Business dank Kreativität: Tina Roth Eisenberg, bekannt als Swiss Miss, ist mit abwaschbaren Tattoos auf eine Marktlücke gestossen. Bild: Catalina Kulczar

Tina Roth Eisenberg, Ihre Tattoos findet man im Designshop des Museums of Modern Art in New York. Wie haben Sie das geschafft?

Im Juli 2011 gründete ich Tattly. Eineinhalb Jahre später hatten wir ein edles Set zusammengestellt und schickten es Paola Antonelli, der Designchefin des Museums. Als ich die Tattoos darauf neben der Kasse sah, explodierte ich vor Freude. Ich sprach eine fremde Käuferin an, zeigte auf das Schild «Designed by Tina Roth Eisenberg» und dann auf mich. Sie reagierte nur verwirrt.

Kim Kardashians kleine Tochter trägt ihr «Gold Bracelet Set».

Stimmt. Meine zehnjährige Tochter bevorzugt den davonlaufenden Kothaufen. Gerne würde ich Talkmaster Ira Glass mit dem Bär von Nic Miller oder Astrophysiker Neil deGrasse Tyson mit einem Space Camp Badge sehen. Jeder hat seine eigenen Stars. Für einen Metzger entwickelten wir beispielsweise Keulen. Inzwischen bieten wir 600 Designs von 100 Künstlern an.

Die «New York Times» schreibt, Sie hätten Kunst in die Tattoos gebracht.

Wir arbeiten mit Zeichnern wie Jon Burgerman oder Stina Persson zusammen. Stefan Sagmeister, der Covers für die Rolling Stones und David Byrne gestaltete, macht für uns Wort-Tattoos wie «Don’t Expect People to Change».

Sie vergolden Ihr Business!

Wir wachsen langsam, ohne Darlehen. 16 Leute arbeiten für uns, 12 Vollzeit. Für jedes verkaufte Design belohnen wir die Künstler. Letztes Jahr haben wir ihnen über 250'000 Dollar ausbezahlt. Das entspricht 15 Prozent des Umsatzes. Viele denken, wir hätten einen Tresor voller Geld. Doch bei uns ist alles «Made in USA». Nur die goldenen Tattoos müssen wir in China drucken. Ich möchte unsere Gemeinschaft unterstützen. Wertschätzung übers Geld finde ich wichtig. Es gibt so viele Einkommensschwache in Brooklyn: Einmal suchten wir 12 Leute, die für 10 Dollar pro Stunde Tattoos einpackten. In kürzester Zeit meldeten sich Professoren aus anderen Ländern, Künstler und Studenten. Mit temporären Tattoos kann ich die Welt nicht retten. Aber ich kann etwas für Menschen in der Nähe tun.

Was ist Ihr Luxus?

Mein roter Faden ist Community-Building. Luxus ist, dass ich einmal pro Monat interessante Leute zu mir nach Hause einlade. Zu Beginn stand ich selber am Herd. Dann merkte ich, dass ich so zu wenig mitreden kann. Inzwischen kocht ein Partyservice für uns. Die Köche nehmen die Zutaten mit, kochen und servieren, räumen wieder auf. Ich überlegte mir, was mir früher am meisten Eindruck machte: Dinnerpartys zu Hause! Heute sagt mir meine Tochter dazu: «I love it!»

Sie integrieren die Kinder ins Geschäft?

Swiss-Miss-Blog, Creative Mornings, Tattly: Die Tochter und der Sohn waren die Gründe, weshalb ich mit allem begann. Ich stellte mir vor, welche Arbeitsbedingungen ich als Designerin und Mutter haben müsste. Dann gaben mir die Kinder Ideen. Mir ist es wichtig, dass sie sehen, wie man das Leben beeinflussen kann. Jeden Dienstag gehe ich mit Ella nachtessen. Einmal fragte ich sie, ob sie wisse, was ich den ganzen Tag im Büro mache. «Yes, Mami», antwortete sie: «Du bist vor dem Computer und lachst». Ja, ich gehe gern ins Büro, weil ich meinen Job mag. Ihr Kommentar: «So lässig, wow!»

Muss die Swiss Miss auch Misserfolge hinnehmen?

Mich fragen immer alle, was nicht geklappt habe. Vielleicht sehe ich in Fehlern einfach einen Schritt auf dem Weg zum Ganzen. Und wenn ich den Ideen nicht nachgegangen wäre, hätte sich ja nichts ereignet. Dazu halte ich mich an meine Regel: Wenn ich mich über etwas beschwere, dann muss ich etwas dagegen tun – oder es sein lassen.

Die Swiss Miss

Die Appenzellerin Tina Roth Eisenberg (41) lebt seit 1999 in New York. Vor zehn Jahren startete sie ihren Swiss-Miss-Blog. Bald schon informierten sich eine Million User über die Design-Vorschläge der Schweizerin. Auf Twitter hat sie 433'000 Follower. Zu den Stärken der Netzdesignerin gehört, für ihre Anliegen moderne Kommunikationskanäle zu nutzen. Die ersten Tattoos werden auf dem Blog gepostet, Stunden später gehen bereits unzählige Bestellungen ein, und aus London ruft die Chefin des Tate-Modern-Shops an. Die zweifache Mutter hat noch andere Projekte am Laufen: 2008 gründete sie Creative Mornings – monatliche Zusammenkünfte von Kreativen. Mittlerweile finden diese in 130 Metropolen statt. Für Zürich werden noch Organisatoren gesucht. Jetzt baut Tina Roth Eisenberg eine internationale Kreativdatei auf. Das Verzeichnis soll allen zugänglich sein.
 

Business-Tipp von der Swiss Miss

Wie merkt man, dass eine Geschäftsidee gut ist? Probieren gehe über Studieren, empfiehlt Tina Roth Eisenberg: «Wenn ich ein Kribbeln verspüre, möchte ich ein Projekt ausprobieren! Dabei sehe ich Möglichkeiten zu wachsen. Geld ist super, aber es ist nicht mein Antrieb. So kann ich mehr Risiken eingehen. Als ich fürs Museum of Modern Art vor 15 Jahren ein Online-Projekt ausführen konnte, gab ich alles. Wenn dir jemand Vertrauen schenkt, willst du dich automatisch beweisen. Das verleiht dir Flügel.»