Was ist geschehen?

Der S&P 500 stieg am Mittwoch um 3,1%, nachdem der Vorsitzende der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, angedeutet hatte, dass das Tempo der Zinserhöhungen wohl gedrosselt werden könnte, möglicherweise, wie er sagte, «bereits bei der Dezembersitzung».


Nach vier Zinserhöhungen um 75 Basispunkte (Bp.) in Folge nehmen die Märkte jetzt eine Anhebung der Fed um 50 Bp. im Dezember vorweg. Die Marktbewertung des endgültigen Zinssatzes änderte sich jedoch am Mittwoch kaum. Die Fed Funds Futures per Mai 2023 sanken nur um 7 Bp. auf 4,93%.


Die Rendite der 10-jährigen US-Treasuries fiel um 14 Bp. auf 3,6%, während die 2-jährige Rendite um 16 Bp. auf 4,31% zurückging. Der US-Dollar-Index DXY gab um 0,8% nach.


Die am Mittwoch veröffentlichten Daten unterstützten den Eindruck einer allmählichen Abkühlung am Arbeitsmarkt. Die JOLTS-Daten der offenen Stellen sanken im Oktober um 353 000 auf 10,3 Millionen. Die ADP-Daten zeigten einen Anstieg der Beschäftigtenzahlen im Privatsektor um 127 000 im November und damit weniger als die erwartete Zunahme um 200 000.


Früher am Tag hatte der Euro Stoxx 50 um 0,8% höher geschlossen, nachdem die Inflation in der Eurozone deutlicher zurückgegangen war als erwartet. Die Konsumentenpreisinflation verlangsamte sich von 10,6% im Oktober auf 10% im November.


Was erwarten wir?

Powells Rede an der Brookings Institution am Mittwoch war weniger restriktiv als von einigen Anlegern befürchtet. Sie verlieh der Rally, die den S&P 500 von seinem Tiefstwert vom Oktober um rund 13% emporgetragen hatte, neuen Schwung. Die Markterholung wurde von Hoffnungen auf eine weniger aggressive Geldpolitik der Fed getragen – zusammen mit Anlagekapitalflüssen und der Positionierung – und Powell stemmte sich nicht dagegen.


Der Fed-Vorsitzende räumte ein, dass einige der massgeblichen Inflationstreiber, wie die Produktionsengpässe und die Güterpreisinflation, nachgeben. Die Inflation von Wohndienstleistungen dürfte zwar in den kommenden Monaten weiter steigen, aber «später im nächsten Jahr» ebenfalls allmählich zurückgehen.


Dies sind zwar ermutigende Entwicklungen, Powell stellte aber auch fest, dass der US-Arbeitsmarkt «nur zögerliche Anzeichen einer neuen Austarierung» zeige und das Lohnwachstum nach wie vor «deutlich über den Niveaus» liege, die «im Laufe der Zeit mit einer Inflation von 2% vereinbar» seien. Am Freitag werden die Beschäftigungszahlen ohne den Agrarsektor bekannt gegeben. Der Markt erwartet eine Verlangsamung von 261 000 neuen Stellen im Oktober auf 200 000 im November. Die Arbeitslosenquote wird den Prognosen zufolge mit 3,7% knapp über einem 50-Jahrestief verharren.


Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass die Fed den Leitzins im Dezember um 50 Bp. und im 1. Quartal 2023 um weitere 50 Bp. anheben wird. Damit sollte der Zinserhöhungszyklus dann enden. Die kumulierten Auswirkungen der bereits erfolgten Zinserhöhungen werden das Wirtschaftswachstum und die Unternehmensgewinne jedoch weiter belasten. Aus dem Protokoll der geldpolitischen Sitzung vom November geht hervor, dass die Wahrscheinlichkeit eines Abrutschens der Wirtschaft in eine Rezession nach Ansicht der Fed-Vertreter «im nächsten Jahr fast so gross ist wie das Basisszenario», in dem ein Konjunkturrückgang knapp vermieden wird.


Diese Verlangsamung wird die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 belasten, die unseres Erachtens im Jahr 2023 um 4% zurückgehen werden. Die Bottom-up-Konsenserwartungen richten sich derzeit auf ein Wachstum der Gewinne je Aktie von 5%. Dies könnte zu optimistisch sein. Strengere Kreditvergabestandards, ein wahrscheinlicher weiterer Rückgang des ISM-Index für die Industrie und die Fed-Erwartung einer steigenden Arbeitslosenquote deuten auf einen Rückgang der Gewinne je Aktie im nächsten Jahr hin.


Wie investieren wir?

Trotz der jüngsten Erholung der Aktienkurse sind die gesamtwirtschaftlichen Voraussetzungen für eine nachhaltige Rally unseres Erachtens noch nicht gegeben. Wir beurteilen die Risiko-Rendite-Aussichten für die nächsten drei bis sechs Monate als unvorteilhaft. Angesichts der Möglichkeit periodischer Erholungen bevorzugen wir jedoch Strategien, die eine Absicherung gegen Verluste, aber auch eine Partizipation am Aufwärtspotenzial bieten.


Wir empfehlen, den Fokus in den einzelnen Anlageklassen auf defensivere Bereiche zu richten. Bei Aktien gefallen uns Strategien mit Kapitalschutz und hochwertige Ertragsaktien ebenso wie das Gesundheitswesen und der Basiskonsumgütersektor, die sich bei einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums als relativ widerstandsfähig erweisen sollten. Am Devisenmarkt ziehen wir die Zufluchtswährungen US-Dollar und Schweizer Franken gegenüber dem britischen Pfund und dem Euro vor. Und im Anleihenbereich bevorzugen wir erstklassige Titel und Investment-Grade-Anleihen gegenüber US-Hochzinsanleihen.


Da die Inflation immer noch deutlich über den Zielwerten der Zentralbanken liegt, rechnen wir auch mit einer Outperformance von Substanzwerten gegenüber Wachstumsaktien. Energie ist nach wie vor einer unserer bevorzugten globalen Aktiensektoren. Aus regionaler Sicht gefallen uns die günstigeren und stärker auf Substanzwerte ausgerichteten Aktienmärkte Grossbritanniens und Australiens im Vergleich zum US-Aktienmarkt, der einen höheren Anteil an Technologie- und Wachstumstiteln aufweist und ausserdem teurer bewertet ist.


Die hohe Korrelation von Aktien und Anleihen in diesem Jahr unterstrich indes, wie wichtig es ist, alternative Renditequellen ins Auge zu fassen, zum Beispiel bestimmte Hedge-Fund-Strategien. Macro-Strategien haben sich im Jahr 2022 bisher besonders gut entwickelt. Wir erwarten, dass sie an den volatilen Märkten weiter gut abschneiden.