Was ist geschehen?

Am Mittwoch führten europäische Banken einen Abverkauf an den globalen Aktienmärkten an. Der S&P 500 schloss um 0,7% tiefer, der Stoxx Europe 600 büsste 2,9% ein und der Teilindex der europäischen Banken fiel um 6,9%. Innerhalb des Sektors stürzte die Credit Suisse um 24% ab, BNP Paribas verlor 10% und Société Générale 12%.


Die Stimmung im europäischen Bankensektor war bereits nach der Pleite der Silicon Valley Bank in den USA negativ gewesen. Dann deutete der Vorsitzende der Saudi National Bank, des Hauptaktionärs der Credit Suisse, jedoch an, dass diese im Bedarfsfall kein zusätzliches Kapital für die Credit Suisse bereitstellen würde. Dies trieb den Sektor weiter nach unten.


Die Anleihenmärkte eskomptierten umgehend eine moderatere Zentralbankpolitik. Die Rendite der 2-jährigen deutschen Bundesanleihen fiel um 48 Basispunkte (Bp.), die Rendite der 2-jährigen Schweizer Staatsanleihen um 35 Bp. und die Rendite der 2-jährigen US-Treasuries um 36 Bp. Die Europäische Zentralbank (EZB) trifft sich an diesem Donnerstag zu ihrer geldpolitischen Sitzung. Bisher wurde allgemein erwartet, dass sie die Leitzinsen um 50 Bp. anheben würde. Die Schweizerische Nationalbank und die US-Notenbank Fed halten ihre Sitzungen in der nächsten Woche ab. Auch der US-Dollar stieg gegenüber dem Euro kräftig an, da die Anlegerinnen und Anleger in sichere Anlagen flüchteten.


Was sind die Zusammenhänge?

Nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank in der letzten Woche sind die Märkte mit drei zusammenhängenden, aber unterschiedlichen Problemen konfrontiert: Solvabilität, Liquidität und Profitabilität der Banken.


Kurz gesagt sind wir der Ansicht, dass die Befürchtungen über die Solvabilität der Banken übertrieben sind. Die meisten Banken verfügen nach wie vor über hohe Liquiditätspositionen. Daher sind die Einleger der allermeisten Institute weiterhin gut geschützt. Einige wenige Banken könnten jedoch eine Liquiditätsunterstützung durch die Zentralbank benötigen, wenn die Finanzierungsbedingungen über längere Zeit schwierig bleiben sollten. Ausserdem nehmen die Belastungen für die Profitabilität des Sektors zu.


Die Solvabilität einer Bank – der Grad, in dem die Vermögenswerte einer Bank ihre Verbindlichkeiten übersteigen – ist eine wichtige Kennzahl für Einleger und Aufsichtsbehörden. Sie verkörpert die fundamentale Fähigkeit der Bank, die Einlagen zurückzuzahlen. Für die Silicon Valley Bank war dies ein Problem. Sie hatte einen grossen Teil ihrer Vermögenswerte in Wertpapiere investiert, deren Wert später fiel. Diese Schwachstelle trat zutage, als sie Vermögenswerte verkaufen musste, um Einleger auszuzahlen, die ihre Mittel zurückgefordert hatten.


Bei der grossen Mehrheit der anderen Banken ist die Solvabilität unseres Erachtens jedoch kein Problem. Dies gilt insbesondere für global systemrelevante Banken (G-SIBs). Sie unterliegen seit der Finanzkrise von 2008 einer strengen aufsichtsrechtlichen Überwachung, um sicherzustellen, dass sie über mehr als ausreichende Überschüsse an Vermögenswerten gegenüber den Verbindlichkeiten verfügen – selbst unter wirtschaftlichen Stressszenarien. Ausserdem darf nicht vergessen werden, dass diese Banken aufgrund der regulatorischen Eigenmittelanforderungen regelmässige Marktwertberichtigungen für Wertpapiere vornehmen müssen, die als «zur Veräusserung verfügbar» geführt werden.


Die Liquidität einer Bank – der Grad, in dem eine Bank ihre Verpflichtungen rechtzeitig erfüllen kann – ist ebenfalls eine wichtige Kennzahl. Die Aufsichtsbehörden überprüfen regelmässig, ob die Banken in der Lage sind, ihre Verpflichtungen rechtzeitig zu zahlen – selbst in Zeiten, in denen vorübergehend keine externen Finanzmittel verfügbar sind. Wenn es einer Bank jedoch nicht gelingt, ein ausreichendes Vertrauen aufzubauen, um über sehr lange Zeit Einlagen zu binden oder grosse Kreditgeber anzuziehen, kann es immer noch zu einer Liquiditätskrise kommen. Dies wirkt sich zwar nicht zwangsläufig auf die Fähigkeit einer Bank aus, ihre Gläubiger letztendlich auszuzahlen (sprich, ihre Solvabilität). Sie ist jedoch möglicherweise darauf angewiesen, dass ein «Kreditgeber der letzten Instanz» eingreift, um Diskrepanzen zwischen den Laufzeiten von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten zu überbrücken.


Die jüngsten Massnahmen des Einlagensicherungsfonds Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), der Garantien für Einlagen abgegeben hat, und der Fed, die Banken Kredite für die erforderlichen Mittel bereitstellt, sollten liquiditätsbedingte Risiken von US-Banken und US-Filialen ausländischer Banken ausräumen. Dass es in Europa keine solchen Ankündigungen gab, trug zu der schwachen Stimmung gegenüber dem Sektor während der jüngsten Handelssitzungen bei. Die Schweizerische Nationalbank kündigte allerdings nach dem Handelsschluss am Mittwoch an, sie werde «im Bedarfsfall ... Liquidität zur Verfügung stellen.»


Die Profitabilität einer Bank – der Grad, in dem die Erlöse einer Bank ihre Kosten nachhaltig übersteigen – ist die letzte wichtige Kennzahl, denn die Profitabilität verkörpert die Fähigkeit einer Bank, ihren Aktionären und Kapitalgebern nachhaltige Renditen zu bieten.


Weitere Informationen finden Sie im CIO Alert « Turbulenzen bei US-Banken – häufig gestellte Fragen und Auswirkungen für die Kapitalanlage,» vom 13. März 2023.


Es ist wichtig, sich vor Augen zu rufen, dass die europäischen Banken zu Beginn dieses Jahres bereits um über 20% gestiegen sind, da die Märkte hofften, dass die gestiegenen Zinssätze zu höheren Nettozinsmargen führen und damit die Profitabilität stärken würden. Und selbst nach dem Kursrutsch vom Mittwoch liegt der Sektor seit Jahresbeginn immer noch leicht im Plus. In diesem Umfeld kann der Abverkauf auch unter dem Gesichtspunkt der «enttäuschten Hoffnungen» betrachtet werden.


Trotzdem müssen wir einräumen, dass die Belastungen für die Profitabilität zunehmen. Einige Banken werden gezwungen sein, die Einlagenzinsen anzuheben, um die Gefahr des Abzugs von Einlagen zu verringern. Die grossen Kreditgeber könnten ebenfalls höhere Renditen fordern, wodurch die Finanzierungskosten steigen. Banken könnten daher beschliessen, keine neuen Kredite auszureichen, um ihre Liquidität zu stärken. Schwächere Konjunkturaussichten wiederum könnten Banken dazu zwingen, höhere Rückstellungen für künftige Kreditverluste zu bilden.


Wie sollte man anlegen?

Unseres Erachtens sind die Befürchtungen über die Solvabilität führender Banken übertrieben. Aufgrund der starken Kapitalpositionen und der strengen aufsichtsrechtlichen Überwachung der G-SIBs rechnen wir nicht mit Solvabilitätsproblemen bei führenden Banken. Darüber hinaus dürften die Massnahmen des FDIC und der Fed Liquiditätsrisiken bei US-Banken und US-Filialen ausländischer Banken lindern. Die Liquiditätspositionen der meisten europäischen Banken sind wiederum sehr stark. Vor diesem Hintergrund ist das Risiko für die Einleger bei den allermeisten Instituten unseres Erachtens extrem gering.


Andererseits führen die strengeren Finanzierungsbedingungen zu höheren Liquiditätsrisiken bei einigen wenigen Banken. Ausserdem nehmen die Belastungen für die Profitabilität der Banken allgemein zu. Im Hinblick auf die Aktienmärkte sind wir der Ansicht, dass Anlegerinnen und Anleger mit zu hohen Engagements in Bankaktien (im MSCI All Country World Index haben Finanzwerte ein Gewicht von etwa 15%) in andere Sektoren diversifizieren sollten. Wir beurteilen europäische Finanzaktien «neutral» und US-Finanzaktien als «Least Preferred».


Allgemein sehen wir erstklassige Anleihen im aktuellen Umfeld als attraktive Anlagen an. Anleihen bieten Anlegern mit hohen Barpositionen die Möglichkeit, ihr Kreditrisiko zu diversifizieren, und eine Gelegenheit, sich in einer Zeit der Unsicherheit über die künftige Zinsentwicklung Renditen zu sichern. Uns gefallen erstklassige und Investment-Grade-Anleihen. Die von uns bevorzugten defensiven Anleihenthemen haben im Zuge des jüngsten Zinsrückgangs kräftig zugelegt. Sie dürften weiteren Auftrieb erhalten, wenn die Märkte eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Rezession oder deutlichere künftige Zinssenkungen vorwegnehmen.


Bei Aktien beurteilen wir US-Aktien als «Least Preferred». Die Fed ist mit einer zunehmend schwierigen Gratwanderung zwischen der Inflationsbekämpfung und den Risiken für das Wachstum sowie die finanzielle Stabilität konfrontiert. Dadurch verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine «sanfte Landung» zuwege bringt Wir bevorzugen Schwellenländeraktien, die günstiger bewertet sind als US-Titel und durch die Wiedereröffnung Chinas Unterstützung erhalten. Auf der Sektorebene beurteilen wir den globalen Basiskonsumgütersektor als attraktiv, da die relative Gewinndynamik in diesem Bereich positiv ist und stärker wird. Ausserdem haben wir eine Vorliebe für Strategien, die aus direkten Aktienengagements in Kapitalerhaltungsstrategien umschichten, um Aktienmarktrisiken abzusichern.


Am Devisenmarkt dürfte der US-Dollar zwar kurzfristig Zufluchtskäufe anziehen, doch unseres Erachtens ist er überbewertet und wird sich auf längere Sicht gegenüber den meisten G10-Währungen abschwächen. Daher sollten Anleger nach unserer Meinung Phasen der Dollar-Stärke nutzen, um Allokationen in der Währung zu reduzieren. Anleger, die sich Sorgen über das Risiko einer Finanzkrise machen, könnten eine Diversifikation in anderen traditionellen Zufluchtsanlagen wie dem Schweizer Franken und Gold in Betracht ziehen. Anleger mit einer grösseren Risikobereitschaft weisen wir darauf hin, dass wir es immer noch für möglich halten, dass sich die Fed näher am Ende ihres Straffungszyklus befindet als die EZB. Dies sollte dem Euro zugutekommen. Wenn Anleger der Ansicht sind, dass sich die vom Binnenkonsum angetriebene Erholung in China trotz der Ereignisse im US-Bankensystem fortsetzen kann, empfehlen wir den australischen Dollar, den wir mit «Most Preferred» einstufen.


Lesen Sie die wachsam hier.