Autoren
Michele Gambera Lucy Thomas

Wichtigste Highlights

  • In jüngsten Phasen angespannter Marktlage schnitten ESG-Indizes trotz hoher Volatilität im Energiesektor im Einklang mit traditionellen Marktbenchmarks ab.
  • Der Hauptgrund besteht darin, dass zahlreiche ESG-Benchmarks so konstruiert sind, dass ihre Performance möglichst genau traditionellen Benchmarks entspricht, während Vermögenswerte mit hohen ESG-Ratings noch immer übergewichtet werden.
  • Der Klimawandel und die wirtschaftliche Ungleichheit sind Aspekte, die den aktuellen Ausblick überschatten. Beide sind per se systemisch und können deswegen nicht abgesichert oder wegdiversifiziert werden.
  • Für die Anleger sind Risiko und Ertrag in der Regel die beiden Grössen, die die Vermögensallokation steuern. Wir führen gleichwohl ins Feld, dass zwei zusätzliche Komponenten – Zeit und Präferenz – erforderlich sind, um diesen Prozess in der Welt der nachhaltigen Anlagen zu erweitern.

Abstimmung der Kapitalallokation auf die Präferenzen im Nachhaltigkeitsbereich

Eine Frage für Anleger, die nachhaltig investieren oder ihre Kapitalallokation auf ihre Präferenzen und Überlegungen im Nachhaltigkeitsbereich ausrichten wollen, lautet, wie ihre Portfolios in Phasen angespannter Marktlage abschneiden. Jüngste Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine haben die Märkte erschüttert und die Energiepreise in die Höhe getrieben, wodurch ökologische, soziale und governancebedingte Faktoren (ESG) unter Druck gerieten.

Störungen der Lieferketten und geopolitische Krisen haben die US-Inflation auf den höchsten Stand seit den 1980er-Jahren ansteigen lassen und auch die gesamtwirtschaftliche Unsicherheit erhöht. Indes dürfte die Entwicklung des Preisdrucks dazu führen, dass Anleger kurzfristig ein breites Spektrum potenzieller Szenarien in Betracht ziehen.

Klimawandel und wirtschaftliche Ungleichheit

Zwei ökologische und soziale Themen überschatten den aktuellen Ausblick, während das inflationäre Umfeld die Möglichkeiten für Anleger schmälert, langfristig nachhaltige Erträge zu erzielen. Die Rede ist vom Klimawandel und der wirtschaftlichen Ungleichheit, die beide per se systemisch sind und nicht abgesichert oder wegdiversifiziert werden können. Der Klimawandel hat eine Masseninitiative für den Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft ausgelöst, die strukturelle Veränderungen für eine Neuausrichtung der gesamten Wirtschaft erfordert. Die soziale Ungleichheit wurde durch die Pandemie verstärkt, zumal schutzbedürftige Personen unverhältnismässig betroffen waren. In letzter Zeit hat sich gezeigt, dass eine soziale Spaltung in der Regel zu geopolitischen Krisen führt. Eine höhere Inflation neben Klimawandel und sozialer Instabilität macht den Anlegern das künftige Leben noch schwerer.

In jüngsten Phasen angespannter Marktlage schnitten ESG-Indizes trotz hoher Volatilität im Energiesektor im Einklang mit traditionellen Marktbenchmarks ab. Der Hauptgrund besteht darin, dass zahlreiche ESG-Benchmarks so konstruiert sind, dass ihre Performance möglichst genau traditionellen Benchmarks entspricht, während Vermögenswerte mit hohen ESG-Ratings noch immer übergewichtet werden. Während Kohleförderer von ESG-Indizes ausgeschlossen sein können, ist das Engagement in Energietiteln identisch mit traditionellen Indizes, weil Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien übergewichtet sind. Folglich unterscheiden sich ESG- und traditionelle Indizes im Hinblick auf das Gesamtengagement in Sektoren und Regionen kaum.

Zeit und Präferenz

Unsere neueste Studie zur Vermögensallokation in einer ESG-Welt verschafft einen Anhaltspunkt dafür, wie unterschiedlich ESG- und traditionelle Indizes sein können. Für die Anleger sind Risiko und Ertrag in der Regel die beiden Grössen, die die Vermögensallokation steuern. In unserer Studie kommen wir zu dem Ergebnis, dass zwei zusätzliche Komponenten – Zeit und Präferenz – erforderlich sind, um diesen Prozess in der Welt der nachhaltigen Anlagen zu erweitern.

Die Zeitkomponente bezieht sich auf die Dauer des laufenden ESG-Übergangs, wenn Regierungen und Unternehmen Regulierungen, neue Technologien und Investitionen umsetzen, um die Umweltverschmutzung gemäss den Grundsätzen des Pariser Klimaübereinkommens zu verringern und die Ziele für nachhaltige Entwicklung im Hinblick auf soziale Verantwortung und Governance zu erreichen.

Die Präferenzkomponente bezieht sich auf die Bedeutung, die ein Anleger der Priorisierung von Nachhaltigkeit in einem Anlageportfolio beimisst und die entweder regulatorischen Anforderungen oder den Zielen des Anlegers oder seiner Organisation und deren Führungsgremium geschuldet ist. Für diese Anleger ist entscheidend, wie Portfolios optimiert werden, um Risiko und Ertrag mit ESG in Einklang zu bringen. Die Wirkung hängt stark vom Ausmass der ESG-Vorgaben ab.

Sind die Vorgaben sehr restriktiv, sodass das Anlageuniversum deutlich schrumpft, müssen die Anleger Portfolios akzeptieren, die weniger diversifiziert sind und folglich schlechtere risikobereinigte Erträge verbuchen können. Sind die Vorgaben dagegen unverbindlicher und ermöglichen ein Faktorengagement gemäss den wichtigsten ESG-Benchmarks, sind die langfristigen Auswirkungen auf die Anlageperformance unseres Erachtens minimal und kurz- bis mittelfristig möglicherweise positiv.

Die wichtigsten ESG-Benchmarks sind ausdrücklich so beschaffen, dass das Faktorengagement im Einklang mit traditionellen Benchmarks steht, sodass der Tracking Error zwischen ESG- und traditionellen Benchmarks sehr gering ausfällt.

Doch wie sieht es mit der Inflation aus?

Einigen Ländern ist es jahrzehntelang gelungen, die inflationäre Wirkung von Tarifverhandlungen durch die Verlegung von Arbeit und Produktion in andere Regionen zu umgehen. Doch mit diesem Trend könnte Schluss sein, denn die Lieferketten waren für Unternehmen optimiert, die niedrige Kosten und niedrige Lagerbestände priorisieren.

Inzwischen jedoch dürften die Rückführung und der Wiederaufbau der Lagerbestände infolge der zahlreichen Schocks in den Lieferketten mehrjährige Prozesse sein, die zu steigenden Preisen beitragen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeit gegenüber Kapital ins Hintertreffen gerät, ist niedrig. Eine solche Entwicklung könnte die Gewinnmargen im Laufe der Zeit etwas belasten.

In ähnlicher Hinsicht spielt die Fiskalpolitik eine wesentlich grössere Rolle bei der Stabilisierung der Konjunktur, nachdem sie seit den 1980er-Jahren durch die Austeritätspolitik in Vergessenheit geraten war. Die globalen Konjunkturpakete zur Abmilderung des wirtschaftlichen Schadens durch die COVID-19-bedingte Rezession waren zweimal grösser als die Pakete nach der globalen Finanzkrise. Das könnte die Blaupause für noch umfassendere staatliche Massnahmen in der Zukunft liefern.

Auch die Geopolitik leistet insbesondere kurzfristig einen weiteren Beitrag zu dieser These einer höheren Inflation, da der russische Einmarsch zu (vorübergehend) höheren Rohstoffpreisen insbesondere für Energie und Agrarerzeugnisse führte. Die (teure) Vorratshaltung essenzieller Vorprodukte dürfte künftig die Norm werden.

In diesem Umfeld höherer Inflation dürfte die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen selbst in Industrieländern positiv sein, sodass sich die Vorteile einer Diversifikation verringern und wir mehr innovative Lösungen anbieten müssen, damit Kundinnen und Kunden ihre Anlageziele erreichen.

ESG und widerstandsfähige Unternehmen

Die Kosten für Neu- und Gebrauchtwagen zählten zu den wesentlichen Inflationstreibern in der COVID-19-Krise. Die Produktion neuer Fahrzeuge geriet nicht nur aufgrund der anfänglichen Fabrikschliessungen in den Rückstand, sondern auch, weil die Automobilhersteller Anfang 2020 sämtliche Komponentenbestellungen stornierten, weil sie mit einem rückläufigen Automobilumsatz im Lockdown rechneten. Laut einer Studie des US-Handelsministeriums sank der mittlere Computerchipbestand von Verbrauchern wie Automobil- und Medizingeräteherstellern von 40 Tagen im Jahr 2019 auf unter fünf im Jahr 2021.

Kurz zusammengefasst: Chiphersteller rüsteten ihre Produktionslinien um, um Komponenten für Heimbüros und
-fitnessstudios herzustellen, da Menschen mehr und mehr von zu Hause aus arbeiteten. In der Folge waren keine Produktionskapazitäten für Automobilkomponenten mehr vorhanden. Dies brachte die Automobilherstellung weltweit zum Erliegen und löste eine Teuerung aus, zumal Menschen in vielen Teilen der Welt mehr Autos kaufen wollten, um öffentliche Verkehrsmittel zu vermeiden.

Die Governance-Komponente von ESG umfasst die Notwendigkeit, Unternehmen einzuschliessen, die widerstandsfähig sind und natürliche und geopolitische Schocks verkraften können – statt immer schlanker und schlanker, dafür aber unflexibler zu werden. Dies ist nicht nur erforderlich, um Aktionären langfristig sichere nachhaltige Erträge zu gewährleisten, sondern auch, um für alle Interessengruppen, einschliesslich Mitarbeitender, Kundinnen und Kunden sowie lokaler Gemeinschaften, ein nachhaltiges Umfeld zu schaffen.

Die Ereignisse zwischen 2020 und 2022 haben unmissverständlich gezeigt, dass in der Struktur von Unternehmen nicht genügend Puffer vorhanden ist, um natürliche (wie ansteigende Meeresspiegel oder Pandemien) und vom Menschen verursachte Schocks (wie Kriege) zu verkraften.

Die bessere Einhaltung von Nachhaltigkeitsgrundsätzen dürfte unseres Erachtens zu einer robusteren Wirtschaft beitragen.

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Ausblick zur Jahresmitte 2022

Da die Inflation in vielen Teilen der Welt inzwischen so hoch ist wie seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr, stellt sich die Frage, wie die Anleger ihre Portfolios an dieses neue Anlageumfeld anpassen können.

Weiterführende Einblicke

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