Investieren im Tiefzinsumfeld

Schwierig ist die Situation für viele Anleger wegen des Umfelds, aber auch wegen der erlittenen Verluste. Ein Portfolio ist keine Ansammlung von Investment-Ideen, sondern ein langfristiger Plan.

Eigentlich braucht man ja gar nicht mehr zu wissen als das: «Tief kaufen und hoch verkaufen.» Das reicht als Verhaltensmuster schon aus, um an der Börse Geld zu verdienen. Im echten Leben ist es dann leider doch nicht ganz so einfach. Die Finanzkrise hat viele Anleger erschüttert. Die aktuelle Ausgangslage, die historisch tiefen Zinsen, kann man ohne Weiteres als Ausnahmezustand bezeichnen. Viele Privatanleger hätten die Orientierung verloren, schildert Daniel Kalt, Chefökonom Schweiz der UBS. Das ist verständlich; wenn man in der Krise die Hälfte seines Vermögens verloren hat, dann dürfte man für längere Zeit traumatisiert sein. All diejenigen, die bei den Tiefstständen der Aktienbörsen aus Panik verkauft, die Erholung der Märkte verpassthaben und heute noch über grosse Cash-Bestände haben, seien gegenwärtig in einer schwierigen Situation, sagt Kalt.

Durchhalten ist wichtig

Aus diesem Grund ist es wichtig, stetig investiert zu bleiben – oder noch grundlegender ausgedrückt: Ob man in Aktien investiert oder nicht, ist nicht etwas, das man bei jeder Krise neu entscheiden sollte. Im Gegenteil, hat man sich einmal dafür entschieden, weil es zum persönlichen Risikoprofil und Anlagehorizont passt, dann gibt es an diesem Entscheid nicht mehr viel zu rütteln, auch wenn temporär Verluste auftreten sollten.

Hat man das nicht beherzigt und den Aufschwung verpasst, dann muss man sich derzeit fragen, ob man Aktien kaufen soll, wenn die Börsen Höchststände erreichen. Diese Frage hört Kalt oft. Es sei aber schon seit hundert Jahren so, dass die Aktienindizes laufend neue Rekorde brechen. Das ist zwangsläufig die Folge von Wirtschaftswachstum und Inflation. Wichtig ist nicht, wie hoch ein Index steht, sondern wie teuer ein Markt bewert ist. Gemäss dem üblichen Bewertungsmass, dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), aber auch seiner modifizierten Form, dem Shiller-KGV, gibt es heute an den Aktienmärkten keine exzessiv hohe, aber eine überdurchschnittliche Bewertung.

Wer Entscheide über sein Vermögen an die Bank oder einen Vermögensverwalter delegiert, muss sich im Prinzip nicht mehr um viel kümmern. Seine wichtigste Aufgabe bestehe darin, seine Kunden zu bremsen und sie davor zu bewahren, zu grosse Risiken einzugehen, wenn es aufwärtsgehe; im Gegenzug müsse er sie trösten und davon abhalten, sich von den Märkten zu verabschieden, wenn es abwärtsgehe, sagt ein Vermögensverwalter. Die Denkweise, nach der eine Bank ihre Anlageentscheide trifft, dürfte aber auch für selbst bestimmende Kunden eine nützliche Inspiration sein. Die UBS beispielsweise unterscheidet zwischen strategischer und taktischer Vermögensallokation. Eines ist der langfristige Plan über einen Horizont von fünf bis sieben Jahren, der Grundsätzliches entscheidet; das andere ist eine kurzfristige (über sechs Monate reichende) Anpassung des Planes an die aktuellen Verhältnisse.

Ein Anfängerfehler bei der Geldanlage besteht darin, zu stark auf die Aktualität zu schauen und kein festes Grundgerüst – also keine Strategie, die diesen Namen verdient – vor Augen zu haben. Wer sich von irgendwelchen Ideen leiten lässt, heute diese Aktie kauft und morgen Gold und übermorgen wieder etwas anderes, der wird langfristig kaum richtig liegen.

Nicht launenhaft anlegen

Strategie bedeutet beispielsweise, bei einem ausgewogenen Portfolio festzulegen, dass der Aktienanteil 42% betragen soll. Bei einer taktischen Anpassung verändere sich dieses Gewicht nur um einige Prozentpunkte nach unten oder oben, erläutert Kalt. Das kann dann auch heissen, dass man europäische und japanische Aktien derzeit ein bisschen übergewichtet, wie es die UBS zurzeit tut. Wer selber wenig Anlagedisziplin besitzt und zwischen den Polen Euphorie (100% Aktien) und Panik (100% Cash) oszilliert, für den sind die Kosten eines Vermögensverwaltungsmandates gut eingesetztes Geld. In einem üblichen Mandat sind bei der UBS weder Immobilien noch Gold zu finden. Anfang 2014 wurde auch die strategische Allokation von Rohstoffen auf null reduziert.

Das Thema, das derzeit die Ausrichtung eines Portfolios bestimmen muss, ist die unterschiedliche geldpolitische Richtung, die Europa und die USA einschlagen. In den USA dürften die Zinsen wieder steigen, nachdem sie in der Tendenz seit 1979 (Ölkrise) gefallen sind. In der Schweiz dürfte das Tiefzinsumfeld hingegen noch vier oder fünf Jahre anhalten, sagt Anja Hochberg, Chefanlagestrategin bei der Credit Suisse. Sie nennt das die – aus Anlegersicht – bittere Realität. Zwar erscheinen Aktien deswegen derzeit grundsätzlich attraktiver als Obligationen. Hochberg rät aber davon ab, sich ganz von Anleihen zu verabschieden. Ein Portfolio soll das Resultat eines strukturierten Prozesses sein, und Anleihen haben unabhängig von der Ausgangslage die Funktion, Wertschwankungen zu dämpfen. Vielmehr müssten Anleger versuchen, Risiken und Renditen kontrolliert zu erhöhen. Damit meint sie beispielsweise, (europäische) Unternehmensanleihen anstelle von Staatsanleihen zu kaufen.

Bewertung beachten

Weil die Zinsen in der Schweiz tief bleiben, werden dividendenstarke Aktien so rasch nicht an Attraktivität einbüssen. Das stützt zugleich ihre Bewertung, weil es an Alternativen mangelt. Bei den Schweizer Aktien bestehen aber durchaus Bewertungsunterschiede. Small- und Mid-Caps hält Hochberg wegen der günstigen Bewertung für ein erfolgversprechendes Anlagethema. Betrachtet man die Unternehmensgewinne, so zeigt sich, dass sie in Europa noch Raum haben, um sich zu verbessern, in den USA jedoch kaum mehr.

Sieben Jahre mögen eine lange Zeit sein, in der viel passieren kann. Als strategischer Anleger sollte man seinen Blick aber so weit schweifen lassen.

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