Das Virus brachte den Durchbruch. Ob Immunologinnen oder Ingenieure, Psychologinnen oder Ökologen, CEOs oder CIOs: Resilienz ist «in aller Munde». Die Bedeutung des Begriffs variiert je nach Fachgebiet, bleibt aber immer nahe beim lateinischen Ursprung – resilire für «abprallen, zurückspringen». Vereinfacht steht Resilienz für Widerstandsfähigkeit. Resiliente Lebewesen, Organisationen oder Systeme lassen sich durch Stress oder andere «Viren» nicht unterkriegen. Nach Krisen sind sie im besten Fall stärker als davor: Resilienz stärkt ihr Immunsystem.

Resilienz bedeutet nicht, in Stresssituationen Widerstand bis zum Umfallen zu leisten. Im Gegenteil: Die grösste Stärke resilienter Unternehmen sind ihr dynamisches Anpassungsvermögen und ihr Lernvermögen, aus Krisen die richtigen Schlüsse zu ziehen. So, wie das menschliche Immunsystem Viren, Bakterien und andere Gefährdungen braucht, um seine immunisierende Wirkung aufzubauen und zu erhalten, so brauchen Unternehmen Krisen, um resilient zu werden. Was ihnen aber nur gelingt, wenn für Stresssituationen bewährtes Verhalten bereits verankert ist.

Bei Lebewesen übernimmt die DNA diese Aufgabe, bei Firmen ist es die Unternehmenskultur. Für beide gilt: je anpassungsfähiger, desto überlebensfähiger. Resiliente Unternehmen zeichnen sich durch eine Kultur aus, die sie befähigt, schneller eine Lösung für Herausforderungen zu finden, beispielsweise nach «Brute-Force-Angriffen» nicht noch mehr statische Firewalls zu installieren, sondern die Hacker mit flexiblen, redundanten Netzen ins Leere laufen zu lassen. Oder als Reaktion auf Lieferengpässe nicht Chips zu horten, sondern alternative Lieferketten aufzubauen und/oder das Design anderen Komponenten anzupassen.

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Wie Ihr Unternehmen resilienter wird

In aller Kürze: Resilienz bewirken Sie, indem Sie die Voraussetzungen dafür proaktiv in der Unternehmenskultur verankern. Denn Resilienz ist eine etablierte Fähigkeit und kann nicht auf Abruf entstehen. Ihr Unternehmen muss bereits resilient sein, um an Krisen zu wachsen. Resiliente Unternehmen verfügen über Eigenschaften, die bei «normalen» Firmen deutlich schwächer ausgeprägt sind. Vor allem besitzen sie ein feines Sensorium für ihr Umfeld: Sie wirken wacher, und ihre Antennen registrieren Entwicklungen, lange bevor sie zum Thema werden. Ebenso dazu gehört eine enorme Beweglichkeit – solche Unternehmen reagieren früher und schneller auf neue Situationen.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist ein ausgeprägter Wille zum Wandel, ja eine Freude an Veränderungen. Resiliente Unternehmen zeichnen sich aus durch eine grundlegende Offenheit für bessere Lösungen – ganz egal, ob der Anstoss dazu vom VR-Präsidenten kommt oder von Auszubildenden. Ein weiteres Merkmal resilienter Unternehmen ist ihre positive Grundhaltung, mit der sie sich neuen Entwicklungen anpassen.

Bei resilienten Unternehmen werden Sie feststellen, dass diese Charakterzüge kein Zufall, sondern in ihrer Unternehmenskultur verankert sind. Und noch etwas wird Ihnen auffallen – spätestens wenn Sie mit den Mitarbeitenden dieser Firmen sprechen: Auf allen Ebenen, in allen Funktionen finden Sie überdurchschnittlich viel unternehmerisch denkende, lösungs- und kundenorientierte Persönlichkeiten mit einem wachen Geist, schneller Auffassungsgabe, klaren Analysen, selbstständigem Denken und Handeln. Sie haben Freude an ihrer Tätigkeit, sind stolz auf ihren Arbeitgeber – und nutzen die Chancen, die sich ihnen bieten.

Gleich und gleich gesellt sich gern

Resiliente, sich laufend neu erfindende Unternehmen und resiliente Persönlichkeiten mit hohem Gestaltungswillen ziehen sich an. Doch nicht alle Menschen lieben die stete Veränderung und freuen sich auf permanente Herausforderungen. Auch hier profitieren Unternehmen von ihrer anspruchsvollen Kultur – in Form eines klaren Images. Dieses macht das Unternehmen für die eine passende Gruppe von Menschen hoch attraktiv. Andere werden sich wohl kaum auf eine Stelle in einem resilienten Musterbetrieb bewerben oder dessen Akzeptanz erreichen.

Wenn der Courant nie normal ist

Auf den ersten Blick erscheint das trivial: Herausforderungen sind dazu da, um angenommen zu werden. Indem Sie diese vermeintliche Selbstverständlichkeit in Ihrer Unternehmenskultur verankern, fördern Sie den Willen der Belegschaft, zu lernen und umzulernen. Es muss in Ihrem Unternehmen zum «Business as usual» und zum Alltag gehören, sich aus einer anderen Perspektive zu betrachten sowie Abweichungen von den eigenen Ansprüchen zu bemerken und zu bereinigen!

Wenn Sie auf die letzten 20 Jahre zurückblicken, können Sie entweder eine absolut ungewöhnliche Häufung von Krisen, Katastrophen und disruptiven Technologien erkennen, oder Sie kommen zu dem Schluss, dass es den von vielen herbeierinnerten Courant normal in dieser Form gar nicht gibt.

Wenn Sie feststellen, dass es in Ihrem Unternehmen wie am Schnürchen läuft, wie das schon immer der Fall war, dann sollten bei Ihnen alle Alarmglocken läuten – wie bei der mir bekannten Firma, die ihren Sales-Zahlen nicht traute, weil sie diese als zu erfolgreich einstufte. Wenn endlich einmal Ruhe herrscht, Ihre Mitarbeitenden die Früchte ihrer Arbeit geniessen – dann haben Sie die perfekten Voraussetzungen, um die Ambitionen neu zu formulieren, um den Anschluss nicht zu verpassen. Perfekt.

Nobody – and nothing – is perfect

Es gibt immer Ansatzpunkte für Verbesserungen, im Kleinen wie im Grossen. Beim Geschäftsmodell oder im Kundendialog. Bei den Finanzen, in der Produktion, in der IT, im Einkauf oder im Verkauf. In der Organisation, in der Geschäftsleitung und in der Talentsuche. Auch das ist per se eine triviale Erkenntnis – allerdings mit grossen Auswirkungen auf die Resilienz, falls Sie die vordergründige Trivialität in der Kultur Ihres Unternehmens festgeschrieben haben. Denn diese Erkenntnis ist vor allem eins: unbequem. Sie wirkt nämlich zuverlässig gegen Selbstzufriedenheit und Sättigung, Stillstand oder Schlendrian. Stattdessen werden Sie zu Ihrer Freude (und zu Ihrem Erstaunen) feststellen, dass Ihre Mitarbeitenden Freude daran gefunden haben, Schwachstellen im Unternehmen zu finden und auszumerzen. Die Kunst steckt in der Priorisierung.

Jetzt erst – dafür aber auch wirklich – können Sie davon ausgehen, dass Ihr Unternehmen die nächste Krise nicht nur einfach irgendwie überstehen, sondern gestärkt und mit Stolz auf die eigene Leistung daraus hervorgehen wird.

Kulturförderung macht resilient

Die Widerstandsfähigkeit Ihres Unternehmens steht und fällt damit, wie gut sich die Mitarbeitenden – ungeachtet ihrer hierarchischen Position – als Individuum integriert fühlen. Ob sie sich einzeln ebenso wie im Kollektiv für ihr Unternehmen und ihre Kunden engagieren können. Nur in einem solchen Klima können (und werden) sie Ambitionen zeigen, sich mit Freude einsetzen, ihr Bestes geben, ihr Wissen einbringen und ihre Ideen teilen.

Die Unternehmenskultur ist die Quelle der Resilienz Ihres Unternehmens.

Eine wirkungsvolle Kultur erleichtert es Ihren Mitarbeitenden, ihre eigenen Überzeugungen einzubringen. Sie sollen sich dabei einzig und allein an den Bedürfnissen ihrer Kunden orientieren und nicht an denen ihrer Vorgesetzten. Aus diesem Vertrauen entwickeln Ihre Beschäftigten einen «Heimvorteil»: Sie werden Veränderungen und Stresssituationen als Herausforderung wahrnehmen, als Einladung an ihre Gestaltungsfähigkeit – und nicht als Bedrohung. In einer Krise entsteht aus einem derartigen Vertrauen fast wie von allein Loyalität zum Unternehmen; es verhindert Gärtchendenken und fördert eine offene und schnelle Kommunikation. Und da heute niemand wissen kann, was morgen sein wird, fördert ein solches Vertrauen beim Individuum auch die beruhigende Gewissheit, die eigene Zukunft erfolgreich gestalten zu können.

Kombinieren Sie diese Offenheit mit dem Potenzial der Digitalisierung, und es werden sich vielfältige Optionen für innovative Ökosysteme und Kooperationen mit Partnerunternehmen eröffnen. Die Zusammenarbeit mit lokalen, regionalen und internationalen Partnern ist ein Nährboden für neue Ideen und innovative Lösungen. Sie stärkt bei beteiligten Unternehmen die Resilienz und fördert die Zuversicht, hierdurch noch flexibler auf Herausforderungen und Krisen reagieren zu können.

So fördern Sie eine resiliente Unternehmenskultur

Erstens fördert es das gemeinsame Verständnis, die Inhalte der Firmenkultur gemeinsam zu entwickeln und zu formulieren sowie um Werte, Worte und Interpretationen zu ringen. Und zweitens kann man vom Gegenüber nur dann einfordern, sich an sein Wort zu halten, wenn man sich es auch gegenseitig und am besten schriftlich gegeben hat. Die Führungskräfte und Mitarbeitenden müssen Beteiligte sein beim Definieren und Formulieren des «Kodex», da erst die gleichberechtigte Mitsprache echte Identifikation zulässt. Die Zeiten von Top-down-Verhaltensrichtlinien sind definitiv vorbei.

Wenn Sie die Unternehmenskultur verbessern, erzielen Sie mehr Wirkung ohne Mehraufwand.

Auslöser zur weiteren Entwicklung der Unternehmenskultur können eine Krise sein, Ambitionen, ein Stresstest – oder die einfache Frage, wie die Zusammenarbeit in Teams neu gestaltet werden soll in Anbetracht der neuen Möglichkeiten und von Homeoffice. Allein die gemeinsame Diskussion über solche Impulse stärkt die Resilienz. Ausschlaggebend ist die Ernsthaftigkeit der Eigentümer, VR-Mitglieder und der Geschäftsleitung. Feigenblätter und Lippenbekenntnisse werden schnell enttarnt im Unternehmen, und das gemeinsame Interesse am Engagement für gemeinsame Werte und dauerhafte Weiterentwicklung verschwindet im Nebel der Kurzfristigkeit.

Kernwerte sind unverhandelbar, nicht aber die konkrete Ausprägung und Interpretation

Kernwerte sind der Anker einer Unternehmenskultur. Sie bleiben langfristig. Dennoch sollten Sie regelmässig prüfen, ob die Ausprägung und die Interpretation der Grundwerte noch der aktuellen Realität entsprechen. Wie gehen Sie um mit Privatsphäre, Betriebsgeheimnissen und Videokonferenzen aus dem Homeoffice? Wie steht Ihr Unternehmen zu Diversität? Wie gestalten Sie den Arbeitsplatz oder vielmehr den Arbeitsraum anno 2030?

Alle diese Themen involvieren das ganze Unternehmen. Und über das gegenseitige Geben und Nehmen entwickeln sich in Unternehmen Gruppen zu Gemeinschaften, die Unternehmensgrenzen transzendieren lassen und sogar zu neuen Geschäftsmodellen führen können – sei es auch nur für Aus- und Weiterbildungszwecke. Ihre Eigenwirkung gibt Mitarbeitenden Perspektiven, Zuversicht, stärkt ihr Vertrauen in das Unternehmen und somit auch die Resilienz.

Drei Tipps: So stärken und nutzen Sie die Unternehmenskultur gleichzeitig

Die enge Wechselwirkung zwischen Unternehmenskultur und Resilienz können Sie sich zunutze machen, indem Sie bei der Weiterentwicklung die Unternehmenskultur als Priorität definieren und an Themen arbeiten, auf die Sie sonst ohnehin reagieren müssen, wenn sie plötzlich relevant werden. Automatisch fördern Sie damit auch Resilienz – mit einfachem Fokus und Aufwand unternehmerisch und proaktiv umgesetzt:

Das Wesentliche zuerst (und zum Schluss)

Worauf kommt es Ihnen an? Was ist die Essenz Ihres Unternehmens und damit auch Ihrer Unternehmenskultur? Sinn und Zweck, Vision und kompromisslose Werte? Wenn Sie mehr als eine Seite brauchen, um das Wichtigste aufzulisten, dann ist Ihnen zu viel zu wichtig. Schneiden Sie weg, streiten Sie um jeden Buchstaben, lassen Sie warme Luft raus und destillieren Sie so lange, bis es kristallklar wird. Und das alles machen Sie im Kollektiv – nie allein.

Danach stellen Sie sich vor den Spiegel und lesen sich das Ergebnis laut vor. Und Sie vergewissern sich, dass Sie auch wirklich von Ihrem Unternehmen sprechen, nicht von einem Ideal, und dass Sie persönlich daran glauben. Dann werden diese Inhalte dank Ihnen und dank des gemeinsamen Erarbeitens der unteilbare gemeinsame Nenner Ihres Unternehmens. Damit haben Sie die Basis geschaffen, damit Ihr Unternehmen aus seiner Kultur auch Resilienz schöpft: Dann stärkt die Resilienz Ihrer Mitarbeitenden die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens – und umgekehrt.

Werden Ihre Worte in Ihrem Unternehmen nicht gelebt, dann brauchen Sie kein Resilienzförderungsprogramm, sondern einen klaren gemeinsamen Blick auf Ihre Führungs- und Entscheidungskultur. Das geht schnell, und der Aufwand steht in keinem Verhältnis zur Wirkung – im positiven Sinn: ein Blitzstart mit einer Ambition, die nie aufhört, auf eine Kultur, wie Sie sie gestalten wollen. Erst damit verfolgen Sie die Absicht der Besten: gleichzeitig an Profitabilität, an strategischen Fähigkeiten und an Ihrer Kultur zu arbeiten. Nichts macht resilienter.

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Dr. Remo L. Häcki

Dr. Remo L. Häcki

Leiter Corporate and Institutional Clients Region Bern

Remo Häcki ist seit 2017 bei UBS Corporate and Institutional Clients und leitet die Region Bern. Davor wirkte er als unabhängiger Berater für M&A (Fusions- und Akquisitionstransaktionen) bei Privatbanken und Asset Manager, transformierte eine Schweizer Bank als CEO und arbeitete in der internationalen Unternehmensberatung.
Parallel zur Tätigkeit in der Unternehmensberatung doktorierte er an der Universität St. Gallen, wo er auch Wirtschaftswissenschaften studierte.

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