Langlebig per Design? Messung und Minderung der physischen Risiken des Klimawandels
Die Ergebnisse des jüngsten IPCC Climate Change Synthesis Report zeigen, dass die derzeit umgesetzten politischen Massnahmen dazu führen dürften, dass die globale Erwärmung bis 2100 auf 3,2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau ansteigt. Viel muss getan werden, damit die globale Erwärmung innerhalb der Grenzen der kleinen verbleibenden CO₂-Budgets verbleibt, den Zielwert von 1,5 Grad Celsius nicht übersteigt und die katastrophalen Klimafolgen auf ein Minimum reduziert werden.
Allee Zhang spricht über die physischen Risiken des Klimawandels und die daraus resultierenden Folgen für Realwerte.
Obwohl bei der Beschleunigung der Dekarbonisierung emissionsstarker Industriesektoren diverse Fortschritte erzielt wurden, steht bereits heute fest, dass uns aufgrund historischer Emissionen eine erhebliche Erderwärmung bevorstehen wird.1 Der Grad dieser Erwärmung und jeder Anstieg der Temperatur seither verschlimmern die Folgen des Klimawandels und lassen extreme Wetterereignisse häufiger, schwerwiegender und unvorhersehbarer werden.
Forschungen der University of Oxford sowie von JBA-Wissenschaftlern haben ergeben, dass extreme Überflutungen in Regionen mit deutlichen Temperaturschwankungen im Verlauf der Jahreszeiten häufiger auftreten. Was früher ein 50-jähriger Flutrekord war, tritt nun alle 21 Jahre auf, und eine 20-jährige Rekordüberschwemmung ereignet sich alle acht Jahre.2 Hinzu kommt, dass das Wiederauftreten extremer Überflutungen unter Umständen keinem vorhersehbaren Muster folgt.
In diesen unsicheren Zeiten versuchen Versicherungsunternehmen daher, sich vor Verlustrisiken zu schützen und Unsicherheiten zu verringern. Daher müssen für Vermögenswerte höhere Versicherungsprämien gezahlt werden, oder im Extremfall ist gar keine Versicherung möglich. Nach Angaben der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) waren 2023 nur etwa ein Viertel der wirtschaftlichen Verluste infolge extremer Wetterereignisse in Europa versichert3, was zu einer grossen Versorgungslücke beim Versicherungsschutz führte.
Bei Anlagen in Realwerte ist das Verständnis physischer Risiken unerlässlich, um die Anfälligkeit eines Vermögenswerts oder die Widerstandsfähigkeit eines Gebäudes gegenüber bestimmten Klimarisiken nachvollziehen zu können. Dies bedeutet, dass neben Ertragsverlusten auch potenzielle physische Schäden berücksichtigt werden müssen, um Vermögenswerte und Anlageportfolios zu beurteilen und zu steuern, Wertverluste zu mindern und Anpassungen vorzunehmen, wo dies möglich ist, um ihre Widerstandsfähigkeit zu verbessern und ihren Wert zu schützen.
Physische Klimarisiken sowie Übergangsrisiken und andere Nachhaltigkeitsfaktoren sollten daher in die anfängliche Anlageanalyse und den gesamten Lebenszyklus des Vermögenswerts integriert werden. Während der Due-Diligence-Phase können die Ergebnisse früher Überprüfungen darüber entscheiden, ob weitere klimabezogene Untersuchungen angestellt werden müssen und wie anhand der Resultate Auswirkungen gemindert oder positive Ergebnisse erzielt werden können. Nach der Übernahme und während der aktiven Management-Phase der Anlage werden physische Klimarisiken auf Vermögensebene im Hinblick auf die Anpassungsfähigkeit gemessen und beurteilt. Bei Bedarf werden Risikominderungspläne aufgestellt, die die Finanzmodelle der Anlage und die Kosten der Minderung des identifizierten physischen Klimarisikos berücksichtigen.
Methodik und Ansatz4
Methodik und Ansatz4
Die Beurteilung des Klimarisikos erfordert eine umfassende Methodik, die sich auf die Wahrscheinlichkeit und das Ausmass von Gefahren, Expositionen und Anfälligkeiten des jeweiligen Vermögenswerts konzentriert. Diese Risikopositionen werden anschliessend auf Portfolioebene auf Basis der Portfoliogewichtung aggregiert.
Der erste Schritt besteht darin, die physischen Klimarisiken auszuwählen, die für die Beurteilung der jeweiligen Art des Vermögenswerts relevant sind. Blitzeinschläge sind beispielsweise ein guter Indikator für mögliche Stürme, aber nicht unbedingt eine wesentliche Gefahr, die im Rahmen von Immobilienanlagen analysiert werden muss, da der physische Schaden wahrscheinlich auf den auftretenden Sturm und nicht auf Blitzeinschläge zurückzuführen ist. Bei der Infrastruktur5 wird in der Regel ein Top-down-Ansatz nach Sektor gewählt. Dabei werden die physischen Klimarisiken untersucht, die Vermögenswerte und Wertschöpfungsketten eines bestimmten Sektors am schwersten treffen würden. So ist es beispielsweise sehr wahrscheinlich, dass Überschwemmungen digitale Infrastrukturanlagen stark beeinträchtigen, was Investitionsausgaben zur Behebung von Schäden und möglicherweise Geldstrafen aufgrund von Dienstunterbrechungen nach sich ziehen kann.
Zu Beginn unserer Beurteilungen untersuchen wir die aktuellen Elementarrisiken eines bestimmten Vermögenswerts an einem bestimmten Standort. Dann werden die relevanten Emissionsszenarien ausgewählt, die Modelle für den Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre und die daraus resultierenden Temperaturveränderungen berücksichtigen. Ein realistisches kurzfristiges Szenario, 2030 RCP4.56, wird als konservatives und «wahrscheinlicheres» Emissionsszenario ausgewählt, während 2050 RCP8.56 als pessimistischeres, langfristiges «Stressszenario» dient. Zudem wird der mittelfristige Zeithorizont von 2040 zur Beobachtung herangezogen, um zu vergleichen, wie sich die Szenarien im Laufe der Zeit verändern. Anhand der Analyse der einzelnen Emissionsszenarien bestimmen wir die Gefährdungsrisiken.
Die Gefährdungen werden basierend auf der Eintrittswahrscheinlichkeit und dem potenziellen Ausmass des Schadens, (z. B. unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten eines tropischen Wirbelsturms) von «sehr niedrig» bis «sehr hoch» eingestuft. Die Risikobänder tragen dazu bei, die langfristige grundlegende Verhältnismässigkeit der verschiedenen Gefahren zu bestimmen und die Vergleichbarkeit zwischen den Risikokategorien zu verbessern. Die Gefahren werden dann je nach Auswirkungsgrad für den Anlagetyp in «direkte» und «indirekte» Gefahren eingeteilt.
Die Gesamtrisikobewertung des Vermögenswerts ergibt sich aus der Kombination der ermittelten Gefahrenwerte und dem Engagement in den Bruttovermögenswert und bildet so den Schwerpunkt der Anfälligkeitsanalyse.
Bei der Betrachtung der Anfälligkeit von Vermögenswerten teilen wir die Definition in drei Komponenten auf. Erstens die Exposition von Vermögenswerten gegenüber den identifizierten Klimarisiken, einschliesslich des betroffenen Bereichs sowie der Schwere und Häufigkeit dieser Gefahren. Hier führen wir die Analyse anhand eines prognostizierten Extremszenarios durch, in dem die identifizierten Gefahren potenziell gleichzeitig auftreten könnten, um ein Bild von den maximalen Auswirkungen des Gefährdungsrisikos des Vermögenswerts zu erhalten. Als Nächstes betrachten wir die Anfälligkeit von Vermögenswerten gegenüber diesen Gefahren basierend auf ihrem Zustand und ihrer Kapazität sowie die wahrscheinlichen Auswirkungen dieser Gefahren auf Menschen und Organisationen. Schliesslich wird die Anpassungsfähigkeit des Vermögenswerts beurteilt, wobei Informationen wie Gebäudetypologie, Bausubstanz, technische Spezifikationen und umgebende Topografie herangezogen werden, um die Reaktion auf Folgen zu ermitteln. Im Hinblick auf Infrastrukturanlagen werden Einrichtungen, Betriebsabläufe, Lieferketten und Ressourcen zur Anpassung an das Klimaereignis ebenfalls bewertet.
Nach Beurteilung der Gefährdung, Anfälligkeit und Anpassungsfähigkeit des Vermögenswerts müssen weitere tiefgreifende Analyseschritte unternommen werden, um zu verstehen, wie Anpassungs- und/oder Minderungsmassnahmen das allgemeine Risiko reduzieren können. Bei Immobilienanlagen erfolgt dies durch die Erfassung sehr spezifischer Risikoelemente, z. B. die Etagenhöhe des Gebäudes, welche über das Ausmass des Hochwasserschadens bestimmen könnte, zusammen mit historischen und modellierten Überschwemmungsdaten. Vermögensverwalter koordinieren und steuern diesen Datenerfassungsprozess für jeden Vermögenswert und arbeiten dabei direkt mit Immobilienverwaltern und Verwaltungsstellen zusammen, um spezifische Informationen zu jedem Gebäude zu erhalten. Die erhobenen Daten werden dann interpretiert und ein (potenziell niedrigeres) Restrisiko-Rating abgeleitet, sofern ein angemessen hohes Mass an Widerstandsfähigkeit gegeben ist. Für Vermögenswerte über dem Risikoschwellenwert werden Minderungspläne einschliesslich voraussichtlicher Kosten und Fristen entwickelt und in den Investitionsausgaben- und Immobilienmanagementplan aufgenommen.
Im Immobiliensektor lassen sich einige Ergebnisse der Klimaanpassung am besten durch gemeinsame Bemühungen und Zusammenarbeit zwischen Vermietern und Mietern erreichen. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass viele dieser Massnahmen, insbesondere solche, die auf akute physische Klimaereignisse wie Überschwemmungen ausgerichtet sind, auch durch umfassendere Prozesse unterstützt werden sollten. Dies umfasst Geschäfts- und Notfallkontinuitätspläne (BCPs und ECPs), um sicherzustellen, dass Aufgaben und Zuständigkeiten in Gestalt von Standardverfahren (SOPs) klar definiert sind, um die Durchführung von Massnahmen zu erleichtern und deren Wirksamkeit zu maximieren.
Bei Infrastrukturanlagen muss die Widerstandsfähigkeit für bestimmte Standorte oder Vermögenswerte aufgrund von bekannten Anfälligkeiten aufgebaut werden, damit sie potenziellen prognostizierten Klimagefahren kurz-, mittel- und langfristig standhalten können. Hier ist die Entwicklung priorisierter Anpassungslösungen in die Kosten-Nutzen-Analyse integriert und mit dem laufenden Investitionsausgabenprogramm abgestimmt.
Wie werden physische Klimarisiken bewertet?
Neben der Identifikation physischer Risiken auf Vermögensebene ist es wichtig, die potenziellen finanziellen Auswirkungen dieser Risiken für den Fall zu identifizieren, dass bei verschiedenen Emissionsszenarien und Zeithorizonten keine Massnahmen ergriffen werden.
Im Fall von Immobilien könnten die Auswirkungen auf den Cashflow auf Mietverluste aufgrund von Schäden an der Immobilie, reduzierte Miete aufgrund sinkender Nachfrage nach einer gefährdeten Immobilie in einer Hochrisikoregion und erhöhte Versicherungsprämien (oder sogar die Unfähigkeit, versichert zu werden) zur Berücksichtigung der höheren physischen Klimarisiken zurückzuführen sein. Bei diesem Ansatz handelt es sich um eine reine Schätzung der Kosten des Nichttätigwerdens ohne umfassendere Prognose der sozioökonomischen Auswirkungen des physischen Klimarisikos. Bei Infrastrukturanlagen kann die finanzielle Wesentlichkeit von Schäden durch klimabezogene Gefahren anhand des prognostizierten Wachstums und der Summe der Schadensfaktoren nach Gefahren sowie des Anteils beschädigter Vermögenswerte mit Produktionskapazität, die sich auf Erträge auswirken, geschätzt werden.
Um die über reine physische Schäden hinausgehenden Auswirkungen des Klimarisikos umfassend zu bewerten, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um das Ausmass und die Schwere der Auswirkungen des Klimawandels auf die weniger greifbaren sozioökonomischen Systeme der Vermögenswerte und umliegenden Standorte zu verstehen. Diese könnten langfristig die grössten Treiber für Bewertungsänderungen sein.
Quellen
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