Infrastrukturanlagen: einige grundlegende Aspekte
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Spätestens nach dem durch den Bundesrat erteilten Ritterschlag als eigenständige Anlagekategorie in der BVV 2 sind Investitionen in Infrastruktur im Fokus vieler Schweizer Vorsorgeeinrichtungen. Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Eigenschaften und Eigenarten der Anlageklasse.

    Seit dem 1. Oktober 2020 enthält Artikel 53 BVV 2 die neue und eigenständige Anlagekategorie Infrastruktur, deren Maximalquote in Art. 55 BVV 2 auf 10 % limitiert ist. Damit gehen Investitionen in beispielsweise Versorgungs-, Verkehr-, Energie-, Kommunikations- und soziale Infrastruktur nicht mehr zulasten der Quote für alternative Anlagen.

    Motivation

    Diese Verordnungsänderung setzt die vom Parlament im März 2018 angenommene Motion von Nationalrat Thomas Weibel um. Er forderte, Infrastrukturanlagen für Pensionskassen attraktiver zu machen. Als Begründung dienten einerseits positive Diversifikationseigenschaften in Form von stabilen und mit traditionellen Anlagen wenig korrelierten Erträgen, andererseits aber auch Ansprüche, mittels solcher Anlagen qualifizierte heimische Arbeitsplätze zu schaffen und in ökologisch nachhaltige Projekte im Inland zu investieren.

    Die angeführten portfoliotechnischen Aspekte eröffnen im Rahmen der Anlagetätigkeit tatsächlich vielversprechende Möglichkeiten. Die auf die inländische Wirtschaftsförderung bezogenen Aspekte dürften hingegen Hoffnungen schüren, deren Erfüllung nicht die Kernaufgabe von Vorsorgeeinrichtungen ist.

    Anlageuniversum

    Da in den oben erwähnten Artikeln der BVV 2 keine Hinweise enthalten sind, welche Anlagen als Infrastruktur qualifizieren, definiert das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) dies in seinen Erläuterungen und Stellungnahmen. Gemäss diesen Ausführungen sind entsprechende Engagements nicht auf das Inland beschränkt, umfassen sowohl Fremd- als auch Eigenkapital und können auch direkt als Einzelanlagen erfolgen, sofern sie – im Verbund – angemessen diversifiziert sind.

    Kollektivanlagen gelten weiterhin als alternative Anlagen, falls sie einen Hebel aufweisen, sprich Fremdkapital auf Stufe Kollektivanlage eingesetzt wird. Dies ist eine Finesse, die in einigen Fällen noch Kopfzerbrechen verursachen dürfte, da die notwendigen Informationen nicht immer vorliegen. Fondsanbieter sollten dies daher im Factsheet offenlegen.

    Umsetzung

    Die Interpretationshilfen des BSV sind zwar hilfreich, aber Vorsorgeeinrichtungen werden bei der Umsetzung einige Entscheidungen treffen müssen, die die Eigenschaften von Infrastrukturanlagen massgeblich beeinflussen (siehe Kasten). Die Vielfalt, die sich bietet, ist weit grösser als bei einigen anderen Anlagekategorien. Eine Herausforderung, der sich die Anlageverantwortlichen bei Vorsorgeeinrichtungen stellen müssen.

    Wichtige Weichenstellungen

    Infrastrukturanlagen erfordern diverse Umsetzungsentscheide, die beispielweise auf das Rendite-Risiko-Profil oder den Liquiditätsgrad einen nicht zu unterschätzenden Einfluss haben. Infrastruktur ist eben nicht gleich Infrastruktur.

    Hier zehn wichtige Punkte:

    1. Kotiert oder nichtkotiert
    2. Direkt- oder Kollektivanlagen
    3. Einzel- oder Dachfonds
    4. Bestehende Infrastruktur (Brownfield) oder Entwicklungsprojekte (Greenfield)
    5. Öffentliche oder private Infrastruktur
    6. Eigen- oder Fremdkapital
    7. Inland oder Ausland
    8. Nach Sektoren und Regionen diversifiziert oder themenorientiert
    9. Wahl des Anlagestils (Core, Value Add oder Opportunistic)
    10. Traditionell oder Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien

    Vor- und Nachteile

    Typischerweise werden Infrastrukturanlagen mit einer Reihe von positiven Charakteristika verbunden, von denen der Anleger profitiert. Die Investitionen erzeugen stabile und vorhersehbare Cashflows, die teilweise sogar einen Inflationsschutz bieten. Die Performance ist meist unabhängig vom Konjunkturzyklus und weist eine tiefe Volatilität auf. Zudem ist die Korrelation mit anderen Anlagekategorien gering, was den Diversifikationsgrad verbessert.

    Ob diese Vorteile tatsächlich zum Tragen kommen, hängt von der gewählten Umsetzung ab, beispielsweise vom Sektor, in den investiert wird. Ob man in Flughäfen oder Telekommunikationsinfrastruktur investiert, ist gerade in Corona-Zeiten ein fundamentaler Unterschied.

    Zudem gibt es weitere beachtenswerte Aspekte. Die eingeschränkte Liquidität (im Sinne der Veräusserbarkeit), die Komplexität hinsichtlich regulatorischer, operativer, technischer und politischer Risiken, die vergleichsweise geringe Transparenz, ein mögliches Klumpenrisiko sowie die aufwandbedingt allfällig höheren Vermögensverwaltungskosten sind Faktoren, die vor dem Investitionsentscheid zu analysieren sind.

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    Risikofaktor Politik

    Zur Illustration, welche Risikofaktoren bei Infrastrukturanlagen eine beachtenswerte Bedeutung erlangen können, kann ein prominentes Risiko herausgegriffen werden: die Politik. Sei es Von der Leyens «European Green Deal», Bidens «Climate Change Plan» oder die neuste Klimastrategie des Schweizer Bundesrats, sie alle beeinflussen mit ihren fiskalischen Stimuli die Attraktivität diverser Infrastruktursektoren massgeblich.

    Wie schnell solche politischen Rahmenbedingungen ändern können, zeigte der jüngste Regierungswechsel in den USA eindrücklich. Investitionen in Infrastruktur sind aber zwangsläufig langfristig ausgelegt und die Anlagen können in aller Regel nicht schnell veräussert werden. Die Reaktionsfähigkeit des Anlegers ist also eingeschränkt.

    Erfolgsmessung

    Wird in Infrastruktur investiert, ist – wie bei allen Anlagen – eine möglichst faire und nachvollziehbare Erfolgskontrolle unabdingbar. Daher wird sich jede Vorsorgeeinrichtung mit der Wahl einer angemessenen Benchmark konfrontiert sehen. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, aber kaum ideale Lösungen. Es gilt somit, die jeweiligen Vor- und Nachteile abzuwägen.

    Auf börsennotierten Anlagen basierende Infrastrukturindizes bieten zwar eine hohe Datenverfügbarkeit, weisen aber spezifische Sektor- und Länderallokationen auf, die für ein individuelles, regional fokussiertes, mit nichtkotierten Einzelanlagen umgesetztes Infrastrukturportfolio völlig ungeeignet sind. Daher kommt häufig der «Inflation plus Aufschlag»-Ansatz zum Einsatz. Als grobe Grössenordnung für diesen Aufschlag ist aktuell am Markt 4 % zu sehen – die angemessene Höhe des Aufschlags hängt jedoch insbesondere von der Umsetzungsart ab.

    Kein Schnellschuss

    Infrastrukturanlagen bieten vielversprechende Investitionsmöglichkeiten. Dies wird durch die Einführung einer eigenständigen Anlagekategorie in der BVV 2 unterstrichen und kommt einer Aufforderung an Anlageverantwortliche gleich, diese Kategorie genau zu verstehen.

    Die Vielfalt an Anlageoptionen sowie das Vorhandensein von spezifischen Risiken und zu beachtender Aspekte legen eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Materie nahe, um die gewünschten Anlageziele erreichen zu können.

    Sven Ebeling

    Sven Ebeling

    Asset Servicing Switzerland, UBS Switzerland AG

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