Finn E. Kydland

Nobelpreis 2004 | Was macht gute Politik aus?

Eines späten Abends in der norwegischen Stadt Bergen warteten zwei Männer an einer Bushaltestelle. Ihre Gesichter zeigten trotz der Tageszeit, dass sie mit Konzentration und Herz bei der Sache waren, es ging dabei eindeutig um ein schwieriges Problem. Etwas später bemerkte ein neugieriger Beobachter eine Veränderung in ihrer Haltung: Ein Problem wurde gelöst. Die beiden Männer waren die Wirtschaftswissenschaftler Finn Kydland und Edward Prescott, und für die Idee, die ihnen damals an der Bushaltestelle kam, sollten sie Jahrzehnte später den Nobelpreis erhalten.

Finn E. Kydland

Finn E. Kydland

Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, 2004

Auf einen Blick

Geburtsjahr: 1943; Gjesdal, Norwegen

Fachgebiet: Makroökonomie

Ausgezeichnetes Werk: Beiträge zur dynamischen Makroökonomie: die zeitliche Konsistenz der Wirtschaftspolitik und die Triebkräfte der Konjunkturzyklen

Buchstaben auf seinem Autokennzeichen: BIP

Grösste Leidenschaft: Blues

Bevorzugte Freizeitbeschäftigung: Gitarre spielen und Gitarrenunterricht nehmen

Ein magischer Moment

Der gebürtige Norweger Kydland erzählt uns angeregt seine Geschichte. Zum Zeitpunkt des «Aha-Erlebnisses» an der Bushaltestelle hatten sich Kydland und Prescott bereits seit geraumer Zeit intensiv mit der Frage beschäftigt, wie sich Konjunkturzyklen unter Verwendung verschiedener vereinfachender Annahmen am besten modellieren liessen. Eine dieser Annahmen war zum Beispiel, dass alle Menschen gleich und unsterblich sind. Als sie an diesem Abend auf den Bus warteten, so beschreibt es Kydland, kam ihm eine zündende Idee, und danach begannen sie, entscheidende Fortschritte zu.
In diesem Fall bedeutete dies eine revolutionäre Arbeit auf dem Gebiet der Makroökonomie.

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Alltagsentscheidungen, die dynamisch modelliert werden.

Wie bringt man Politikerinnen und Politiker dazu, das, was sie versprochen haben, auch umzusetzen?

Die Arbeit über zeitliche Inkonsistenz und politische Strategien mögen zwar theoretisch klingen, haben aber konkrete Auswirkungen und Relevanz für die Staatsführung. «Eine gute Politik würde wahrscheinlich die Auswirkungen künftiger Massnahmen auf frühere Entscheidungen mit einbeziehen», sagt er. «Das Problem ist aber, dass diese Entscheidungen bereits getroffen wurden, wenn der zukünftige Zeitpunkt erreicht wird. Vor allem, wenn sich eine Regierung in einer Art Notsituation befindet, was bei Regierungen in gewisser Weise häufig der Fall ist, liegt es näher, sich verstärkt auf das zu konzentrieren, was direkt vor einem liegt, und sich so von der politischen Ausrichtung abzuwenden.»

Zu den Gründen dafür, dass politische Grundsätze in turbulenten Zeiten leicht über Bord geworfen werden, gehört der Umstand, dass die Wirtschafts- und Fiskalpolitik von den jeweils gewählten politischen Entscheidungsträgern bestimmt wird. Die politischen Grundsätze werden also entweder mit der Zeit verändert oder sind nicht einheitlich. Sobald sie einmal gewählt wurden, halten sich die Politiker nicht immer an die ursprünglich gewählten politischen Grundsätze. Es gibt auch gar kein realistisches Verfahren, sie dazu zu bringen.

«Ich sage manchmal scherzhaft, dass dies ein so wichtiges Problem ist, dass ein junger Wirtschaftswissenschaftler, der einen Weg findet, eine gute zukünftige Fiskalpolitik sicherzustellen, wahrscheinlich persönlich einen Preis vom schwedischen König überreicht bekommen würde», so Kydland.

Damit die politisch Verantwortlichen sich an politische Grundsätze halten, die auch langfristig konsistent sind, konzentrierten sich Kydland und Prescott auf die Regulierung der Geldpolitik, die den Zentralbanken obliegt. Die Schlussfolgerung aus ihrer bahnbrechenden wissenschaftlichen Arbeit legt nahe, dass Zentralbanken vor dem Druck, den Regierungen ausüben können, geschützt werden sollten. Vereinfacht gesagt rechtfertigt diese Arbeit die Unabhängigkeit der Zentralbanken, um so sicherzustellen, dass politische Strategien über längere Zeitverläufe stringent umgesetzt werden können.

Der Unabhängigkeit verpflichtet: der Fall der Zentralbanken

Ein Ökonom aus Versehen

Kydland ist durch einen Zufall auf seine akademische Laufbahn geraten. Seine Berufswahl war nicht sehr typisch, angesichts seines Hintergrunds vielleicht sogar etwas rebellisch. Aus einer traditionellen Bauernfamilie stammend war der Vater von Kydland der erste gewesen, der aus der Reihe tanzte und ein Transportunternehmen gründete. Aufgrund seiner hervorragenden Schulnoten in Mathematik entschied sich Kydland für ein Hochschulstudium an der Norwegian School of Economics and Business Administration. Er war eigentlich von einer Karriere im Unternehmensmanagement ausgegangen, bis er ein inspirierendes Seminar von Sten Thore besuchte. «Hätte ich nicht sein Seminar belegt, wäre mein Leben ziemlich langweilig verlaufen», sagt er. Da fragt man sich natürlich, ob ein innovativer, unternehmerischer Geist wie Kydland überhaupt in der Lage gewesen wäre, ein langweiliges Leben zu führen.

Können Wirtschaftswissenschaftler zur Behandlung von Alzheimer beitragen?

Heute erforscht Kydland die Anwendung seiner Theorien in interdisziplinären Bereichen, indem er zusammen mit seiner Frau Tonya, einer auf Alzheimer spezialisierten Neurowissenschaftlerin an der University of California, Santa Barbara, eine Konferenz organisiert, in der es um die ökonomischen Aspekte dieser Erkrankung geht. Kydland hat immer betont, dass es sehr wichtig ist, gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern aus verschiedensten Disziplinen an einem Ort zu arbeiten. Ganz praktisch gesehen könnte uns das gegenseitige Inspirieren im Ergebnis der Beantwortung einiger der dringendsten Fragen der Welt näherbringen, einschliesslich der Entwicklung neuer Wege zur Behandlung von Alzheimer.

Wie wird die Zukunft Europas aussehen?

Einige dieser Fragen implizieren auch ökonomische Aspekte. Die Zukunft Europas zum Beispiel und die Frage, wie die europäischen Volkswirtschaften zu nachhaltigem Wachstum zurückfinden. «Es gibt tiefsitzende Probleme in diesen Staaten», so Kydland. «Und sie müssen sich darauf konzentrieren, wie sie ihre Produktivitätskurven wieder nach oben bekommen.»

Wie finden die südeuropäischen Länder aus der Krise?

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«Mich haben immer jene Fragen motiviert, die ich für interessant hielt», gibt Kydland zu. Und er ist als Mensch bekannt, der «neugierig an makroökonomische Probleme herangeht und junge Leute dazu ermutigt, eigenständig zu forschen», sagt Carlos Carriga, ein Kollege von der Federal Reserve Bank of St. Louis. Wenn sich seine Studenten und Mitarbeiter mal zurücklehnen, um darüber nachzudenken, ob das, womit sie sich beschäftigen, wichtig ist? Dann ist Kydland zufrieden.

Wozu er (mehr oder weniger) raten würde

Auch wenn man als Norweger, wie Kydland sagt, normalerweise nicht sehr gerne Ratschläge erteilt, hat er doch einen Hinweis parat. Er schlägt seinen Doktoranden vor, nicht zu viel zu lesen. Seiner Meinung nach kann dies das Denken in die Richtung lenken, die in der akademischen Literatur vorherrscht und sie von ihrem eigenen, von Neugier und Kreativität geprägten Pfad abbringen. «Wenn man eine neue Idee hat, von der jeder denkt, dass sie total falsch ist, aber man selbst von ihrer Richtigkeit überzeugt ist, dann könnte man etwas Grossem auf der Spur sein», sagt er.

Abends unterwegs mit einem Nobelpreisträger

Sein Hauptinteresse ist und bleibt die Ökonomie, aber Kydland hat im Laufe seines Lebens eine Vielzahl anderer Leidenschaften, Hobbys und Aktivitäten entwickelt, darunter Gitarre spielen, eine Nerzfarm betreiben und Marathon laufen. Eine weitere dieser Leidenschaften ist der Blues. Mit Kydland und seinen Freunden eine Kneipe in Santa Barbara zu besuchen, ist ein wirklich eindrucksvolles Erlebnis. Es ist nicht nur so, dass Kydland sich hier ganz zuhause fühlt, sondern die freundliche Begrüssung der Barkeeper und des übrigen Personals lässt darauf schliessen, dass er auch mit der Band und ihrer Musik gut vertraut ist.

In diesem Moment scheint es gar keine Rolle zu spielen, was Kydland mit dem Rest seiner Zeit so anstellt, wie bahnbrechend seine wissenschaftlichen Arbeiten sind, sowohl die, die er bereits erreicht hat, also auch jene, mit denen er sich aktuell beschäftigt. Hier geht es ganz einfach um den Austausch von Energie zwischen den Künstlern und ihrem Fan.

«Er ist viel lieber als jemand bekannt, der sich für Blues interessiert», sagt Douglas Steigerwald, sein Kollege von der University of California, Santa Barbara. «Nicht als berühmter Wirtschaftswissenschaftler.»

Warum sollten Länder bessere Wege finden, um zu wachsen?

Hören Sie dazu die Meinung von Michael Spence und wie Länder nachhaltiges Wachstum generieren und dabei langfristig einen positiven Effekt erzeugen können.

Was bedeutet die wissenschaftliche Arbeit von Kydland also für uns?

«Die wissenschaftliche Arbeit von Kydland über Erwartungen, die sich im Lauf der Zeit verändern, und die Auswirkungen dieser Veränderungen ist für Anleger auf den Finanzmärkten, die nach Erkenntnissen suchen, von unmittelbarer Bedeutung.»

Paul Donovan 
Global Chief Economist
UBS Wealth Management

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