Was ist geschehen?

Der S&P 500 fiel am Mittwoch um 2,5%, nachdem der Vorsitzende der US-Notenbank Jerome Powell angedeutet hatte, es sei «sehr verfrüht», jetzt schon an eine Pause bei den Zinserhöhungen zu denken. Seine Kommentare folgten auf die vierte Leitzinserhöhung der US-Notenbank um 75 Bp. in Folge. Dabei wurde der Zielbereich für die Fed Funds Rate auf 3,75% bis 4% angehoben.


Powell warnte, die Fed habe «noch einiges zu tun», um die Inflation zu zügeln, und fügte hinzu, die Daten seit der letzten geldpolitischen Sitzung im September «deuten darauf hin, dass das endgültige Niveau der Zinssätze höher sein wird als erwartet.» Bei der letzten Fed-Sitzung deutete der Medianwert der Erwartungen der geldpolitischen Entscheider auf einen Zinshöhepunkt bei 4,6% hin. Jetzt nehmen die Märkte einen Zinshöhepunkt über 5% im Juni des nächsten Jahres vorweg.


Die Kommentare des Fed-Vorsitzenden lösten eine abrupte Kehrtwende an den Aktienmärkten aus, die zunächst positiv auf Andeutungen in der Fed-Stellungnahme über womöglich langsamere Zinserhöhungen reagiert hatten. Dort hiess es, die Fed würde die bisher realisierte «kumulierte Straffung» und die «Verzögerung, mit der sich die Geldpolitik auf die Wirtschaftsaktivität und die Inflation auswirkt, berücksichtigen». Powell bestätigte, dass künftig mit einem moderateren Straffungstempo zu rechnen sei, möglicherweise bereits ab der Dezembersitzung «oder der Sitzung danach».


Am Tag vor der Fed-Sitzung hatten die Konjunkturdaten weitere Belege für die immer noch angespannte Arbeitsmarktlage geliefert. Den JOLTS-Daten zufolge stieg die Zahl der offenen Stellen im September um 437 000 auf 10,72 Mio. Damit kehrte sich der Rückgang vom August um und die Stellenangebote lagen weit über der Konsenserwartung eines Rückgangs auf 9,75 Mio. Auf jeden Arbeitslosen in den USA entfielen somit Ende September 1,9 unbesetzte Stellen. Das bedeutet, dass das Lohnwachstum erhöht bleiben könnte.


Was erwarten wir?

Die Entscheidung der Fed und die jüngste Steuerung der Erwartungen entsprechen unserer aktuellen Einschätzung, dass es noch zu früh ist, auf eine Wende zu einer moderateren Geldpolitik zu setzen. Die Fed-Vertreter haben angedeutet, dass für eine solche Kursänderung kontinuierliche Belege für ein Nachlassen des Inflationsdrucks und eine Abkühlung am Arbeitsmarkt erforderlich seien. Bisher ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt. Der Kerndeflator der privaten Konsumausgaben (ohne Lebensmittel und Energie) beschleunigte im September auf 0,5% im Vergleich zum Vormonat. Im Vorjahresvergleich stieg der Indikator von 4,9% im August auf 5,1%. Die Arbeitslosenquote ging unterdessen in diesem Monat auf ein 50-Jahrestief von 3,5% zurück.


Eine Verlangsamung beim Tempo der Zinserhöhungen gegenüber den bisherigen Schritten um 75 Bp. ist durchaus möglich. Dies dürfte jedoch von moderateren Inflations- und Arbeitsmarktzahlen im Vorfeld zur Sitzung am 14. Dezember abhängen. Darüber hinaus machen sich die Märkte zu Recht grössere Sorgen über die endgültige Zinshöhe als über das Tempo der Straffung.


Alles in allem sind wir nicht der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine nachhaltige Aktienmarktrally gegeben sind. Die Fed wird die Zinsen – ebenso wie die anderen grossen Zentralbanken – voraussichtlich bis zum 1. Quartal 2023 weiter straffen. Das Wirtschaftswachstum dürfte sich bis zum Beginn des neuen Jahres noch abschwächen. Solange die Geldpolitik weiter gestrafft wird, sind die Finanzmärkte weltweit anfällig für zusätzliche Belastungen. Darüber hinaus sind diese Belastungen in den Gewinnschätzungen oder Aktienbewertungen nach unserer Meinung noch nicht vollständig berücksichtigt. Derzeit rechnen wir mit einem Rückgang der weltweiten Gewinne je Aktie um 3% im Jahr 2023, während sich die Bottom-up-Konsenserwartungen auf ein Wachstum von 5% richten.


Wie sollte man anlegen?

Wir hatten die Anlegerinnen und Anleger zur Vorsicht in Bezug auf die jüngste Rally gemahnt, bei welcher der S&P 500 von seinem Tiefpunkt von Mitte Oktober um 9% stieg. Angesichts der Möglichkeit periodischer Erholungen bevorzugten wir jedoch Strategien, die eine Absicherung gegen Verluste bieten, ohne auf die Partizipation am Aufwärtspotenzial zu verzichten.


Unseres Erachtens ist das Risiko-Rendite-Verhältnis der Märkte für die nächsten drei bis sechs Monate unvorteilhaft. Die jüngste Stellungnahme der Fed untermauert diese Einschätzung. Im aktuellen Umfeld empfehlen wir folgende Vorgehensweisen:


Fokus auf defensive Anlagen bei der Anhebung von Engagements. Im Aktienbereich bevorzugen wir kapitalgeschützte Strategien sowie Substanzwerte und hochwertige Ertragstitel. Auf der Sektorebene favorisieren wir das globale Gesundheitswesen sowie den Basiskonsumgüter- und den Energiesektor, während wir Wachstums-, Industrie- und Technologieaktien mit «Least Preferred» einstufen. Die schwachen Ergebnisse von Mega-Cap-Technologieunternehmen in der letzten Woche untermauern unsere Beurteilung des Technologiesektors mit «Least Preferred». Aus regionaler Sicht gefallen uns die günstigeren und wertorientierteren Märkte Grossbritanniens und Australiens im Vergleich zum US-Aktienmarkt, der einen höheren Anteil an Technologie- und Wachstumsunternehmen sowie höhere Bewertungen aufweist.


Im Anleihenbereich bevorzugen wir erstklassige und Investment-Grade-Anleihen gegenüber US-Hochzinsanleihen. An den Devisenmärkten ziehen wir die Zufluchtswährungen US-Dollar und Schweizer Franken gegenüber dem britischen Pfund und dem Euro vor. Klicken Sie hier (nur auf Englisch verfügbar), um mehr zu erfahren.


Nach unkorrelierten Hedge-Fund-Strategien suchen. Hedge Funds waren im Jahr 2022 ein seltener Lichtblick für die Anleger. Einige Strategien, wie Macro, entwickelten sich besonders gut. Da die Inflationsdaten und die Politik der Zentralbanken in der nächsten Zeit weiterhin für eine hohe Korrelation zwischen Aktien und Anleihen sorgen dürften, raten wir Anlegern, in weniger stark korrelierende Hedge-Fund-Strategien zu diversifizieren, um die Unsicherheit am Markt zu bewältigen. Klicken Sie hier (nur auf Englisch verfügbar), um mehr zu erfahren.


Wertpotenzial an den Privatmärkten aufspüren. Einige Privatmarktfonds dürften infolge des Rückgangs an den öffentlichen Märkten in diesem Jahr die Schätzungen in Bezug auf den Nettoinventarwert nach unten revidieren. Aber es hat sich in der Vergangenheit bewährt, nach einem Rückgang der Bewertungen an den öffentlichen Märkten in Privatmarktanlagen zu investieren. Wir bevorzugen im aktuellen Umfeld wertorientierte Strategien, um ein Engagement an den Privatmärkten aufzubauen. Klicken Sie hier (nur auf Englisch verfügbar), um mehr zu erfahren.