Das Wichtigste in Kürze:

  • Auch KMU, die nicht gesetzlich zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind, müssen auf Anforderungen von Kundinnen und Kunden und Lieferketten reagieren.
  • Viele KMU haben Schwierigkeiten mit der Datenerhebung und benötigen externe Beraterinnen und Beratern.
  • Unternehmen erkennen den Vorteil der Berichterstattung für gesetzliche Vorgaben und als verantwortungsvolle Arbeitgeber.

«Der Trend, zusätzlich zu Finanzberichten auch nichtfinanzielle Leistungen zu kommunizieren, ist ungebremst», erklärt Prof. Gabriela Nagel-Jungo von der ZHAW School of Management and Law in Winterthur. Die Leiterin des Instituts für Financial Management hat mit ihrem Team und der Wirtschaftsprüfungsfirma Mazars eine Studie zur Nachhaltigkeit im Schweizer Mittelstand veröffentlicht. Die Entwicklung, die sie beschreibt, kommt nicht von ungefähr: Neue Gesetze drängen zum Handeln. Die Taktfrequenz in der Gesetzgebung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung hat sich in den letzten Jahren massiv erhöht – und das weltweit: Auf globaler Ebene und ganz besonders im europäischen Raum gibt es bei der Kapitalmarktkommunikation intensive Bemühungen, konsistente und vergleichbare Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zu entwickeln. Die EU hat im Rahmen ihres Green-Deal-Programms mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) umfangreiche Berichterstattungsvorgaben eingeführt.

Druck von aussen

Die Schweiz hat ebenfalls nachgelegt: So verpflichtet das Klima- und Innovationsgesetz (KIG) ausnahmslos alle Unternehmen (also auch KMU), bis spätestens im Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen aufzuweisen (Art. 5 Abs. 1 KIG). Ebenso hielten Sorgfalts- und Transparenzpflichten bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit Einzug in die Schweizer Gesetzgebung (Art. 964j ff. OR). Neu sind auch die Vorschriften des Obligationenrechts (Art. 964a ff. OR) zur nichtfinanziellen Berichterstattung. Die damit verbundenen Transparenz- und Sorgfaltspflichten bezüglich Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, Menschenrechtsfragen sowie Korruptionsbekämpfung mussten betroffene Unternehmen ab einer bestimmten Grösse (Gesellschaften des öffentlichen Interesses mit mindestens 500 Vollzeitstellen und 40 Millionen Franken Umsatz oder 20 Millionen Bilanzsumme) erstmals für das Geschäftsjahr 2023 einhalten (das heisst erste Berichte im Jahr 2024). Seit dem 1. Januar 2024 sind überdies konkretere Vorgaben zur Klimaberichterstattung einzuhalten (das heisst Publikation der Berichte im Jahr 2025).

Angesichts der jüngsten Entwicklungen in der EU beziehungsweise mit dem Inkrafttreten der CSRD gelten die Schweizer Vorschriften zur nichtfinanziellen Berichterstattung jedoch bereits als überholt. Der Bundesrat hat sich daher entschieden, Mitte 2024 eine Vernehmlassung zu eröffnen. Da ist es nicht einfach, den Überblick zu behalten. Wie gehen KMU mit dem Thema Nachhaltigkeit um?

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Umfrage unter Firmen und Fachpersonen

Dieser Frage sind auch die Autorinnen und Autoren der ZHAW-Studie nachgegangen, an der sich 500 Schweizer Firmen aus dem KMU-Umfeld beteiligten. Zudem wurden zehn Interviews mit Fachexpertinnen und -experten geführt. ZHAW-Dozent Andreas Buchs, der an der Studie mitgearbeitet hat, hebt eine zentrale Erkenntnis hervor: «In rund 90 Prozent der befragten Unternehmen setzt sich die Unternehmensleitung spürbar für die Förderung der Nachhaltigkeit ein – von der Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts sehen die meisten Unternehmen jedoch ab.» Trotz dieser Zurückhaltung sind sich Unternehmerinnen und Experten einig, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU weiter an Bedeutung gewinnen werde. Warum ist das so? Unternehmen, welche die Kriterien im Obligationenrecht zur nichtfinanziellen Berichterstattung nicht erfüllen, sind von dieser ja gar nicht betroffen.

Kunden verlangen Informationen

Es gibt gute Gründe für KMU, Nachhaltigkeitsthemen zu managen und dann auch extern darüber zu berichten. Da wäre zunächst der wachsende Druck von aussen: Auch wenn viele Schweizer KMU von den neuen nationalen und internationalen Regelungen nicht direkt betroffen sind – indirekt sind sie es möglicherweise doch. Als Zulieferer von Unternehmen, die ihrerseits beispielsweise der EU-Regulation unterliegen, müssen sie allenfalls Nachhaltigkeitsinformationen liefern. Andernfalls laufen sie Gefahr, von der Lieferantenliste gestrichen zu werden, um nicht die Nachhaltigkeitsleistungen und die Compliance der Kunden zu beeinträchtigen. Das dürfte auch – so die Studie – bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Schweiz künftig vermehrt der Fall sein.

Schlussendlich ist auch die breite Öffentlichkeit verstärkt an Informationen über Risiken und Auswirkungen der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens auf die Umwelt und die Mitarbeitenden interessiert. Dieser Druck kann aus Sicht der Firmen in Zeiten des Fachkräftemangels helfen, die eigene Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. So gaben die Unternehmen, die bereits Nachhaltigkeitsberichte verfassen oder es konkret planen, in erster Linie ein intrinsisches Motiv an. Demnach soll die freiwillige Nachhaltigkeitsdokumentation dazu beitragen, sich als verantwortungsvolles Unternehmen auf dem Markt zu positionieren.

Mangel an Fachwissen und Personal

Befragt nach den grössten Herausforderungen, zeichnet sich ein klares Bild ab: Die Unternehmen bekunden in erster Linie Mühe in der Erstellung des Datenmaterials, und es fehlen oft die nötigen personellen Ressourcen. Kein Wunder also, dass mehr als die Hälfte der befragten Firmen, die schon berichten oder es zeitnah tun wollen, die Hilfe externer Beraterinnen und Berater in Anspruch nehmen beziehungsweise nehmen wollen.

Wie sollen KMU am besten vorgehen?

Die gute Nachricht zuerst: Der Schweizer Standardsetzer Swiss GAAP FER arbeitet an einem KMU-Leitfaden, der Unternehmen dabei unterstützen soll, ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement zu implementieren. Dies beinhaltet auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Praktische Unterstützung ist auch notwendig, wenn man den Flickenteppich der Inhalte Schweizer Nachhaltigkeitsberichte betrachtet. Laut der ZHAW-Studie wenden die Unternehmen ein breites Sortiment an Regelwerken an. Gegeben, dass sich ein Unternehmen nach einem Standard bzw. Framework richtet, wenden die meisten die Standards der Global Reporting Initiative (GRI) an oder aber sie orientieren sich an den Sustainable Development Goals (SDGs). Abgesehen davon verfasst ein bedeutender Teil der Unternehmen jedoch den Nachhaltigkeitsbericht nach keinem bestimmten Regelwerk.

Neue Prozesse etablieren

Anspruchsvoll ist es, neben den ökologischen Indikatoren auch die vorwiegend qualitativen Eckwerte zur Unternehmensführung (Governance) und Soziales einzuhalten, um den ganzheitlichen Anforderungen von ESG gerecht zu werden. KMU sollten also zuerst ein Nachhaltigkeitsmanagement etablieren – und dann erst rapportieren. So schützen sie auch ihre Geschäftsleitunge und Verwaltungsrat.

Wertschöpfung nachhaltiger gestalten

Einordnung von Mirjam Frei, Head Sustainability, Corporate & Institutional Clients, UBS Schweiz AG

Viele Schweizer Unternehmen haben das Prinzip der Nachhaltigkeit bereits in ihre Strategie integriert. So werden sie diverser, attraktiver, sparen Energie, wechseln Energiequellen für Betrieb und Produkte, sanieren Gebäude, beschleunigen Prozesse und reduzieren per Recycling und Re-Design den Ressourcenverbrauch. Zudem nutzen sie «Technologie-Shifts» etwa zur Verbesserung der Cybersicherheit. Angesichts der Tatsache, dass der Transformationsprozess hin zu einer nachhaltigen Unternehmensführung sehr komplex ist, seien hier nur einige zentrale Aufgaben skizziert:

  1. Bestandsaufnahme
    Im ersten Schritt bedarf es einer Analyse des Geschäftsmodells im Hinblick auf ökologische und soziale Belange sowie hinsichtlich der entsprechenden Governance, um zu wissen, wo das Unternehmen überhaupt steht. Gute Governance-Strukturen sind wichtig, denn sie sorgen für Verbindlichkeit, sichern Qualität und sparen Zeit. Für diese Analyse gibt es viele hilfreiche Tools wie zum Beispiel esg2go, Energy Check-up, Cyber Security Check oder UBS Marketplace.
  2. Strategische Prioritäten und Ziele setzen
    Auf der Basis einer ersten Analyse können Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Stakeholders die Nachhaltigkeitsprioritäten setzen und Ziele definieren.
  3. Integration in die Wertschöpfung
    Der Übergang zu einer nachhaltigen Wertschöpfung ist komplex und macht alle Betroffenen zu Beteiligten, insbesondere Mitarbeitende, Kundinnen und Kunden sowie Lieferanten. Zur Einbettung des Nachhaltigkeitsprinzips in Strategie und Funktionen des Unternehmens sowie in die dafür notwendige Finanz- und Zeitplanung ist externe Fachberatung empfehlenswert.
  4. Massnahmen- und Investitionsplan erstellen und realisieren
    Die Investitionsplanung ist auf die Ziele abgestimmt – etwa auf die Reduktion der CO2-Emissionen im Sinne des Netto-Null-Ziels des Bundes bis 2050. Dies muss in Einklang mit den finanziellen Möglichkeiten erfolgen. Nachhaltigkeitskriterien sind Teil der kurz-, mittel- und langfristigen Finanzierung etwa durch Sustainability Linked Loans oder Green Loans.
  5. Evaluation
    Der Erfolg aller Massnahmen muss regelmässig im Einklang mit der Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung gemessen werden. Auf dieser Grundlage werden die Aktivitäten geprüft und gegebenenfalls Ziele neu justiert. Tools wie esg2go müssen also zur Routine werden.
  6. Wissensvorsprung durch Partnerschaften
    Partner finden sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette, je nach Industrie vom Materiallieferanten bis zum Endkunden. Know-how, Best Practices und Innovationen werden durch Vernetzung (UBS-Roundtable zum Beispiel) schweizweit und international einsetzbar.

Ihre Ziele im Fokus

Gemeinsam setzen wir Ihre Ziele in konkrete Erfolge um. Mit unserem Netzwerk und unserem Fachwissen eröffnen wir neue Impulse für Ihr Wachstum.

Lassen Sie uns Ihre Ideen in die Tat umsetzen.

Bild von Gabriela Nagel

Gabriela Nagel

Professorin für Financial Management

Prof. Dr. Gabriela Nagel leitet das Institut für Financial Management der ZHAW School of Management and Law, in dem die Themen Rechnungslegung, Unternehmensberichterstattung, Corporate Performance Management, Sustainable Financing, Corporate Finance & Capital Markets in Lehre und Forschung bearbeitet werden. Den engen Bezug zur Praxis pflegt sie unter anderem auch mit Verwaltungsratsmandaten, aktuell bei der GVZ sowie der LLB (Schweiz) AG.

Bild von Andy Buchs

Andreas Buchs

Dozent für Financial Management

Andreas Buchs hat seinen beruflichen Hintergrund in der Wirtschaftsprüfung. Heute arbeitet er als Dozent am Institut für Financial Management an der ZHAW School of Management and Law. Er befasst sich im Rahmen der Lehrtätigkeit bzw. verschiedener Forschungs- und Praxisprojekte mit den Themen Sustainability Reporting, Financial Reporting und Financial Accounting.

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