Michael Spence

Nobelpreis 2001 | Wie können Entwicklungsländer das Wirtschaftswachstum fördern?

Michael Spence war Dekan der Stanford Graduate School of Business, Professor an der NYU Stern und Vorsitzender der US-Kommission für Wachstum und Entwicklung. Spence, dessen Verstand von seinen Kollegen gern als Rennwagen bezeichnet wird, ist ihnen nicht nur eine Leitfigur, sondern auch ein guter Freund. Professor Spence hat die Welt der Mikroökonomie verändert, indem er zeigte, dass die Märkte nicht immer mit perfekten Informationen ausgestattet sind. Seine Arbeit zu den Themen «Job Market Signaling» und «Screening» hat massgeblich zu einer verbesserten Interaktion zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern beigetragen. Spence ist vor allem ein Makroökonom, der sich mit Wirtschaftswachstum und der Armutsbekämpfung beschäftigt. Als amerikanischer Staatsbürger, der in Kanada geboren ist und seinen Wohnsitz in den USA, in Asien und in Europa hatte, ist er ein beispielloser Globetrotter. Er findet diese Erfahrungen bereichernd, weil sie ihm dabei helfen, «den jeweiligen Ort gewissermassen weniger aus der Distanz mit dem Blick über den Atlantik zu betrachten».

Michael Spence

Michael Spence

Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften 2001 (gemeinsam mit George Akerlof und Joseph Stiglitz)

Auf einen Blick

Geboren: 1943, Montclair, New Jersey, USA

Fachgebiet: Mikroökonomie, später Makroökonomie

Ausgezeichnetes Werk: Die Dynamiken des Informationsflusses und der Marktentwicklung

Seine berühmtesten Studenten: Bill Gates und Steve Ballmer (der sich nur selten sehen liess)

Bester Aha-Moment: Von Tom Schelling lernte er, dass Surfer und Schwimmer eine Gefahr für einander darstellen.

Bevorzugter italienischer Ausruf, wenn man einen Fehler macht: «Senza speranza!» (Hoffnungslos!)

Ein Nobelpreisträger von Welt

Wenn man die Mailänder Wohnung von Michael Spence betritt, wird die eventuelle Erwartung, dass man hier auf die heissesten Trends einer ultramodernen italienischen Inneneinrichtung treffen wird, im Keim erstickt. Statt eines majestätischen Blicks auf die Mailänder Skala erwarten einen ein riesiges Tipi im Wohnzimmer und jede Menge Lego auf dem Boden. Hier in Italien, wo Spence mit seiner Frau Giuliana und seinen beiden jüngsten Kindern lebt, zeigt er eher den entspannten Dad-Modus als die Version des jetsettenden Nobelpreisträgers.

«Für viele Menschen ist das Leben in Peru genauso fremd wie das Leben auf dem Mars», sagt er. «Das muss aber nicht so sein.»

Können wir einen Rahmen für die Entscheidungsfindung schaffen, der in jedem Land zu Wachstum führt?

Als jemand, der mehr Zeit in der Luft als auf dem Boden verbringt, ist es nicht überraschend, dass Spence sich dem Thema der globalen Zugehörigkeit verschrieben hat. Kurz nachdem er den Nobelpreis verliehen bekam, übernahm er die Verantwortung für ein durch die Weltbank initiiertes Projekt. Die Herausforderung bestand darin, einen Rahmen für zukünftiges Wachstum zu schaffen. «Wir suchten nach Volkswirtschaften, die sich in der Vergangenheit durch ein starkes Wachstum ausgezeichnet hatten», sagt er. «Mindestens sieben Prozent über mindestens 25 Jahre.»

Wie können wir ein schnelles und nachhaltiges Wachstum erreichen?

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Auf der Suche nach der Zauberformel, mit der man in diesen Ländern ein schnelles Wachstum fördern kann, fand Spence eine recht einfache Antwort, bei der es zwei entscheidende Faktoren gibt.
«Sie sind für die globale Wirtschaft offen», sagt er. «Der wichtigste Faktor ist Wissen beziehungsweise Technologie, wie man es auch nennen will. Es muss Kanäle geben, durch die dieses Wissen erworben werden kann. Dadurch werden die Länder in die Lage versetzt, den riesigen Marktplatz der globalen Wirtschaft zu nutzen.» Spence erwähnt Asien als erfolgreiches Beispiel für einen Kontinent, der den globalen Markt für den Vertrieb von Textilien und Kleidung genutzt hat, was ihn zum zweiten Faktor führt, nämlich hohe finanzielle Investitionen in die Zukunft.

Was verhindert das Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern?

Faktoren, die das Wachstum verhindern, können sich sehr schnell ausbreiten. Für Spence sind die grössten Bedrohungen die zunehmende Ungleichheit, wirtschaftliche Verschwendung und Fehler, die in der Politik stattfinden oder den sozialen Zusammenhalt gefährden. «Es passiert jetzt wieder, und zwar an vielen verschiedenen Orten», sagt er. «Mit der Polarisierung, einer hohen Arbeitslosigkeit der Jugend und so weiter.»

Wie kann Europa seine Regeln neu schreiben?

Portugal, Spanien, Italien und vor allem Griechenland sind mit voller Kraft in den Blindflugmodus gegangen, wie er es beschreibt. «Es gibt keine Inflation, mit der der Abbau des Staatsdefizite beschleunigt werden könnte», sagt er. «Ohne es zu wollen, haben wir eine Wirtschaftsstruktur geschaffen, der es an Anpassungsmechanismen fehlt. Deshalb kann man sich nur schwer eine Alternative vorstellen zu einer sehr, sehr langen Periode, bis das Gleichgewicht wiederhergestellt wird.»

Welche Strategien sind vorstellbar, um die EU-Krise zu bekämpfen?

«Wir müssen die Regeln neu schreiben, damit wir eine grössere Einheit erreichen, eine zentralisierte Regulierung durch die EZB, einen systemweiten Versuch, die Wachstumshindernisse zu überwinden. Und das schliesst, wenn notwendig, auch Steuertransferleistungen mit ein», sagt er. Weiterhin führt er an, dass es zwar einen riesigen europäischen Fonds für Investitionen in weniger entwickelten Regionen der EU gibt, dass die aktuellen finanzpolitischen Massnahmen aber nicht greifen.

Die andere Alternative wäre, dass man einfach zurückrudert und entscheidet, dass Europa keine gemeinsame Währung haben kann, dass die Idee aufgegeben wird und Europa einfach für eine effektive, extrem freie Wirtschaft im Hinblick auf Personen-, Kapital- und Warenverkehr steht.

Menschen profitieren von einer Ökonomie der Informationen

Spence hätte nie mit einem Nobelpreis in Mikroökonomie gerechnet. Seine ursprüngliche Veröffentlichung zum «Signaling Effect», einer Lösung für Informationslücken auf den Märkten, war eher kurz gefasst, und er hatte nicht erwartet, dass sie jemals Wellen schlagen würde. Das tat sie aber.

Vorher ging man davon aus – und manche sind noch immer dieser Meinung – dass das Informationsumfeld eines Marktes vollständig und für jedermann zugänglich sei. «Wenn das wahr wäre, wäre das Internet keine besonders interessante Sache», sagt Spence. Es würde die Menschen lediglich mit Informationen versorgen, die sie schon vorher hätten haben können, nur langsamer und zu viel höheren Kosten.»

«Wenn der Käufer etwas kauft, ist das eigentlich eine Lotterie.»

Die Informationen, die Käufern und Verkäufern an Märkten zur Verfügung stehen, unterscheiden sich in Bezug auf die Menge und den Typ. Jeder, der schon einmal ein gebrauchtes Auto gekauft hat, kennt das. «Der Kauf, ist eigentlich wie eine Lotterie», sagt er. «Wenn es keinen gangbaren Weg gibt, über den die Verkäufer sich als Anbieter eines hochwertigen Produkts hervorheben können, betrachten die Käufer die Vergleichspreise für eine durchschnittliche Qualität. Da sie die tatsächliche Qualität des Produkts nicht kennen, denken sie, das sei kein guter Deal. Und wenn es keine Nachfrage gibt, nimmt der Verkäufer sein Produkt vom Markt.»

Solch ein Szenario kann also zu einem erheblichen Preisrückgang führen und dazu, dass es am oberen Ende des Qualitätsspektrums keine Marktteilnehmer mehr gibt. Nach der Beobachtung von Spence, kann dies im extremen Fall dazu führen, dass der Markt kollabiert oder aber ein Markt für Produkte geringerer Qualität wird.

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Wie können wir ein Vertrauensverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer schaffen?

Wie können wir Informationslücken schliessen?

«Manchmal gibt es Möglichkeiten, um ein Problem zu lösen», sagt er. «Mit Verträgen, zum Beispiel, die für eine bestimmte Zeit ein Garantieversprechen für das Produkt abgeben. Das würde es am unteren Ende des Qualitätsspektrums nicht geben. Es gibt also eine Möglichkeit, zwischen Qualitätsprodukt und geringerwertigem Produkt zu unterscheiden.»

Das Signaling und Screening, mit dem Spence sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt, ist also kein rein akademisches Konzept, sondern wird tatsächlich im Alltag angewendet. Junge Menschen studieren an Elite-Universitäten wie Stanford, um ihre Jobchancen nach dem Studium zu verbessern. Spence sieht darin allerdings kein strategisches Verhalten. Sie reagieren lediglich auf bereits bestehende Anreize. «Wenn man einen Platz an einer solchen Uni ergattert, bekommt man zweierlei dafür», sagt er. «Zum einen das, was man lernt, und zum anderen den Signaling-Effekt.»

Wenn Informationslücken geschlossen werden, kommt der Erfolg automatisch

Auch wenn das logisch erscheint, liegt der wirkliche Durchbruch erst in der alltäglichen Anwendung, die für die Menschen wirklich selbstverständlich ist. «Lassen Sie uns mal ein modernes Beispiel nehmen», fängt er an zu erklären. «Airbnb schafft zwei Dinge. Zum einen wird über eine Netzwerkstruktur ein Markt geschaffen, und zum anderen wird ein Informationsproblem gelöst. Schliesslich bin ich als Vermieter einer Wohnung nicht so oft auf dem Markt, und Sie als Mieter sind vielleicht auch nicht so oft auf dem Markt. Andererseits sind Sie sind oft genug auf dem Markt, damit die zentrale Plattform, die eine sehr grosse Datenbank betreibt, Sie beurteilen kann. Der andere entscheidende Bestandteil dieser Plattformen ist das beidseitige Bewertungssystem, durch das Informationslücken geschlossen werden.»

Kann digitale Technologie zu einer Bedrohung werden?

Die Verwendung digitaler Technologien hatte nicht nur einen durchschlagenden Effekt auf die Informationsstruktur der Märkte, sondern auch auf ihr Bestehen. Spence, der sein Tablet immer zur Hand hat, ist sich bewusst, dass viele Leute in seinem Alter nicht am digitalen Leben teilnehmen. Es ist aber seiner Meinung nach unbestritten, dass soziale Medien immer bedeutender werden.

«Künstliche Intelligenz wird zu einem Grossteil dadurch ermöglicht, dass man über sehr schnelle Maschinen verfügt, die an sehr schnelle Netzwerke angeschlossen sind, die wiederum mit riesigen Datenbanken voller Bilder und anderer Daten verbunden sind,» sagt er. «So erkennen Maschinen beispielsweise das Konzept eines Stuhls, indem sie sich innerhalb von einer halben Sekunde 80 000 Stühle ansehen: Sie haben die Fähigkeit, bestimmte Muster zu erkennen. Jetzt wissen die Maschinen also schon so gut wie wir, was ein Stuhl ist. Anstatt einer Maschine zu sagen, wie sie etwas tun soll, zeigt man ihr also auf einer viel tieferen Ebene, wie sie lernen soll.»

Warum soziale Medien immer bedeutender werden

Warum sollten Länder bessere Wege finden, um zu wachsen?

Hören Sie dazu die Meinung von Michael Spence und wie Länder nachhaltiges Wachstum generieren und dabei langfristig einen positiven Effekt erzeugen können.

Während Spence neugierig darauf ist, welches Potenzial die Technologie birgt, ist er auch etwas besorgt darüber, wohin die Roboter uns möglicherweise führen werden. Seine Sorgen richten sich vor allem darauf, was der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Zukunft mit dem Arbeitsmarkt machen wird. Doch so wie die Arbeit von Spence, für die er den Nobelpreis erhielt, die Struktur des Arbeitsmarktes und seine Anwendung veränderte, besteht weiterhin die Hoffnung, dass wir einen Weg finden werden, den Zusammenbruch des (menschlichen) Arbeitsmarktes zu verhindern. Und wir können uns sicher sein, dass bereits hinter der nächsten Wegbiegung eine wichtigere Arbeit auf uns wartet. Glücklicherweise ist Spence immer in Bewegung.

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