieg des Immobilienanteils, der von der BVV auf 30% des Gesamtportfolios begrenzt ist. Gemäss einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Complementa vom Juli 2023 hatte jede dritte Schweizer Pensionskasse per Ende 2022 eine Immobilienquote von bis zu 40% und jede fünfzehnte gar von bis zu 50%.

Mittlerweile dürfte die Immobilienquote bei den meisten (auch) dank der stärkeren Börsen 2023 mehrheitlich wieder im grünen Bereich liegen. Es gab aber durchaus Vorsorgeeinrichtungen, die Immobilienanlagen verkaufen mussten, um die Bandbreite einzuhalten – dies notabene in einem illiquiden Markt mit einem gegenüber dem Vorjahr um 30% tieferen Transaktionsvolumen. Sie waren also gezwungen, die liquidesten ihrer illiquiden Assets zu verkaufen – zum Beispiel Anteile börsenkotierter Immobilienfonds, die ohnehin schon auf Tauchkurs waren. Zusätzlich ertragsmindernd wirkten sich die Rücknahmegebühren aus, die viele Immobilienfonds und Anlagestiftungen erhöhten – auch, um ihre Investoren zu schützen.

Die Pensionskassen haben aus solchen Erfahrungen gelernt. Deshalb ist anzunehmen, dass sie ihre Immobilienportfolios weiterhin gezielt optimieren, aber nicht mehr bis nahe an die 30%-Limite erhöhen.

Ich rechne nicht mit einer erneuten starken Preisrally bei Wohnimmobilien.
Robert Weinert

Warum wird nicht mehr gebaut?

Aus der Optik der Wohnungssuchenden wäre es wünschenswert, wenn Pensionskassen mehr in den Bau neuer Wohnimmobilien investierten. Im momentanen Marktumfeld und mit den aktuellen – regulatorischen und politischen – Rahmenbedingungen ist es aber wenig wahrscheinlich, dass allein die Vorsorgeeinrichtungen die Wohnungsknappheit in der Schweiz beheben könnten. Alle Faktoren und Aspekte aufzuzeigen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen; es sei deshalb auf den Bericht «Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Wohnungsknappheit» von UBS verwiesen.

Patric Caillat

Patric Caillat

Patric Caillat ist seit 2008 zuständig für die UBS Anlagestiftung Immobilien Schweiz und zudem Mitglied des UBS Operating Forum Real Estate Switzerland. Er hat einen Executive MBA-Abschluss und ist sowohl eidg. dipl. Immobilientreuhänder als auch eidg. dipl. Betriebswirtschafter sowie Chartered Surveyor (MRICS). Patric Caillat verfügt über 35 Jahre Berufserfahrung in der Immobilienbranche und doziert nebenberuflich seit mehr als 20 Jahren an der SVIT School des Schweizerischen Verbands der Immobilienwirtschaft.

Claudio Saputelli

Claudio Saputelli

Claudio Saputelli ist Chief Investment Officer Global Real Estate bei UBS. Er ist unter anderem Initiator und Verantwortlicher des UBS Swiss Real Estate Bubble Index sowie anderer regelmässiger UBS-Immobilienstudien und zudem Immobilienexperte in verschiedenen Expertengremien und Arbeitskreisen. Claudio Saputelli studierte Volkswirtschaft an der Universität Zürich sowie Bewegungswissenschaften und Sport an der ETH Zürich; davor arbeitete er mehrere Jahre als Wirtschaftsinformatiker und Softwareentwickler.

Dr. Robert Weinert

Dr. Robert Weinert

Dr. Robert Weinert ist Partner und Head of Research bei Wüest Partner. Seine Arbeit konzentriert sich unter anderem auf klassische und neuartige Datenanalysen sowie auf Prognosen in den verschiedenen Segmenten des Immobilienmarkts. Robert Weinert hat an der Universität St. Gallen studiert und promoviert; er ist Verfasser mehrerer Fachartikel über den Immobilienmarkt und doziert regelmässig an Fachhochschulen und Universitäten.

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