Sie haben bestimmt schon in den Medien oder in Gesprächen von der „Zerschlagung von Big Tech“ gehört, aber was genau bedeutet das, und wie können wir als Gesellschaft versuchen, dieses Thema anzugehen? Ein Nobelpreisträger hat da einige Ideen.

Die Zerschlagung von Big Tech ist seit Jahren Gesprächsthema in den Medien und in der Politik. Doch wie häufig bei grossen, komplexen, globalen Fragen findet sich trotz aller Gespräche und möglicher Lösungswege nicht immer eine einfache Antwort. Die Angst vor den zahlreichen unbeabsichtigten Folgen und den potenziellen politischen Konsequenzen, ginge man die Sache falsch an, liessen bisher kaum Fortschritte zu. Der Ökonom Jean Tirole erhielt 2014 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für seine Arbeit zur Analyse der Macht von Märkten und der Regulierungspolitik. Er hat Monopole, Oligopole und deren Auswirkungen auf die Bereiche Innovation und Wachstum untersucht. Tirole schaute dabei auf eine Branche, von der man vielleicht nicht erwarten würde, dass sie als Ratgeber für neue Regulierungen von Big-Tech-Konzernen herangezogen werden könnte.

War diese Frage inspirierend für Sie?

Dann lassen Sie sich die neusten Nobel Perspectives senden.

Monopol-Erklärung

Ein Monopol liegt dann vor, wenn es keine Konkurrenten gibt, ein Duopol ist ein Wettbewerb zwischen zwei Unternehmen, und ein Oligopol ist eine Marktstruktur mit einer kleinen Anzahl von Unternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen. Es gibt zwar nur selten wirkliche Monopole, aber sie existieren, und Tirole meint, dass Versorgungsunternehmen und Transportdienstleister perfekte Beispiele dafür sind.

„Viele Firmen sind Monopole oder enge Oligopole, so dass sie im Grunde die Preise erhöhen oder die Qualität senken können, ohne Kunden zu verlieren“, sagt Tirole. „Der Grund dafür ist, dass sie nicht viel Konkurrenz haben. Sie haben hohe Fixkosten. Für ein Bahnunternehmen ist es beispielsweise sehr schwer, Gleise und Bahnhöfe zu duplizieren. Stromproduzenten können nicht ihr eigenes Hochspannungsnetz bauen.“

Was Tirole an dieser Art von Unternehmen und Märkten am meisten fasziniert, ist die Tatsache, dass sie oft recht genügsam werden.

„Es ist schon interessant, dass Monopole ein sehr ruhiges Leben führen und letztlich nicht sehr innovativ sind“, sagt er. „Wenn man Konkurrenz hat, muss man ständig wachsam und innovativ sein, sonst kommen neue Firmen mit einer viel besseren Technologie und verdrängen die Wettbewerber. Es ist schwer, Monopolisten Anreize zu geben, tatsächlich Veränderung zu bewirken. Daher braucht man oft einen gesunden Wettbewerbsdruck, man braucht neue Markteinsteiger, die revolutionäre Produkte entwickeln, um Monopolisten zu verdrängen.“

Es ist schon interessant, dass Monopole ein sehr ruhiges Leben führen und letztlich nicht sehr innovativ sind
– Jean Tirole

Einbeziehung der Spieltheorie

In den 1980er Jahren übertrug Tirole die Spieltheorie, die ursprünglich für Konfliktsituationen konzipiert wurde, auf Organisationsstrukturen, um Märkte, in denen kein Wettbewerb herrscht, besser zu verstehen. Märkte sind aus vielen Gründen nicht perfekt, von Marktmacht über asymmetrische Informationen bis hin zu externen Effekten. Für die Regulierungsorgane einer Branche gilt, dass sie oft nicht den gleichen Zugang zu Informationen haben wie die Unternehmen, die sie regulieren müssen.

„Es ist zum einen wichtig, die Asymmetrie von Informationen zu reduzieren, zum anderen ist es aber auch wichtig, Bereiche mit asymmetrischen Informationen zu erfassen und entsprechend zu handeln, um Regulierungen zu verändern, und genau das haben wir in den 80er Jahren mit Jean-Jacques Laffont getan“, sagt er. „Wir versuchten, die künftigen Reformen in den Bereichen Telekommunikation, Bahnverkehr und Elektrizität zu antizipieren und sicherzustellen, dass solche Reformen auf die richtige Weise erfolgen. Man kann dem Gemeinwohl dienen, indem man die Preise niedrig hält oder die Fördermittel entsprechend reduziert, was als Anreizregulierung oder präferenzbasierte Regulierung bezeichnet wird.“

Tirole und Laffont taten dies, indem sie versuchten, Anreize für Firmen zu schaffen, indem sie diese für ihre Leistungen stärker in die Pflicht nahmen. Wenn die Unternehmen ihre Kosten senken könnten, würden sie einen Teil dieser Kostenreduzierung für sich behalten und den Rest an die Kunden oder Abnehmer verteilen. Ausserdem nahmen sie die Grenzen dieser Strategie unter die Lupe, sie stellten allerdings fest, dass es tatsächlich möglich ist, Anreize für Firmen zu schaffen, besser und effektiver zu arbeiten, und dass der Endverbraucher letztlich von niedrigeren Preisen profitieren würde. Ferner prüften sie Möglichkeiten zur Schaffung von Wettbewerb.

„Denken Sie zum Beispiel an die Stromwirtschaft“, meint Tirole. „Man kann nicht zwei oder drei Hochspannungsnetze haben, weil der Bau zu kompliziert, zu teuer und auch für die Umwelt nicht optimal wäre. Jedoch kann es mehrere Produktionsanlagen geben, die miteinander konkurrieren.“

Eine moderne Umsetzung

Tiroles frühe Studien konzentrierten sich zwar eher auf Versorgungsunternehmen und natürliche Monopole, legten aber den Grundstein für eine mögliche Regulierung von Big Tech. Doch wie kann man etwas regulieren, das sich noch in der Entwicklung befindet? Tirole sagt, dass er nicht gegen die Idee ist, Big-Tech-Konzerne zu zerschlagen, räumt aber ein, dass es sich um eine sehr viel komplexere Landschaft handelt, wenngleich er verschiedene Lösungen vor Augen hat.

„Zum einen gibt es bereits Kartellgesetze“, führt er an. “Tatsächlich existieren zwei Arten von Kartellgesetzen. Die eine Art betrifft die Monopolisierung, d.h. eine Art von Absprache unter Firmen auf dem Markt, um die Preise hochzutreiben. Die andere Art dreht sich um Akquisitionen. Ein Problem, das wir heutzutage beobachten, sind Firmen, die ihre Konkurrenten oder potenzielle zukünftige Konkurrenten aufkaufen. Dies wird als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bezeichnet.“

Tirole sagt, dass die erste Option zwar ein Versuch wäre, zu alten Regulierungsmethoden zurückzukehren, dass er dies aber aufgrund des globalen Charakters von Technologieunternehmen nicht als eine realisierbare Option ansieht.

„Es ist wesentlich schwieriger für ein Land, ein globales Unternehmen zu regulieren, es ist nahezu unmöglich“, meint er. „Meiner Meinung nach hat das Kartellrecht die grösste Bedeutung, es muss allerdings in vielerlei Hinsicht angepasst werden. Zum einen muss es zukunftsorientierter ausgerichtet werden. In vielen Berichten wurde vorgeschlagen, Informationen zu sammeln, um schneller eingreifen zu können und die Firmen ggf. von bestimmten Praktiken abzuhalten. Ich denke, dies ist eine gute Idee.“

Dies würde bedeuten, dass Unternehmen verpflichtet wären, jede beabsichtigte Übernahme bei einer Regulierungs- oder Kartellbehörde anzumelden. Das Kartellamt hätte dann die Möglichkeit, potenziell problematische Übernahmen zu blockieren. Dies würde eine Beweislast erfordern, die sich von den bisherigen Regulierungen unterscheidet.

Es ist wesentlich schwieriger für ein Land, ein globales Unternehmen zu regulieren, es ist nahezu unmöglich
– Jean Tirole

Wenn es um grosse Technologiekonzerne geht, ist Tirole nicht überrascht, dass stets Tendenzen zu einer Monopolisierung auftreten. Wenn alle die gleiche Plattform nutzen, können sie miteinander kommunizieren, interagieren und zusammenarbeiten. Menschen wollen dort sein, wo andere Menschen sind, meint er. Je mehr Netzwerkeffekte vorhanden sind, desto besser kann auch das Gesamtprodukt werden. Mit mehr Informationen kann auch die Effektivität gesteigert werden. Es ist allerdings von entscheidender Bedeutung, dass die Daten ordnungsgemäss, ethisch korrekt und verantwortungsvoll verarbeitet werden.

„Wir haben so genannte Daten für Service-Vereinbarungen, so dass wir für all diese wunderbaren Dienstleistungen nichts bezahlen müssen“, sagt er. „Wir geben unsere Informationen weiter, und diese Informationen werden für zwei Dinge verwendet. Beim Ersten handelt es sich um gezielte Werbung. Und das Zweite ist, wenn diese Informationen für neue Dienstleistungen verwendet werden.“

„Man könnte sich fragen, wo der Wettbewerbsnachteil liegt“, fährt er fort. „Am Ende zahlen die Verbraucher nichts und bekommen dafür diese grossartigen Dienstleistungen, was kümmert uns also ein Monopol? Und die Antwort darauf lautet: Ja, wir machen uns über Monopole Sorgen, weil die Werbepartner viel bezahlen, wodurch sich die Geschäftskosten erhöhen und unsere Preise steigen, so dass der Verbraucher am Ende indirekt zahlen muss, weil die Werbepartner mehr bezahlen.“

Im Allgemeinen, so Tirole, besteht die grösste Sorge darin, dass die Daten ordnungsgemäss verwendet werden, und dass ein Unternehmen, das zu viele Informationen kontrolliert, nur schwer zu überwachen ist. Manchmal ist die Datensammlung nützlich, andererseits besteht auch die Gefahr, dass sie missbraucht wird.

„Die Gefahr besteht nicht nur darin, dass sehr mächtige Plattformen entstehen, die nicht nur hohe Preise verlangen, sondern auch unsere Privatsphäre verletzen, sich in die Politik einmischen und Ähnliches“, erklärt Tirole. „Es geht um die Frage der Zukunft der Arbeit und um Ungleichheit, sowohl national als auch international. Es hängt alles von der Regulierung ab. Wenn wir die Dinge richtig angehen, werden wir viel besser dastehen.“

Wenn wir die Dinge richtig angehen, werden wir viel besser dastehen.
– Jean Tirole

Verwandte Artikel

Weitere Storys von Nobelpreisträgern

Foto von Jean Tirole

Sind regulierte Märkte das Geheimnis einer erfolgreichen und gesunden Wirtschaft?

Jean Tirole

Nobelpreisträger, 2014

War diese Frage inspirierend für Sie?

Dann lassen Sie sich die neusten Nobel Perspectives senden.