Der China-Komplex

Um China ranken sich so viele Mythen und Missverständnisse. Es ist ebenso komplex wie vielfältig und verwirrt den Westen immer wieder aufs Neue.

Aber Chinas geopolitische und wirtschaftliche Bedeutung steht außer Frage. Anleger kommen nicht umhin, sich mit der zweitgrößten Volkswirtschaft auseinanderzusetzen, und sei es auch nur indirekt. Henry Kissinger hat es einmal so ausgedrückt: „Ich stimme nicht immer mit der chinesischen Sichtweise überein… Aber man muss sie verstehen, da China eine große Rolle in der Welt spielen wird, die im 21. Jahrhundert entsteht.“

Zumindest bis zu einem gewissen Grad müssen wir Ideologien und Stereotypen beiseitelassen und Wege finden, unsere Vorurteile abzubauen. Nur dann wird das wahre China zum Vorschein kommen; dasjenige, das sich hinter den Schlagzeilen verbirgt; dasjenige, das bei den erneuerbaren Technologien führt; dasjenige, das Sicherheit über Freiheit stellt; dasjenige, das auf eine Weise sozial und umweltbewusst ist, die wir im Westen noch nicht ganz verstehen.

Diese Ausgabe von Panorama widmet sich der Vermittlung eines ausgewogenen Bilds von China. Wir sprechen in The New China Playbook mit Keyu Jin, die einige der Missverständnisse und Vorurteile hinterfragt und glaubt, dass eine radikal andere, jüngere Generation die Zukunft des Landes neu gestalten wird. Die jahrzehntelange Phase hohen Wachstums ist für China zu Ende gegangen, nicht aber die Chancen für Investoren. Evan Brown und Sylvia Liang bieten einen guten Rahmen, um die miteinander verknüpften wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes zu erklären (siehe Können chinesische Aktien in einem sich verlangsamenden Wirtschaftswachstum bestehen?). Gleichzeitig weisen sie aber auch auf die bisher unterschätzten langfristigen Chancen hin, insbesondere im Bereich der Spitzentechnologien, die von geostrategischer Relevanz sind.

Chinas Bestreben, eine technologische Vormachtstellung zu erlangen, wird in Ein Unternehmerstaat weiter erörtert, worin Michael Nell, Ellis Eckland und Jia Tan untersuchen, wie das staatszentrierte Modell von Jia Tan (TJ) Innovation vorantreibt, und den chinesischen Ansatz mit dem der USA vergleichen. Gegen den Trend untersucht die Beziehung zwischen BIP-Wachstum und Aktienrenditen, wobei Boriana Iordanova zeigt, wo die Chancen für chinesische A-Aktien bei Indexinvestitionen liegen, und Ian McIntosh und Bin Shi die aktive Seite behandeln.

Da das Verhältnis zwischen China und den USA weiterhin angespannt ist, haben Kräfte zur Entkopplung an Fahrt gewonnen. Eine für mich interessante Entwicklung ist der digitale Yuan (siehe Die Dollar-Diffusion). Als weltweit führende Reservewährung wird der US-Dollar noch nicht infrage gestellt, aber die chinesische Alternative ist ein Pionier der digitalen Zentralbankwährung, die das bestehende globale Finanzsystem eines Tages auf den Kopf stellen könnte.

Grundsätzlich sind viele der Ansicht, dass sich eine Entkopplung von den USA und China nachteilig auf die Welt auswirken würde. Der Nobelpreisträger Michael Spence ist der Meinung, dass die beiden Länder zusammenarbeiten können und müssen, um bei verschiedenen kritischen Themen voranzukommen, Wo China und die USA den weltweiten Fortschritt gemeinsam vorantreiben können. Lucy Thomas plädiert in China und Net-Zero für dasselbe, denn ohne China wird es unmöglich sein, den Klimawandel aufzuhalten.

Es ist stets gefährlich, ein Land und eine Kultur aus einer einzigen Perspektive zu betrachten, ganz zu schweigen von einem Land wie China, das eine reiche und lange Geschichte hat. Ich hoffe, dass die hier vorgestellten Standpunkte eine Vielfalt bieten, die im derzeitigen öffentlichen Diskurs fehlt, insbesondere wenn es um Investitionen in China geht. Das „Reich der Mitte“ ist mit der Welt verbunden, und sein Einfluss auf die Weltwirtschaft sollte nicht unterschätzt werden.

Für Investoren ist es wichtig, das wahre China kennenzulernen.