Investieren im Tiefzinsumfeld

Wenn jemand «nicht flüssig» ist, dann hat er kein Geld. Sagt man das Gleiche über eine Geldanlage, dann heisst das, dass es schwierig ist, sie rasch wieder zu Geld zu machen. Weil lateinische Wörter gescheiter klingen, spricht man allerdings von «Illiquidität». Eine Aktie von Nestlé zu verkaufen, dauert keine Sekunde. Am anderen Ende der Geduldsspanne liegen Private-Equity-Fonds, bei denen der Anleger sein Geld erst nach fünf, sechs oder mehr Jahren wieder sieht. Sollte er das Geld in der Zwischenzeit wirklich dringend brauchen, dann ist das sein Problem. Von zwei Anlagen, die sonst identisch sind, wird also jeder die liquidere vorziehen.

Geduld macht sich bezahlt


Gerade weil das so ist, müssen die weniger flüssigen Anlagen einen Renditevorteil haben. Diese «Illiquiditätsprämie» existiere tatsächlich, sagt Daniel Egger, Anlagechef der Privatbank Maerki Baumann & Co. Institutionelle Anleger mit einem langen Zeithorizont können diese Prämie abschöpfen, genauso auch vermögende Privatpersonen, die auf einen Teil ihres Geldes nicht angewiesen sind.

Die sogenannten alternativen Anlagen umfassen Anlageprodukte (Hedge Funds und Private Equity) und Sachwerte wie Rohstoffe, Immobilien und Kunstgegenstände. Anders gesagt zählt man alles, was keine Aktie oder Obligation ist, zu dieser Kategorie. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass das Interesse an ihr derzeit hoch ist. Seine Geldanlagen nach Renditeversprechen auszurichten, verdient aber zu keiner Zeit den Namen Anlagestrategie.

Privatpersonen, die keine besonderen Fachkenntnisse haben und auch keine Zeit und Lust, sie sich zu erarbeiten, stellt die Komplexität mancher alternativen Anlagen vor ein Problem. Eric Steinhauser, Anlagechef der Privatbank Rahn & Bodmer, rät Anlegern, sich zu fragen, ob solche Investments wirklich den eigenen Zielen entsprechen und ob sich der hohe Zeitaufwand, der mit ihrer Auswahl und Überwachung verbunden ist, auch lohnt. Ein Haus zu kaufen, das man selber bewohnt, das ist eine alternative Anlage, die jeder versteht. Gleiches gilt für den Goldbarren, der im Tresor liegt. In andere alternative Anlagen solle man nur investieren, wenn man Fachkenntnis hat oder wenn man professionell beraten wird. Dann könne ausserdem sichergestellt werden, dass das Investment zum Kunden und zu seiner finanziellen Planung passt. Sonst sei die Gefahr gross, dass sich der Kunde irgendwann ernüchtert frage, ob es nicht besser gewesen wäre, Cash zu halten, sagt Steinhauser.

Nicht ganz so komplex


Die Überlegung, dass man nichts kaufen soll, was man nicht nachvollziehen kann, ist berechtigt. Die Einteilung von Hedge Funds nach ihrer Funktionsweise ist aber auch keine Geheimwissenschaft. Das Buch «Alternative Anlagen» der Autoren Mostowfi und Meier bietet eine gute Grundlage. Die am meisten verbreitete Strategie heisst beispielsweise Long Short Equity. Diese Fonds setzen nicht nur auf steigende, sondern auch auf fallende Aktienkurse. Mit diesem Ansatz ist es möglich, das Risiko im Vergleich zu traditionellen Aktienfonds zu verringern.

Manager von solchen Fonds versuchen, unterbewertete Aktien zu kaufen und überbewertete zu verkaufen. Diese Strategie funktioniert freilich nur dann erfolgreich, wenn die Aktienkurse auch tatsächlich spiegeln, wie es um eine Firma steht. Das ist nicht zwingend so, in der Vergangenheit hat die expansive Geldpolitik durchs Band die Kurse beflügelt. Die Aktienkurse bewegten sich gleich wie Schiffe, die alle von der Flut angehoben werden. Tatsächlich habe die hohe Korrelation zwischen Aktien es schwierig gemacht, mit Leerverkäufen Geld zu verdienen, sagt Nicolas Campiche, der bei der Privatbank Pictet das Geschäft mit alternativen Anlagen leitet. Mittlerweile habe das geändert. 2015 war für die, die auch auf sinkende Kurse setzen, ein sehr erfolgreiches Jahr. CTA (Commodity Trading Advisors) sind eine weitere Kategorie von Hedge Funds. Sie verfolgen vereinfacht gesagt Preistrends in ganz verschiedenen Märkten. Eine noch so clevere Software mag den Fonds steuern, sie basiert meist auf dem Grundprinzip, dass heute wieder steigen wird, was gestern gestiegen ist. Eine weitere Strategie, Global Macro genannt, basiert nicht auf der Analyse von einzelnen Firmen, sondern auf makroökonomischen Entwicklungen. Diese beiden Varianten sollten dank den zu erwartenden Zinserhöhungen in den USA und anderen von den Zentralbanken veranlassten Massnahmen in Zukunft vielfältige Tätigkeitsfelder haben, ist Campiche überzeugt.

Für grosse und kleine Budgets


Direkte Investitionen in Hedge Funds sind nur mit Millionensummen möglich. Für Anleger, deren Gesamtvermögen unter 100 Mio. Fr. liegt, sind sogenannte Funds of Hedge Funds der einzige praktikable Zugang zu dieser Anlageform. Sie machen Investitionen schon mit tiefen fünfstelligen Beträgen möglich. Diese Vehikel übernehmen die Auswahl der einzelnen Hedge Funds. Ihre Liquidität ist eingeschränkt, wenn auch nicht in einer sehr extremen Form. Bei Pictet beispielsweise sind Rücknahmen je nach Fonds wöchentlich oder quartalsweise möglich.

Noch illiquider sind Private-Equity-Fonds, bei denen das investierte Vermögen auf Jahre gebunden ist. Diese Anlagen sind auch nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich, weil die Mindestinvestitionen noch höher sind, in der Regel ab einem sechsstelligen Betrag. Diese Fonds investieren in Firmen, die nicht an der Börse gehandelt werden. Die Preise der börsenkotierten Firmen hätten aber sehr wohl einen Einfluss auf die Preise von privaten Firmen, erläutert Campiche. Darum sei es für Private-Equity-Fonds derzeit schwierig, günstig Firmen zu kaufen.

Rohstoffe hingegen gelten momentan als billig. Weil sie aber keine Renditen abwerfen, muss man den richtigen Zeitpunkt treffen, um von steigenden Preisen zu profitieren. Die Chance, dass dies einem Privatanleger, der nicht über spezifische Kenntnisse verfügt, über längere Zeit gelingt, ist relativ klein. Immerhin bewegen sich die Preise von Rohstoffen nicht im Gleichschritt mit den Börsenkursen, weswegen sie tatsächlich zur Diversifikation eines Portfolios beitragen können. Daniel Egger ist der Meinung, dass derzeit bei den historisch günstigen Agrarrohstoffen die Chancen die Risiken überwiegen.

Illiquidität als Vorteil?
 

Gerade Private Equity und Hedge Funds werden häufig kritisiert, die Produkte seien zu komplex, zu teuer, und eben, im schlimmsten Fall werde man sie nicht mehr los. Wenn das tatsächlich so wäre, warum investieren dann die grössten Investoren in den USA, Stiftungen mit Milliardenvermögen und Family Offices, die Hälfte ihres Vermögens oder sogar mehr in alternative Anlagen? Ein Grund dafür ist sicher die Fachkenntnis, die solche Investoren haben. Ebenso wichtig dürfte aber der lange Anlagehorizont sein.

Wie viele Privatanleger behaupten von sich selbst, langfristig zu investieren, nur um dann, wenn es zu einer Krise kommt, in Panik zu geraten und zu verkaufen? Illiquidität kann man als Nachteil sehen, aber auch als Vorteil. Mancher hätte sich wohl schon gewünscht, rückblickend, dass er dazu gezwungen gewesen wäre, ein schlechtes Jahr einfach auszusitzen. Handlungsfreiheit bedeutet ja auch, dass man frei ist, im schlechtesten Zeitpunkt zu verkaufen. Darum sollten alternative Anlagen wegen ihrer Illiquidität beim Anlageentscheid kein Nebengedanke sein. Wenn man wirklich bereit ist, auf lange Frist zu investieren, dann soll man ihnen das nötige Gewicht geben.

Financial Personality Test

Damit Sie die passende Anlagestrategie finden, müssen Sie Ihre eigene Risikobereitschaft richtig einschätzen. Dabei hilft Ihnen der UBS Financial Personality Test.