Sir Christopher A. Pissarides, selbst Berater eines Blockchain-Unternehmens, ist mit der Bedeutung und den aktuellen Entwicklungen in der Finanztechnologie, die wir mittlerweile unter FinTech zusammenfassen, bestens vertraut. Als Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften interessieren ihn auch die makroökonomischen Komponenten. Wir sprachen mit ihm über die sich verändernde FinTech-Landschaft und ihre Bedeutung für die Bankenbranche.

Blockchain gehört zu den Entwicklungen im Bereich FinTech, über die am meisten gesprochen wird, und Sie beraten ein Blockchain-Unternehmen. Was hat Sie dazu bewegt, für dieses Unternehmen zu arbeiten?

«Sie sind auf mich zugekommen und haben mir die Bedeutung des Ganzen erklärt, und welche neuen Entwicklungen es gibt, die mir natürlich nicht ganz unbekannt waren. Mir war bereits bewusst, dass das grösste Problem bei Blockchain und diesen dezentralen Ledger-Systemen das Thema Sicherheit ist. Wie kann man letztendlich sicherstellen, dass das, was da ist, auch da bleibt und wahre Aussagen vermittelt?»

Und was ist die Verbindung zwischen Makroökonomie und der Sicherheit von Blockchain? Wie treffen sich die beiden Sphären und wo?

«Die Sicherheit von Blockchain und dezentralisierte anonyme Ledger-Transaktionen erhöhen die Zahl der Handelstransaktionen und erhöhen die Verfügbarkeit von Finanzmitteln für kleine Unternehmen. Aber man muss auch dafür sorgen, dass dem System vertraut werden kann, diese finanzielle Vertrauensbasis ist absolut notwendig.

Und darin liegt die Verbindung. Es geht um die Summe all dieser Transaktionen für die Wirtschaft als Ganzes. Es werden neue Aktivitätszentren geschaffen, neue Einnahmequellen und eine neue Produktion; man stimmt sich mit Menschen ab, mit denen man vorher keinen Kontakt hatte, die vielleicht auch nicht im selben Land leben, es geht um die gesamte Welt.»

Wie verändert der technologische Fortschritt, zum Beispiel in der Form von Blockchain, die Art und Weise, wie wir Geschäfte machen?

«Blockchain hat das Potenzial, die Art, wie wir Geschäfte machen, grundlegend zu verändern, und ich bin sehr für eine Weiterentwicklung der Blockchain-Technologie. Sehr viel mehr Sorgen mache ich mir um Kryptowährungen. Kryptowährungen bringen meiner Meinung nach viele spekulative Aspekte mit sich. Die Leute sind erst einmal enthusiastisch, weil sie grosse Schwankungen sehen und man immer erst einmal denkt, man würde zu den Glücklichen gehören und viel Geld damit verdienen können. Ein bisschen erinnert das an die Aktienmärkte in den 1920er Jahren, deren Überhitzung zum Crash führte, woraufhin man die gesetzlichen Regeln anpasste. Wir werden da irgendwann anders darauf schauen als jetzt, Kryptowährungen sind immer noch nicht ausreichend reguliert.

Aber Blockchain ist etwas anderes, man benötigt keine Kryptowährungen für Blockchain. Falls Sie Ihre Transaktionen aufzeichnen müssen, können Sie die Währung immer an einen Rohstoff oder zum Beispiel den US-Dollar koppeln, dann würden diese genau den Bewegungen des US-Dollar folgen. Es gibt übrigens jetzt schon Währungen, die das machen. Das attraktive an Blockchain ist, dass dadurch Transparenz ermöglicht wird.»

Und wie genau erhöht Blockchain die Transparenz im Vergleich zu den herkömmlichen Formen des Geldwechsels?

«Unabhängig davon, wie klein die Transaktion ist, wird sie aufgezeichnet und kann von jedem nachverfolgt werden. Man kann die Entscheidung, was man als nächstes tun möchte, auf der Grundlage der Transaktionen treffen, die man sieht. Das geschieht auf eine unpersönliche, aber dennoch vertrauenswürdige und transparente Art und Weise.»

Wird Blockchain erhebliche Auswirkungen auf das Bankenumfeld haben, oder ist dies vielleicht sogar bereits der Fall?

«Naja, ich verfolge ja, was die Banken so tun, und auch wenn manche sehr begeistert von Blockchain sprechen, haben sie noch keine Veränderungen eingeführt. Aber ich denke schon, dass Banken dem Konzept gegenüber offen sein sollten und versuchen sollten, es für sich zu entwickeln. Das Problem ist, dass sie bisher noch nicht über die entsprechende Expertise verfügen. Daher sind sie natürlich vorsichtig, denn ihre Kunden vertrauen ihnen. Wenn also bereits eine Geschäftsbeziehung zu Privatpersonen oder grossen Unternehmen besteht, fragt man sich vielleicht: Warum sollte ich hier etwas verändern? Es handelt sich hier um soziales Kapital, dass man nicht so leicht wegwirft, weil eine neue Technologie aufgetaucht ist.»

Von Blockchain einmal abgesehen, in welchen Bereichen haben sich in den letzten Jahren wirklich aufregende technologische Veränderungen vollzogen?

«Der bei weitem interessanteste Bereich ist die künstliche Intelligenz. Daten können mittlerweile von Maschinen verarbeitet werden. Die Tatsache, dass sich die Robotik parallel zur künstlichen Intelligenz entwickelt hat, dass Roboter zu selbstgesteuerten Geräten geworden sind, die sich fortbewegen und Dinge für einen erledigen können, ist sehr aufregend und von hoher Bedeutung. Bis vor kurzem waren Roboter am Boden verschraubt und konnten vielleicht mal die Arme bewegen. Die Autoindustrie ist mittlerweile komplett automatisiert, auf der Grundlage von Robotik. Der Plattformhandel basiert auf künstlicher Intelligenz. Kleine Transaktionen über unsere Smartphones oder kontaktlose Karten sind mittlerweile so beliebt, dass inzwischen mehr kleine Transaktionen mithilfe künstlicher Intelligenz durchgeführt werden als mit Bargeld.

Das sind alles sehr aufregende Entwicklungen; und dabei wird es interessant sein zu sehen, wo die nächsten Schritte uns hinführen. Aber meiner Meinung nach gibt es in puncto mögliche Anwendungsgebiete fast keine Grenzen. Wenn es allerdings um die persönliche Pflege oder um das Reagieren auf unvorhersehbare Situationen geht, können wir Roboter oder künstliche Intelligenz noch nicht einsetzen. Aber fast alles, was mit grossen Datenmengen zu tun hat, wird irgendwann von Maschinen übernommen. Und diesen Tag kann ich kaum erwarten.»

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