Die Ausgangslage

Am 17. November 2021 erweiterte der Bundesrat die Portfolios von Vorsorgeeinrichtungen um eine neue Anlagekategorie: Ab 2022 dürfen Pensionskassen bis 5 Prozent ihres Portfolios in nicht kotierte Schweizer Anlagen investieren, also in Private Equity. Der Anteil nicht traditioneller Anlageformen am Gesamtportfolio könnte somit bis zu 30 Prozent ausmachen.

Was bedeutet das für die berufliche Vorsorge? Können und sollen alle Pensionskassen in Private Equity investieren? Welchen Preis bezahlt man für die höchste Performance aller Anlageklassen? Antworten geben Patrick O. Müller (Head Institutional Clients & Global Asset Servicing UBS) und Boris Maeder (Global Head Private Markets Specialists).

Wie funktionieren Private-Equity-Fonds?

Müller: Anders als herkömmliche Fonds. Ein Private-Equity-Fonds hat eine Laufzeit zwischen zehn und 15 Jahren. Die Anleger müssen einem Fonds einen bestimmten Kapitalbetrag zusagen. Der Private-Equity-Fondsmanager plant, sich in dieser Zeit an Unternehmen zu beteiligen und die Anteile anschliessend mit Gewinn wieder zu verkaufen. Typischerweise wird in den ersten fünf Jahren investiert, danach folgt die Verkaufsphase. Der Anleger erwirbt keine Fondsanteile, sondern gibt ein Zahlungsversprechen ab. Die zugesagte Summe wird peu à peu fällig, sobald der Manager eine Firma zum Kauf gefunden hat. Beim Verkauf von Unternehmen erfolgt jeweils eine Gewinnausschüttung. Nach etwa zehn Jahren – und nach dem Verkauf des letzten Unternehmens – wird der Fonds aufgelöst.

Was spricht für Private Equity?

Maeder: Im historischen Vergleich findet sich keine Anlageklasse, die eine so hohe Performance bei einer derart geringen Volatilität erreicht wie Private Equity. Natürlich gibt es immer wieder mal ein Superjahr, in dem Aktien noch besser abschneiden. Im umgekehrten Fall brechen Aktienmärkte aber auch stärker ein. Doch über einen Zeitraum von zehn Jahren und darüber hinaus schafft es keine andere Anlageklasse, Private Equity in der Rendite zu übertreffen.

Müller: Der mit Private-Equity-Anlagen angereicherte Teil des Portfolios verbessert die Gesamtrendite auf Basis einer sogenannten Liquiditätsprämie. Ein weiterer Vorteil der Anlageklasse ist die Tatsache, dass sie es einem Anleger ermöglicht, in den sehr umfangreichen und zugangsbeschränkten Markt privat gehaltener Unternehmen zu investieren.

Haben Schweizer Pensionskassen bisher nicht in Private Equity angelegt?

Müller: Doch, aber das waren in der Regel nur die ganz grossen Pensionskassen mit einer Milliarde Franken Anlagevermögen oder mehr. Die haben in einigen Fällen bereits einen erheblichen Teil der alternativen Anlagen in Private Equity investiert.

Und kleinere Pensionskassen?

Müller: Diese setzten in der Vergangenheit wenig auf Private Equity. Das war darin begründet, dass es für sie praktisch keine geeigneten Anlagevehikel gab. Diese Lücke wollen wir jetzt schliessen.

Maeder: Eine erfolgreiche Anlagestrategie hängt neben einem flexiblen Zugang auch von dem Know-how und der Erfahrung des Anlegers ab. Private-Equity-Firmen verfügen über eine enorme Bandbreite der Qualität wie auch des Renditepotenzials. Deshalb kommt es bei der Auswahl der Fonds insbesondere darauf an, stets genau zu wissen, was man tut.

Und wo liegen aus Ihrer Sicht die Herausforderungen für Pensionskassen?

Müller: Das vorteilhafte Risiko-Rendite-Profil hat einen Preis – man bezahlt mit Liquidität. Das investierte Kapital ist für die Dauer von fünf bis zehn Jahren gebunden. Eine Pensionskasse muss also genau analysieren, welche künftigen Verpflichtungen sie haben wird und wie sie die benötigte Liquidität bereitstellt. Zudem gibt es weltweit vielleicht 5000 Private-Equity-Manager, die jedes Jahr rund 1500 neue Private-Equity-Fonds auf den Markt bringen. Das bedeutet nicht nur 1500 Private-Equity-Fonds-Investments, für die Investoren Geld anbieten, sondern auch 1500 begnadete Verkäufer, die es verstehen, ihr Angebot unwiderstehlich zu präsentieren. Dies macht eine Evaluation überaus anspruchsvoll und aufwendig.

Maeder: Das Investitionsspektrum im Private-Equity-Markt ist sehr breit, und das Risiko-Rendite-Profil hängt in hohem Masse vom Reifestadium jenes Unternehmens ab, in das investiert werden soll. Eine Venture-Capital-Direktanlage in ein Silicon-Valley-Tech-Start-up birgt ganz andere Chancen und Risiken als ein Fondsinvestment eines Buy-out-Managers, der wiederum 15 bis 20 milliardenschwere gestandene Unternehmen auf der ganzen Welt erwirbt.

Was macht die Selektion der Fonds so schwierig?

Maeder: Es gibt keine verlässlichen Datenbanken, Register, Ranglisten oder Auszeichnungen, die bei der Fondsauswahl langfristig hilfreich sind. Die gründliche Due Diligence eines Fonds spielt somit eine zentrale Rolle und erfordert sowohl Erfahrung als auch fundiertes Know-how. Während unsere hoch qualifizierten Fachleute den Grossteil der 1500 Fonds schon früh aussortieren können, bleiben von der Gesamtzahl am Ende des Jahres circa 15 bis 20 investierbare übrig. Nach eingehender Prüfung und Analyse durch unsere Expertinnen und Experten erhalten unsere Kunden Zugang zu genau diesen geprüften Private-Equity-Fonds. Und genau hier liegt der grosse Vorteil, denn kaum eine mittelgrosse Schweizer Pensionskasse kann sich ein Team von Spezialisten leisten, das sich dediziert der Due Diligence von Private-Equity-Fonds widmet.

Müller: Die gesetzliche Vorgabe der neuen BVV2-Regulierung ist mit dem spezifischen Fokus auf nicht kotierte schweizerische Anlagen recht eng gefasst. Sie steht somit bis zu einem gewissen Grad auch im Spannungsfeld mit dem notwendigen Diversifikationsgrundsatz, dem insbesondere in dieser Anlageklasse eine entscheidende Bedeutung zukommt. Die Umsetzung in der Praxis stellt daher eine gewisse Herausforderung dar und wird sicherlich einige Zeit beanspruchen.

Wie sollten Pensionskassen ein Private-Equity-Portfolio aufbauen?

Maeder: Der Aufbau eines Portfolios erfordert Zeit, Beharrlichkeit und einen Plan. Anleger brauchen eine Strategie, wie sie die allozierte Quote erreichen und halten wollen. Dazu gehört auch, jedes Jahr in eine Anzahl neuer Fonds zu investieren. Die Liquidität wird dabei nur vorübergehend eingeschränkt – vorausgesetzt, man verfolgt einen systematischen Investitionsansatz. Denn nach etwa fünf Jahren kontinuierlichem Portfolioaufbau sollte sich das Private-Equity-Portfolio aus eigener Kraft refinanzieren. Die Ausschüttungen reichen dann aus, um die Kapitalabrufe neuer Investments zu finanzieren. Nach etwa zehn bis zwölf Jahren sollte das Private-Equity-Portfolio netto zurückbezahlt sein. Es stellt sich eine Art Private-
Equity-Annuität ein: Es ist davon auszugehen, dass sich die Quote selbst trägt und auf hohem Niveau rentiert.

Wie soll man mit dem noch nicht abgerufenen Kapital umgehen?

Müller: Während der Aufbauphase einer Private-Equity-Allokation muss das zugesagte, aber noch nicht abgerufene Kapital verwaltet werden. Als Investor können Sie offene Kapitalzusagen in Aktien investiert lassen, in Geldmarkttiteln oder liquiden Formen halten. Der bevorzugte Ansatz hängt von der Risikobereitschaft ab. Für viele Anleger ist es unserer Meinung nach sinnvoll, zumindest einen Teil der Kapitalzusagen, die in den nächsten Jahren abgerufen werden können, in Form von Anlagen mit geringem Risiko (Geldmarktanlagen oder kurzfristige Staatsanleihen) zu halten. Als Alternative kommt eventuell auch eine Kreditfazilität zur Überbrückung von temporären Liquiditätsengpässen infrage.

Das klingt nicht ganz einfach. Wie schafft das eine kleinere Pensionskasse?

Maeder: Ein solides Private-Equity-Portfolio aufzubauen, ist kein leichtes Unterfangen. Kontinuierlicher Erfolg lässt sich nur durch gezieltes und konsequentes Vorgehen erreichen. Wir beraten Pensionskassen zur Allokation, zum Portfolioaufbau, zu passenden Fonds – und stellen gleich zu Anfang die Gretchenfrage: «Wie viel Illiquidität können Sie sich leisten?»

Müller: Ja, zunächst gilt es zu bestimmen, wie gross der Private-Equity-Anteil am Portfolio sein soll – und sein kann. Eine weitere Frage lautet, welche Sektoren und Märkte zum bestehenden Portfolio passen. Deren Beantwortung erfordert fundierte Beratung und ein langfristiges Commitment, denn Private-Equity-Fonds funktionieren eben anders. So geht’s nicht daneben.

Patrick O. Müller

Patrick O. Müller

Head Institutional Clients & Global Asset Servicing

Patrick Müller leitet seit Dezember 2017 das Segment Institutional Clients und zusätzlich seit Januar 2020 den Bereich Global Asset Servicing. Er begann seine Karriere 2006 im Aktiengeschäft der UBS Investment Bank. Nach Führungspositionen innerhalb Swiss Equity Sales und Sales Trading wurde er 2016 zum Leiter Cash Equities Switzerland ernannt und Mitglied des Global Cash Equities Management Committee. Patrick O. Müller hält einen Bachelorabschluss von der ZHAW sowie einen MBA der Strathclyde Business School, zudem ist er ein Alumnus des Harvard Business School GSM Executive Program.

Boris Maeder

Boris Maeder

Global Head Private Markets Specialists

Boris Maeder leitet als Managing Director bei UBS das globale Private- Markets-Spezialistenteam. Vor seinem Eintritt in UBS fungierte er fünf Jahre als Principal im Mittleren Osten beim Staatsfonds Abu Dhabi Investment Council (ADIC), wo er das US Private Equity Portfolio verantwortete. Im Vorfeld seiner Tätigkeit bei ADIC amtierte Boris Maeder fünf Jahre als Senior Vice President bei Auda Private Equity in New York und leitete dort die US- und europäischen Primary-Investitionen. Zuvor arbeitete er fünf Jahre als Investment Professional in den Private-Equity-Abteilungen von Allianz und Dresdner Kleinwort Benson in New York, München und Frankfurt.

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