Investieren im Tiefzinsumfeld

Es gilt zwar gemeinhin als unvernünftig, bei Aktienanlagen zu sehr auf die Titel heimischer Firmen zu setzen. Die Stärke des Schweizerfrankens aber relativiert solche Argumente.

«Wieso in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nahe.» Wenn es ums Geld geht, lässt sich dieses Sprichwort ohne Weiteres auf das konservative Verhalten der Schweizer Privatanleger übertragen. Schliesslich besteht ein grosser Teil ihrer Privatvermögen aus Immobilien, aus Ansprüchen an Versicherungen und Pensionskassen sowie aus Bankeinlagen und Bargeld. Während sie insgesamt immerhin knapp 12% ihres finanziellen Reichtums in Aktien- und Fondsanlagen investiert haben, spielen strukturierte Finanzprodukte in ihren Depots kaum eine Rolle. Wie verschiedene Umfragen zeigen, herrscht selbst in diesem Bereich eine gewisse Bodenständigkeit. Denn wenn die Schweizer Privatanleger schon Aktien kaufen, dann erinnern sie sich bevorzugt an Unternehmen, die sie kennen und deren Papiere an der heimischen Börse in Schweizerfranken gehandelt werden.

Trotz Erfolg gescholten
 

Tatsächlich sind sie in den vergangenen Jahren mit dieser Strategie ziemlich gut gefahren – und werden trotzdem oft gescholten. Es sei geradezu leichtsinnig, einen so grossen Teil der Gesamtvermögen auf den kleinen Schweizer Markt zu konzentrieren, argumentieren viele Anlageberater und Investmentstrategen. Wenn schon so viele Mittel in heimischen Immobilien, Versicherungen und Pensionskassen gebunden seien, sollten die privaten Investoren doch wenigstens die Aktien- und Fondsanlagen international breit streuen, erklären Fachleute wie zum Beispiel Daniel Kalt von der UBS. Der Chefökonom und Chefstratege der Bank für die Schweiz warnt bei der Geldanlage vor den Fallstricken der Intuition und plädiert für eine strategische Ausrichtung der Anlagevermögen auf mittelfristige Ertragsziele – und dafür, beharrlich daran festzuhalten. Wer die besten Handelstage verpasse, schade seinem Portfolio.

Der richtige Mix verschiedener Anlageklassen stelle auf der einen Seite sicher, dass langfristige Markttrends verlässlich erkannt und genutzt würden. Auf der anderen Seite liessen sich die Risiken starker Kursschwankungen bei einzelnen Vermögenswerten durch die gezielte Streuung auf verschiedene Wertpapiere oder Währungen mindern. Kalt verweist in diesem Zusammenhang sowohl auf die Aktien des Automobilkonzerns Volkswagen als auch auf die Kurseinbussen an der Schweizer Börse, nachdem die Nationalbank am 15. Januar 2015 die Kursuntergrenze von Fr. 1.20 zum Euro nicht mehr hat aufrechterhalten können.

Die Volkswagen-Papiere hatten im September Kurseinbussen von bis zu 40% hinnehmen müssen, weil das Unternehmen zugeben musste, die Abgastests von Dieselmotoren manipuliert zu haben. Der Swiss-Market-Index (SMI) dagegen ist im Januar um bis zu 15% eingebrochen, weil sich die Anleger Sorgen über negative Folgen des um bis zu 20% erstarkten Schweizerfrankens machten. Der Fachmann argumentiert weiter, Investoren könnten unerwartet auftretende Ereignisse dieser Art besser verkraften, wenn ihre Investments international breit gestreut seien.

Wird der Franken schwächer?
 

Der Kauf ausländischer Wertpapiere sei aus Sicht eines Schweizer Anlegers ohnehin sinnvoll, weil der Franken überbewertet sei und weil die Wachstums- und damit die Ertragsaussichten der Unternehmen in anderen Ländern vielfach höher seien als in der Schweiz selbst, ergänzt Kalt. Er deutet an, künftig mit einer schwächeren Schweizer Währung und einer soliden Performance fremder Börsen zu rechnen.

Dieser Argumentationsweise stimmt Nannette Hechler-Fayd'herbe weitgehend zu. Die internationale Diversifizierung von Aktienanlagen verringere grundsätzlich das Gesamtrisiko im Depot eines Anlegers. Der «Diversifizierungsbeitrag» sei oftmals höher als das Währungsrisiko, erklärt die Anlagestrategin der Credit Suisse.

Folglich sei es beim Kauf ausländischer Aktien sinnvoll, teilweise oder ganz auf die Absicherung von Wechselkursrisiken zu verzichten (im Gegensatz zu Anleihen). Je näher der Kurs einer Devise am «fairen Wert» liege und je geringer die Zinsunterschiede zu anderen Währungsräumen seien, desto sinnvoller scheine der Abschluss einer «Wechselkursversicherung» zu sein. Allerdings hat die Nationalbank den Schweizer Investoren in diesem Zusammenhang mit der Aufhebung der Kursuntergrenze und der Einführung negativer Zinsen Knüppel zwischen die Beine geworfen. Schliesslich machten der starke Franken und «grosse Zinsdifferenziale» die Absicherung von Wechselkursrisiken oft zu einer teuren Angelegenheit.

Home-Bias als Alternative
 

In solchen Fällen könne es für Schweizer Anleger manchmal sinnvoll sein, auf den Kauf ausländischer Wertpapiere zu verzichten und stattdessen eher auf heimische Valoren zu setzen, sagt Frau Hechler. In diesem Sinne stelle der vielfach kritisierte Home-Bias, also die natürliche Neigung zum Kauf heimischer Wertpapiere, manchmal eine günstige Alternative zur teuren Wechselkursabsicherung dar.

Sie weist aber auch auf die damit verbundenen Nachteile hin. So könne der Home-Bias zu sogenannten Klumpenrisiken führen. Tatsächlich sind solche nicht von der Hand zu weisen. Orientiert sich ein Anleger bei der Zusammenstellung seines Aktienportfolios an einem Index wie dem SMI, geht er beachtliche Unwägbarkeiten ein. Schliesslich wird die Kursentwicklung dieses Börsenbarometers von wenigen Papieren wie jenen von Nestlé, Novartis oder auch von Roche dominiert. Sollte eine dieser Firmen in ähnliche Schwierigkeiten geraten wie jüngst Volkswagen, liessen sich entsprechende Wertverluste im relativ einseitig ausgerichteten Depot kaum vermeiden. Besonders schwerwiegend wären strukturelle Änderungen innerhalb einer Branche. Kein Wunder, dass in den vergangenen Wochen einige Anleger nervös geworden sind, nachdem politische Diskussionen über die Gestaltung der Preispolitik im Pharmasektor aufgekommen waren.

Firmen organisch diversifiziert
 

Die weitverbreitete Kritik an einer zu starken Konzentration der Aktienanlagen auf den heimischen Markt leitet sich gemeinhin aus der Portfoliotheorie ab. Diese besagt, dass die Verteilung der Geldanlage auf verschiedene, voneinander statistisch möglichst unabhängige Anlageklassen die Rendite bei gleichbleibendem Risiko steigern kann. Deswegen sei es auch sinnvoll, das Finanzvermögen eines Anlegers auf viele internationale Märkte zu verteilen. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass sich diese Theorie und die Praxis nicht immer zur Deckung bringen lassen. So entwickeln sich die Kurse verschiedener Wertpapier-Klassen im Verhältnis zueinander instabiler als vielfach erwartet. Im Währungsbereich hat die Stärke des Frankens dazu geführt, dass Schweizer Anleger mit Auslandsinvestments vielfach hohe Verluste machten.

Inzwischen rechnen viele Fachleute damit, dass sich die Schweizer Währung bald etwas abschwächen werde, und raten auch aufgrund der vor allem in den Schwellenländern stark gefallenen Kurse zu entsprechenden Investments. Allerdings spricht der langfristige Trend zur Frankenstärke genauso dagegen wie beachtliche Transaktionskosten und mögliche Informationsdefizite, die bei Auslandsanlagen auftreten können. Zudem gibt es weitere gute Gründe, um als Schweizer Anleger trotz hoher Bewertung bei heimischen Aktien zu bleiben.

Denn viele Unternehmen des Landes sind international breit aufgestellt, also quasi organisch diversifiziert. Möglicherweise sind sie auch besser in der Lage, mit Währungsrisiken umzugehen, als die Anleger. Immerhin haben sie die Möglichkeit, operativ auf die Veränderung von Währungsrelationen zu reagieren – was Investoren so nicht können.

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